Schottische Delfine in der Ostsee

Einmal quer über die Nordsee – das scheint bei einigen der schottischen Delfine aus dem Moray Firth eine beliebte Route zu sein! Immerhin sind dies zwischen rund 700 und 1.000 Kilometer Luftlinie, je nachdem, ob es die dänische West- oder Ostküste ist. Doch offensichtlich sind die Ostsee und dänische Gewässer ein interessantes Reiseziel für Delfine aus Schottland. Wir haben uns bei der Forscherin Dr. Barbara Cheney von der University of Aberdeen nach den „reiselustigen schottischen Delfinen“ erkundigt. Sie leitet dort das Programm zur Erforschung der Population Großer Tümmler an der Ostküste Schottlands.

Brüder nicht nur im Geiste

Nun hat es nach dem „Travemünder“ Delfin Delle einen zweiten recht aktiven und menschenfreundlichen Großen Tümmler in die Ostsee verschlagen. Vieles spricht dafür, dass es sich um Skywalker handelt. Auch er stammt von der Nordostküste Schottlands, wurde das letzte Mal 2018 im Moray Firth gesichtet und – wenn er es tatsächlich ist – dann ist er ein jüngerer Bruder von Delle! Barbara Cheney kennt sich mit den deren Familienverhältnissen aus: Ihrer beider Mutter wird Chewbacca genannt. Auch sie ist reiselustig, besuchte 2019 mit ihrem Sohn Skywalker die niederländische Küste. Später sah man Chewbacca auch einmal in dänischen Gewässern.

Yoda aka Delle wird zum Solitärdelfin

Gewaltiger Sprung von Delle. Foto von Kirsten Bruns.
Der Große Tümmler Delle bei Travemünde in der Lübecker Bucht. Auch er ist ursprünglich ein „Schotte“. © Kirsten Bruns

Delle wiederum verschwand bereits 2017 aus dem Moray Firth. Zwei Jahre später machte er Station bei Svendborg in der dänischen Ostsee. Dort blieb er drei Jahre lang, wurde zum Solitärdelfin und schloss Freundschaft mit dem Dänen Jesper Stig Andersen.

Seit 2023 sieht man Delle mit Unterbrechungen in der Lübecker Bucht. Wie man anhand von Fotos nachweisen konnte, handelt es sich bei dem in Dänemark auf den Namen Delle getauften Delfin um den 2007 von Chewbacca geborenen Sohn Yoda.

Skywalker: Ja oder nein?

Skywalker ist ein Delfin aus Schottland. Hier schwimmt er neben einem Segelboot.
Bei genauem Hinschauen ist auf der Fluke ein weißer Fleck zu erkennen. Ob es ein Erkennungsmerkmal von Skywalker ist oder ob auch andere schottische Delfine dieses Merkmal besitzen, ist bislang ungeklärt. © Nadine Koschnicke

Ob es sich bei dem jetzt in dänischen Gewässern beobachteten kontaktfreudigen Großen Tümmler tatsächlich um den 2015 geborenen schottischen Delfin Skywalker handelt, darauf möchte sich Dr. Cheney jedoch nicht festlegen. Die Wahrscheinlichkeit sei zwar recht hoch, aber vorliegende Aufnahmen ließen eine eindeutige Identifizierung bislang nicht zu, wie sie sagt.

Ein Erkennungszeichen des „dänischen“ Delfins ist ein weißer Fleck auf der Fluke. Aber: Dieses besondere Merkmal könnten durchaus mehrere Tiere besitzen. „Wir werden jetzt weitere Luftbildaufnahmen machen, sodass wir zukünftig vielleicht herausfinden, wie viele Delfine diese Art von Markierung haben“, erklärt die Forscherin..

Nördlichste Population Großer Tümmler

Bereits seit 1989 erforscht man die an der Ostküste Schottlands lebenden Großen Tümmler (Tursiops truncatus). Es ist die am weitesten im Norden lebende Population der Art. Sie umfasst etwas mehr als 200 Tiere.

Finne und Rückenansicht von Skywalker, einem Großen Tümmler aus dem schottischen Moray Firth.
Skywalker war 3 Jahre alt, als er 2018 aus Moray Firth verschwand. Zu diesem Zeitpunkt hatte er erst wenige markante Merkmale. In der Wissenschaft trägt er die ID-Nr. 1201-R-18. © Aberdeen University, Dr. Barbara Cheney

Wichtiger Bestandteil der Forschungsarbeit von Barbara Cheney und ihrem Team ist die sogenannte Foto-Identifikation. Anhand von Form und Markierungen der Rückenflosse (Finne) und mitunter weiterer Merkmale am Körper sind einzelne Delfine zu erkennen. Sie werden in einem Foto-ID-Katalog erfasst.

Die Foto-ID ermöglicht es, Größe, Gesundheit und Entwicklung einer Population zu beobachten, „Familienverhältnisse“ zu erforschen sowie (Ab)Wanderungen zu verfolgen. Die Foto-ID-Datenbank der schottischen Delfine umfasst mittlerweile 391 Finnenfotos. Im Idealfall gibt es von jedem Tümmler sowohl von der linken als auch von der rechten Finnenseite eine Aufnahme.

Reiselustige Delfine aus Schottland

Anhand eindeutiger Merkmale stellten die Forschenden fest, dass bislang mindestens 4 Große Tümmler aus Moray Firth schon einmal in dänischen Gewässern (West- und Ostküste) auftauchten: Mischief, Chewbacca, Tallfin und Yoda (aka Delle). Es könnten sogar weitere sein, allerdings gebe es bei anderen gesichteten Delfinen keine Vergleichsfotos, erklärt Dr. Cheney.

Zwei Brüder als Solitärdelfine?

Interessanterweise zeigen sowohl Skywalker als auch Delle ein ähnliches, menschenfreundliches Verhalten. „Delle ist eindeutig einer diese besonderen Solitärdelfine“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. „Ob der jetzt in dänischen Gewässern aktive Delfin diesen Lebensweg ebenfalls einschlagen wird, lässt sich bislang nicht sagen. Zwar spricht einiges dafür. Vielleicht ist er aber auch nur auf der Suche nach Unterhaltung und Gesellschaft. Sollte sich bestätigen, dass es sich tatsächlich um einen Bruder von Delle handelt, der jetzt ebenfalls zum Solitärdelfin wird, dann wäre das eine Sensation.“

Riskante „Manöver“

Skywalker wurde bereits mehrfach in dänischen Gewässern gesichtet. Ohne Scheu näherte er sich Anfang August einem verdutzten Taucher. Auch Booten gegenüber verhält er sich noch „sorgloser“ als sein Bruder.

Eine Stunde lang begleitete Skywalker deutsche Segler in der Ostsee und begeisterte mit seinen Sprüngen. Allerdings sprang er mitunter bedenklich dicht am Boot aus dem Wasser. „Er kam uns immer wieder so nah, dass wir zwischenzeitlich Angst hatten, dass er uns an Deck springt“, erzählt Nadine Koschnicke, die uns ihre Aufnahmen zur Verfügung stellte und damit auch die Arbeit der Forschenden von Aberdeen unterstützt. Bleibt zu hoffen, dass ihm sein riskantes Verhalten nicht noch zum Verhängnis wird.

Moray Firth revisited?

Ob sich die beiden Brüder bald einmal begegnen werden? Idealerweise finden sie gemeinsam den Weg zurück in die Nordsee und zu Artgenossen. Denn das Brackwassermeer Ostsee ist kein geeigneter Lebensraum für Delfine. „Ich hoffe immer noch, dass sie eines Tages in den Moray Firth zurückkehren“, sagt Dr. Cheney.

Moray-Firth-Delfine lassen sich wunderbar von Land aus beobachten.
Der Moray Firth ist eine Bucht an der schottischen Nordostküste. Die größte Förde Schottlands ist berühmt für ihre residente Population Großer Tümmler. An bestimmten Stellen lassen sich die Meeressäuger sogar wunderbar von Land aus beobachten. © U. Karlowski/DSM

Titelfoto: Im August 2024 begleitete der Delfin Skywalker deutsche Segler in der dänischen Ostsee gut eine Stunde lang. © Nadine Koschnicke


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