Roter Thunfisch, Roter Thun – Thunnus thynnus

Der Rote Thun (Thunnus thynnus) ist eine von drei Arten der Blauflossen-Thunfische und einer der begehrtesten Speisefische. Bei einer Länge von bis zu 5 Metern kann ein ausgewachsener Roter Thunfisch 700 Kilogramm und mehr auf die Waage bringen. Derart große Exemplare sind heute allerdings eine Rarität. Es gilt schon als Sensation, wenn Fischern ein mäßig großes Exemplar ins Netz geht. Wie im Februar 2022, als griechische Fischer im Ionischen Meer einen rund 380 kg schweren Roten Thun fingen. Der prächtige Raubfisch soll der schwerste und größte Fang dieser Art in den vergangenen zehn Jahren gewesen sein. Denn nach jahrzehntelanger, hemmungsloser Überfischung standen Rote Thune bereits als „gefährdet“ auf der Roten Liste. Man befürchtete sogar das Aussterben der ikonischen Raubfische. Dann endlich verabschiedete die für das fischereiliche Management von Roten Thunfischen im Atlantik zuständige Regionale Fischereikommission (RFMO), die ICCAT, wirksame Bewirtschaftungsmaßnahmen.

2021 hatten sich die Bestände im Atlantik und Mittelmeer so weit erholt, dass die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) Thunnus thynnus als „nicht gefährdet“ einstufte.

Fischereiindizierte Evolution

Werden Fischbestände zu intensiv befischt, weichen die Tiere dem Fischereidruck aus. Ihre Geschlechtsreife tritt früher ein, es gibt überwiegend kleinere Exemplare. Große und alte Tiere, die für viel Nachwuchs sorgen könnten, werden immer seltener. Eine derartige fischereiindizierte Evolution hat nachteilige Folgen für die Fischerei und die betroffenen Arten. Dieser Effekt lässt sich mittlerweile auch beim Roten Thunfisch beobachten.

Fischer fangen zu viele große Fische

Genügend alte und große Fische in einem Bestand wirken wie eine Reproduktionsversicherung. Derart ausgeglichene Fischbestände sind widerstandsfähiger gegenüber sich verändernden Umweltbedingungen. Sie können Zeiten, in denen etwa Nahrungsmangel herrscht, wesentlich besser abpuffern und in der darauffolgenden Saison verlässlich Nachwuchs zeugen.

Der Rote Thun (Thunnus thynnus) ist eine von drei Arten der Gattung Thunnus (Blauflossen-Thunfische). Die anderen sind der Südliche Blauflossen-Thunfisch (Thunnus maccoyii) und der Nordpazifische Blauflossen-Thunfisch (Thunnus orientalis). Seinen Namen verdankt Thunnus thynnus dem stark dunkelroten Fleisch.

Noch vor 100 Jahren mutete man das streng schmeckende Fleisch allerhöchstens Hunden oder Katzen zu. Zum Speisefisch – und einer begehrten Delikatesse – wurde Roter Thunfisch erst in den vergangenen 50 Jahren. Innerhalb von nur 30 Jahren brachen die einst riesigen Bestände zusammen. Am schlimmsten traf es die Populationen im Westatlantik. Ihr Bestand sank seit den 1970er-Jahren auf gerade noch 10 Prozent seiner ursprünglichen Größe. Hauptursache war katastrophales Fischereimanagement. Denn der weltweite Sushi-Höhenflug heizte die Nachfrage kräftig an. Naturgemäß ist dabei Japan der wichtigste Abnehmer. Für Dosenthunfisch wird Roter Thunfisch dagegen nicht verwendet. Hierfür ist er zu kostbar.

Fischereidruck auf Roten Thun vertreibt Weiße Haie

So führte der seit Jahrzehnten anhaltende Fischereidruck im Mittelmeer und im Schwarzen Meer dazu, dass der Rote Thun im türkischen Teil dieser Meere als ausgerottet gilt. In der Folge verschwanden auch Weiße Haie aus diesen Meeresregionen. Sie waren noch bis in die 1980er-Jahre zu ihren Laichplätzen wandernden Roten Thunfischen ins Marmarameer gefolgt.

Ein Weißer Hai schwebt unter der Wasseroberfläche.

Kaskade im Ökosystem: Erst verschwindet der Rote Thun, dann der Weiße Hai. Foto: Gerald Schömbs/unsplash

„Ferrari“ unter den Knorpelfischen

Rote Thunfische sind enorm schnell. Sie erreichen Reisegeschwindigkeiten von bis zu 70 km/h. In der Spitze auch 80 km/h. Eine Atlantikdurchquerung schaffen die mächtigen Raubfische in nur 40 Tagen.

Roter Thunfisch ist fast warmblütig

Ein ungewöhnlich stark entwickeltes, meist neben den Muskelpaketen befindliches Blutgefäßsystem, auch Wundernetz genannt, ermöglicht es dem Roten Thun, seine Körpertemperatur gegenüber der umgebenden Wassertemperatur relativ konstant zu halten. Wenn sie es so richtig eilig haben, sollen bis zu 15 Grad über der Umgebungstemperatur drin sein. Rote Thunfische sind die einzigen Knochenfische, denen dieses Kunststück gelingt.

Die Lebenserwartung der Art soll bei bis zu 20 Jahren liegen. Doch derartige Methusalems sind selten geworden.

Vermehrung

Junge Weibchen legen pro Laichsaison im Schnitt 500.000 Eier. Alte und große Thunfischweibchen dagegen bis zu zehn Millionen. Die Larven schlüpfen nach nur drei Tagen. Dann sind sie gerade einmal drei Millimeter groß. Doch bereits nach einem Monat haben die Kleinen stolze 3,5 Zentimeter erreicht.

Rote Thunfische jagen wie Wölfe

Rote Thune jagen wie Wölfe: im Verband. Sie kesseln ihre Beute ein. Nähern sich ihr rasend schnell im Halbkreis und umschließen sie. Eine Jagdtechnik, die auch verschiedene Delfinarten, wie Orcas, gerne anwenden. Ihre bevorzugte Jagdbeute sind Makrelen und Sardinen.

Rote Thunfische fressen alles, was sie erwischen, und sie erwischen fast alles, was da im Wasser oder am Boden schwimmt oder treibt, krabbelt oder haftet. Dafür benutzen sie hauptsächlich ihren Gesichtssinn. Bald flinke Makrelen, bald am Grund lebende Flundern, ja sogar Schwämme. Bradford Chase von der Massachusetts Division of Marine Fisheries fand im Magen von Roten Thunfischen vor New England an erster Stelle Heringe. Aber auch vielerlei andere größere und kleinere Fische. Von Haien bis zu Seepferdchen. Von Rochen bis zu Plattfischen sowie die verschiedensten Tintenfische, Krebse und anderes.

Weite Wege

Thunnus thynnus verteilt sich im Wesentlichen auf zwei Lebensräume. Westatlantik und Ostatlantik. Außerdem soll es noch eine dritte, südliche Population vor der Küste von Südafrika geben. Wie alle Blauflossen-Thunfische schwimmen sie in Schwarmverbänden. Dabei gerne zusammen mit anderen Thunfischarten (Albacore, Gelbflossen– und Großaugenthunen oder Skipjack).

Springender Roter Thunfisch in der kroatischen Adria

Ein Roter Thunfisch springt, kroatische Adria
Foto: Marco Aumann/DSM

Während sich die Bestände des West- und Ostatlantiks bei der Nahrungssuche vermischen, schwimmen sie zum Ablaichen getrennte Wege. Rote Thune haben feste Laichplätze. Deshalb sind sie auf ihren jährlichen Wanderungen dorthin berechenbar. Das macht ihre Befischung vergleichsweise einfach.

Die Population aus dem Westatlantik laicht zwischen April und Juni im Golf von Mexiko ab. Dagegen ziehen Rote Thune aus dem Ostatlantik von Juni bis August ins Mittelmeer. Auf dem Weg zu den Laichgebieten legen sie mehr als 5.800 Kilometer zurück. Durchqueren den gesamten Atlantik. Dabei bleiben sie die meiste Zeit dicht an der Wasseroberfläche. Denn dort ist es mit Wassertemperaturen von 12 bis 16 Grad noch vergleichsweise angenehm temperiert.

Ermutigende Signale

Zuständig für die Bewirtschaftung und den Erhalt der Bestände im Mittelmeer und Atlantik ist die Internationale Kommission zum Erhalt des Atlantischen Thunfischs (ICCAT, International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas).

Alle drei Arten der Blauflossen-Thunfische waren 2011 bedroht. Doch nach einem Jahrzehnt der Bemühungen von Naturschützern und der Industrie, darunter strenge Fangquoten und ein hartes Vorgehen gegen illegalen Fischfang, beginnen sich die Bestände zu erholen. 2021 schließlich verschob sich der Status für den Roten Thunfisch auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN von „gefährdet“ auf „nicht gefährdet“. Ein ermutigendes Signal.

Auf ihrer Jahrestagung 2022 verabschiedete die ICCAT nach fast zehnjährigen Verhandlungen eine neue Fangstrategie. Hierbei will man sich zur Berechnung der zulässigen Gesamtfangmenge (TAC) zukünftig auf ein wissenschaftlich abgesichertes Bewirtschaftungsverfahren stützen. Meeresschützer sehen hier einen entscheidenden Paradigmenwechsel beim Fischereimanagement für den Roten Thun. Auch wenn es noch kein ökosystemares Mehrartenmanagement ist, so gilt jetzt eine Verpflichtung, mehr Nachhaltigkeit bei der Festlegung der Fangquoten anzustreben.


Neuer Höchststand beim Pazifischen Blauflossen-Thunfisch

Nordpazifische Blauflossen-Thune (Thunnus orientalis) gehören in Japan zu den gefragtesten und teuersten Fischen überhaupt. Fast 90 Prozent des Fangs gehen nach Japan. Im Pazifik fängt man diese Thunfische hauptsächlich mit Ringwadennetzen und Langleinen.

Nach rücksichtsloser jahrzehntelanger Überfischung gab es 2012 im Pazifik noch 40.000 ausgewachsene vermehrungsfähige weibliche Nordpazifische Blauflossenthunfische (Thunnus orientalis). Dies entsprach etwa 2 bis 4 Prozent der ursprünglichen Bestandsgröße. 2011 begannen endlich multilaterale Managementmaßnahmen, um die Überfischung einzudämmen und das drohende Aussterben der Art zu verhindern. Die Maßnahmen wie Fangbeschränkungen und deren Kontrolle führten wesentlich schneller zum Erfolg, als alle Experten es erwartet hatten.

Zwei Blauflossen-Thunfische bei einer Auktion auf einem Fischmarkt in Tokio.
Foto: Sarah Carr, 2009/Marine Photobank

Im Juni 2024 gab es dann Entwarnung für die Bestände von Thunnus orientalis. Die Erhaltungsmaßnahmen der beiden für die fischereiliche Bewirtschaftung verantwortlichen Fischereikommissionen IATTC und WCPFC hatten Erfolg. Niemals zuvor seit Beginn der Bestandserfassungen gab es derart viele Nordpazifische Blauflossen-Thunfische. Dies gab die Fischereiabteilung der Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten NOAA-Fisheries am 25. Juni 2024 bekannt.

Dennoch bleibt der Druck hoch. Besonders auf große Exemplare. 2019 zahlte ein Tokioter Sushi-Unternehmer für einen 278 kg schweren Blauflossenthunfisch die Rekordsumme von rund 2,6 Millionen Euro. Das war allerdings eher als Werbeaktion zu verstehen, denn im Schnitt liegen die Preise in Japan bei etwas über 150.000 € für größere Exemplare.

Der griechische Rekordfang vom Februar 2022 wurde allerdings in Europa vermarktet. Wegen der Coronapandemie kam ein Export nach Asien nicht in Frage.

Titelfoto: Thunfischschwarm, NOAA/Marine Photobank

Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag


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