Sägefische – ausgesägt?

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Ungewöhnlich aussehende Meerestiere haben es schwer, denn sie stechen heraus. Doch wer – je nach Art – mit einer bis zu 1,7 m langen heckenscherenartigen Kopfverlängerung ausgerüstet ist, fällt nicht nur auf, er bekommt auch Probleme. Sägefische sind große Rochen. Sie gehören zu den außergewöhnlichsten Knorpelfischen, die es gibt. Gleichzeitig zählen die „Heckenscheren mit Flossen“ mittlerweile zu den am stärksten gefährdeten Fischen in den Ozeanen. Denn laut einer neuen Studie sind die meisten der fünf Arten der Sägerochen, die einst an Küsten, in Flussmündungen und Seen von 90 Ländern lebten, heute in mehr als der Hälfte davon ausgestorben. Hauptursachen sind Lebensraumverluste und Überfischung.

Sägefische sind leicht zu erbeuten. Mit ihrem zahntragenden Schwert haben sie keine Chance, sich aus Fischernetzen zu befreien. Folglich gerät ihnen die raffinierte „Säge“, mit der sie Beutefische durch blitzschnelles Hin- und Herschlagen zerteilen können, zum tödlichen Verhängnis.

Erstmals ist ein weitverbreiteter Meeresfisch vom Aussterben bedroht

Wissenschaftler der Simon Fraser University (SFU) aus British Columbia, Kanada, warnen in ihrer auf Science Advances (American Association for the Advancement of Science/AAAS) veröffentlichten Studie vor dem Aussterben der Sägerochen. „Damit dokumentieren wir die ersten Fälle, in denen weitverbreitete Meeresfische durch Überfischung vom lokalen Aussterben bedroht sind“, betont Nick Dulvy, Professor für Biologie an der SFU. Von den fünf Arten von Sägefischen sind drei vom Aussterben bedroht, während zwei auf der Roten Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzorganisation IUCN als stark gefährdet eingestuft sind.

Gewöhnlicher Sägefisch / Sägerochen.

Sägefische / Sägerochen der Art Pristis pristis können über 6 m groß werden. © wikimedia, David Wackenfelt, licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license

In 55 Ländern gelten Sägefische heute als ausgestorben. Beispielsweise in den Gewässern vor China, dem Irak, Haiti, Japan, Timor-Leste, El Salvador, Taiwan, Dschibuti und Brunei. In weiteren 18 Ländern fehlt mindestens eine Art. In 28 Ländern, sind bereits zwei Sägerochen-Arten verschwunden.

Rettungsbootnationen für Sägefische

Als letzte Hochburgen für Sägerochen gelten, so schreiben die Forscher, die USA und Australien. Hier sind sie besser geschützt, es gibt Arterhaltungsprogramme. Für die Forscher sind diese Länder folglich Sägefisch-Rettungsboote.

US-Behörden versuchen viel, um die urtümlichen Knorpelfische zu retten. So setzte NOAA eine Belohnung von 20.000 US-Dollar für Hinweise zur Ergreifung von Sägefisch-Wilderern aus. Im Oktober 2020 hatte ein Ranger im Everglades-Nationalpark in der Nähe von Everglades City 7 tote und verstümmelte Schmalzahn-Sägerochen gefunden. Die Umweltorganisation Center for Biological Diversity erhöhte die Belohnung noch auf 25.000 Dollar. Den Tätern drohen hohe Strafen von bis zu 100.000 Dollar oder einem Jahr Gefängnis.

NOAA Forscher markieren einen Sägefisch / Sägerochen.

NOAA-Forscher markieren einen Sägerochen. © NOAA Fisheries

Hoffnungsschimmer für Sägerochen

Hoffnung für die Heckenscherenfische gibt es auch noch in Kuba, Tansania, Kolumbien, Madagaskar, Panama, Brasilien, Mexiko und Sri Lanka. Doch nur, wenn diese Länder schnell Maßnahmen für den Erhalt der Meeressäger in die Wege leiten.

Ein Jungtier der Art Pristis pectinata wird ausgew   ildert.

Freilassung eines juvenilen Schmalzahn-Sägerochens der Art Pristis pectinata. Die vom Aussterben bedrohte Art lebt küstennah und auch in Flussmündungen. Ausgewachsen können sie fast 8 m groß und 350 kg schwer werden. Früher weitverbreitet. Heute sind sie in den meisten ihrer einstigen Lebensräume ausgestorben. Bei den Bahamas, vor Belize, Kuba, Honduras, Sierra Leone und besonders an der Küste von Florida gibt es noch kleinere Populationen. © NOAA Fisheries

„Auch wenn die Situation kritisch ist, hoffen wir, die schlechten Nachrichten ausgleichen zu können, indem wir diesen Ländern ihre hervorragende Bedeutung deutlich machen. Sie können Sägefische in ihren Gewässern retten“, hofft Helen Yan von der SFU. „Es ist immer noch möglich, die Bestände in mehr als 70 Prozent ihres historischen Verbreitungsgebiets wiederherzustellen, wenn jetzt gehandelt wird“.

Waffe und Sinnesorgan: Die Säge

Die Säge ist ein faszinierendes Multitool. Waffe, Harke und zugleich Sinnesorgan. Das kennt man nur bei wenigen Tieren. Von Narwalen etwa. Doch setzen die Meeressäuger ihr gleichfalls als Sinnesorgan tätiges Einhorn nur zu innerartlichen Auseinandersetzungen ein.

Gewöhnlicher Sägefisch / Sägerochen der Art Pristis pristis.

Freilassung eines Gewöhnlichen Sägerochens (Pristis pristis) nach der Rettung aus einem austrocknenden Wasserloch, Nordaustralien. © Peter Kyne/IUCN Shark Specialist Group

Sägefische sägen furchtbar schnell. Kaum sichtbar für das menschliche Auge. Mehrmals pro Sekunde schlagen sie in Rechts-links-Bewegungen in einem Fischschwarm damit hin und her. Beutetiere werden dadurch entweder zweigeteilt oder auf die Sägezähne gespießt. Überdies setzen sie ihre Kopfverlängerung zum Wühlen nach Krebstieren im Meeresboden ein. Außerdem ist das Superwerkzeug auch noch geeignet, elektrische Felder anderer Fische zu lokalisieren.

Die Säge – eine beliebte Trophäe

Ober- und Unterseite einer Säge.

Ober- und Unterseite des Rostrums eines australischen Sägerochens. © wikimedia, licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

Natürlich ist die ungewöhnliche Fischwaffe als illegale Trophäe beliebt. Außerdem werden Flossen und Zähne der Tiere für Lebensmittel oder Medikamente sowie als Sporen für den Hahnenkampf verkauft. Ein wenig hilft, dass der Handel mit Sägefischprodukten gemäß dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) verboten ist.

Was wird aus den Heckenscheren mit Flossen?

„Noch gibt es Chancen, diese außergewöhnlichen Tiere vor der Ausrottung zu bewahren und sie zurückzubringen“, erklärt Sonja Fordham, Forscherin der Studie und Präsidentin von Shark Advocates International. Doch sie warnt zugleich: „An zu vielen Orten läuft uns die Zeit davon, um sie zu retten“. Wie bei Knorpelfischen üblich, benötigen auch Sägerochen lange, bis sie ihre Geschlechtsreife erreichen. Etwa 10 Jahre dauert das. Und dann vermehren sie sich auch nur langsam. Dadurch sind die Bestände schnell überfischt.

Saws and the City: Riesige Sägefische in Miami

Ausgerechnet in der dicht besiedelten Biscayne Bay können Einwohner von Miami und Miami Beach beim Blick aus dem Fenster wieder Schmalzahn-Sägerochen (Pristis pectinata) sehen. Die Rückkehr dieser großen und spektakulären Art dokumentierten jetzt Wissenschaftler der US-Klima- und Ozeanbehörde NOAA Fisheries. Sie identifizierten mindestens 14 Individuen, die sich zwischen 2017 und 2020 in der sogenannten NOAA Biscayne Bay Habitat Focus Area aufhielten. Es handelt sich dabei um erwachsene und jugendliche, männliche und weibliche Tiere.

Erstmals erfasst wurde die heute vom Aussterben bedrohte Rochenart in der Biscayne Bay 1890. Um 1930 dann galten sie hier als ausgestorben. Seit 10 Jahren allerdings gibt es zunehmend Berichte über die Rückkehr der urtümlichen Fische.

Fischer aus Miami mit erbeuteten Rochen um 1920.

Fischer aus Miami präsentieren erbeutete Schmalzahn-Sägerochen, Leoparden-Stechrochen und einen Tarpun um 1920. © W. A. Fishbaugh/courtesy of State Library & Archives of Florida: https://www.floridamemory.com/items/show/165364

Schutzmaßnahmen in der Biscayne Bay für Schmalzahn-Sägerochen

Seit 1992 stehen Schmalzahn-Sägerochen in der Biscayne Bay unter Schutz. Zwei Jahre später dann erweiterte die Florida Fish and Wildlife Conservation Commission bereits eingeleitete Maßnahmen durch ein Verbot der Stellnetzfischerei. Das half. Denn mit ihren bis zu 1,5 m langen Sägen verheddern sich die fast 8 m groß werdenden Rochen unentrinnbar in Netzmaterial jeglicher Art.

Seit dem Jahr 2000 sah man Schmalzahn-Sägerochen in die Bucht zurückzukehren. Mit Vorliebe halten sie sich hier in von Mangroven gesäumten Gewässern mit einer Tiefe von weniger als einem Meter auf.

Von Angelschnüren befreiter Schmalzahn-Sägerochen im Biscayne-Nationalpark.

Biscayne-Nationalpark-Ranger befreiten diesen Schmalzahn-Sägerochen, der sich in Angelschnüren verheddert hatte. © Biscayne National Park

„Frühere Studien haben gezeigt, dass seichtes Wasser in Mangrovengebieten, in die Süßwasser fließt, ein idealer Lebensraum für diese Art ist. Das Vorkommen von Sägefischen in der Bucht weist auf die Notwendigkeit hin, jetzt, wie in anderen Teilen ihres Verbreitungsgebiets, die Öffentlichkeit zu informieren. Damit auch die Bürger von Miami diese einzigartigen Tiere besser verstehen und schützen können“, erklärt NOAA-Fischereibiologin Dr. Joan Browder.

Einer der letzten verbliebenen Lebensräume

Gemäß dem NOAA Fisheries Smalltooth Sawfish Recovery Plan 2009 ist die untere Südwestküste Floridas ein wichtiges Vermehrungsgebiet für Schmalzahn-Sägerochen in den USA. Größere Bestände mit ausgewachsenen Meeressägen finden sich noch beim etwa hundert Meilen nördlich von Biscayne Bay gelegenen Jupiter Inlet. Somit kam die Biscayne Bay Habitat Focus Area seit jeher als eine wahrscheinliche Küstenreiseroute zwischen diesen beiden Standorten infrage.

Weltkarte mit den verbliebenen Lebensräumen der Schmalzahn-Sägerochen (Pristis pectinata).
Es gibt nur noch wenige Regionen, in denen Schmalzahn-Sägerochen überlebt haben. © NOAA Fisheries

NOAA Fisheries will gemeinsam mit dem Shark Research and Conservation Program der Universität Miami sicherstellen, dass die Erfolgsgeschichte der Saws in the City weitergeht.

Titelfoto: Gewöhnlicher Sägerochen. © NOAA Fisheries


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