Artenschutzhündin Eba erschnüffelt Orca-Kot

Sie sind die Größten der Delfinfamilie, leben in sehr engen Familienverbänden und haben zum Teil sogar eigene „Dialekte“: Schwertwale oder Orcas. Sie sind weltweit verbreitet, doch vor der nordamerikanischen Nordwestküste haben Forscher einen steten Rückgang einer dort lebenden Orca-Population ausgemacht. Jetzt hilft eine Spürnase den Orcas. Wissenschaftler setzen die Artenschutzhündin Eba in der Orcaforschung ein. Sie erschnüffelt Orca-Kot.

Spürnase sucht Orca-Kot: Hier riecht’s

Die „Southern Residents“ sind eine von drei Populationen, die im Frühjahr und Sommer in den küstennahen Gewässern von Washington, Oregon (USA) und Britisch-Kolumbien (Kanada) leben. Sie gelten in den USA und in Kanada als stark gefährdet. Zählte ihr Bestand ursprünglich rund 200 Tiere, umfasst er inzwischen nur noch 75 Orcas.

Artenschutzhündin erschnüffelt Orca-Kot: Schwertwal mit springendem Baby

Orcas oder Schwertwale sind die größten Mitglieder der Delfinfamilie. Foto: skeeze, Pixabay

Von der Tierheimhündin zur Orcaforscherin

Um die Ursachen für den Rückgang der Orcas herauszufinden, bedienen sich die Forscher um Dr. Samuel Wasser, Naturschutzbiologe und Leiter des Center for Conservation Biology an der University of Washington, einer behutsamen, nicht invasiven Methode: Sie analysieren die Hinterlassenschaften der Meeressäuger. Da der eher schleimige, nach einem Gemisch aus Mukus und Algen aussehende Orca-Kot schwer zu finden ist, wird zum Aufspüren ein außergewöhnliches Teammitglied eingesetzt: ein auf Orca-Exkremente spezialisierter Hund.

Spürnase Eba hilft Orcas durch das Aufspüren von Orca-Kot auf eine Seemeile Entfernung.

Orca-Kot ist nicht leicht auszumachen, da braucht es schon eine Spürnase wie Eba. Foto: Center for Conservation Biology

Der „Orcahund“

Dass aus der kleinen Mischlingshündin namens Eba einmal ein wichtiges Mitglied des Forschungsteams werden würde, ahnte Dr. Deborah Giles, Walforscherin und Besitzerin von Eba nicht, als sie sie 2017 zu sich nahm. Man hatte sie als wenige Wochen alten Welpen vor einem Tierheim ausgesetzt.

Spürnase Eba mit dem Forscherteam 2019 und einer Probe mit Orca-Kot.

Die Orcaforscher Dr. Wasser, Dr. Giles mit Mischlingshündin Eba und Sadie Youngstrom. Den Orca-Kot hat Eba entdeckt. Foto: Center for Conservation Biology, 2019

Eher zufällig entdeckte Dr. Giles Ebas Talent zum Spürhund und nahm sie ins Team der Conservation Canines auf. Diese spezielle Abteilung des Center for Conservation Biology wurde 1997 von Dr. Wasser gegründet. Die „Artenschutzhunde“ vermögen die Exkremente der unterschiedlichsten Wildtiere aufzuspüren. Eba kann die Orca-Kot sogar auf eine Entfernung von einer Seemeile riechen. „Die Hündin steht vorn im Boot, praktisch vornübergebeugt, und schnüffelt umher, und wenn sie etwas entdeckt, verhält sie sich plötzlich ganz anders“, erklärt Dr. Giles. Dann fange sie an zu fiepen, lecke sich über die Schnauze und laufe auf dem Boot in Richtung der Spur des Orca-Kots. Mithilfe einstudierter Signale lotst die inzwischen fünfjährige Hündin die Crew dann zur Fundstelle.

Informationscluster Orca-Kot

Wenn es um Orca-Kot geht, gerät Sam Wasser fast ins Schwärmen. Denn er liefert zahlreiche Informationen über Nahrung und Giftstoffe sowie anhand der DNA über die Art, das Geschlecht und sogar die Identität. „Wir reden hier von Tieren, die 90 % ihrer Zeit unter Wasser verbringen. Es gibt zahlreiche terrestrische Studien, aber keine bringt auch nur annähernd diese Menge an Daten. Das zeigt, welche wichtige Rolle der Hund bei dieser Arbeit spielt“, erklärt Wasser.

Spürnase hilft Orcas: von Eba erschnüffelte Kotproben.

Gute Ausbeute: Orca-Kot enthält wichtige Informationen. Foto: Center for Conservation Biology

Besorgniserregende Studien

In früheren Studien fanden die Forscher heraus, dass zu Zeiten von starkem Schiffsverkehr – beispielsweise um den 4. Juli herum, den amerikanischen Nationalfeiertag – der Kot der Orcas höhere Konzentrationen an Stresshormonen enthält. Denn zu Ferienzeiten tummeln sich hier besonders viele Whalewatcher.

Beobachtung von Orcas vor San Juan Islands USA

Die Gewässer der San Juan Islands vor dem US-Bundesstaat Washington sind bei Whalewatchern sehr beliebt, um Orcas zu beobachten. Foto: iStock/lilly3

Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Sterblichkeit der Southern Residents am höchsten war, wenn die Konzentration ihrer Schilddrüsenhormone sehr niedrig war, was auf einen Nahrungsmangel schließen lässt.

Gefahren einer einseitigen Ernährung

Nahrungsknappheit ist nach Meinung der Wissenschaftler eine von drei möglichen Ursachen für den Orca-Rückgang. Eine, die in Kombination mit starkem Schiffsverkehr und Umweltgiften noch gewichtiger wird. Denn die Southern Residents sind auf eine Lachsart spezialisiert: Königslachse, auch Chinook-Lachse. Ihre Beute bestehe zu 80 % aus diesem Fisch, wie Dr. Giles erklärt. Doch es gibt immer weniger Exemplare dieser besonders großen und fettreichen Art.

Königslachse

Überfischung und Lebensraumzerstörung, die in den 1960er-Jahren mit dem Bau von Wasserkraftwerken und Staudämmen in Columbia und Snake River begann, machen den dortigen Lachspopulationen langsam den Garaus. Die Dämme behindern ihre Wanderungen die Flüsse hinauf zu ihrem Geburtsort, wohin sie zum Ablaichen aus dem Ozean zurückkehren.

Lower Monumental Dam

Der Lower Monumental Dam im US-Bundesstaat Washington ist eines von 17 Wasserkraftwerken im Snake River. Foto: Benjamin Sandford/NOAA

Dabei wandern sie 1.500 km flussauf, überwinden 2.500 Höhenmeter und springen über Wasserfälle. Fischtreppen und Transporthilfen sollen ihnen zwar den Weg erleichtern, doch viele Lachse schaffen es trotzdem nicht.

Weniger Königslachse bedeuten für die Orcas einen höheren Energieverbrauch bei der Futtersuche. Doch nicht nur die reduzierte Anzahl der Beutefische, auch deren geringeres Gewicht bedingt eine intensivere Jagd. Lag das Durchschnittsgewicht eines Chinook-Lachses früher bei rund 61 kg, schaffen sie es heute nur noch auf durchschnittlich 13 bis 18 kg. Und so muss ein erwachsener Schwertwal, dem einst etwa drei bis vier Lachse am Tag reichten, heute ungleich mehr finden.

Chinook-Lachs

Chinook-Lachs, auch Königslachs, ist die Leibspeise der „Southern Resident“-Orcas. Die Fischart macht etwa 80 % ihrer Beute aus. Foto: Public Domain Images, Pixabay

Rettung in Sicht?

Die vom Bundesstaat Washington 2018 gegründete „Southern Resident Orca Recovery Task Force“ will unter anderem dafür sorgen, dass den Schwertwalen wieder mehr Königslachse zur Verfügung stehen. Und so begann im Oktober 2023 der Abriss eines ersten Damms in einem der betreffenden Flüsse, im mehr als 400 km langen Klamath River. Der Rückbau der restlichen drei Dämme soll im Sommer 2024 beendet sein. Dann werden Lachse wieder freien Zugang zu ihren Laichgründen haben. Und es wird wieder ein wenig mehr Beute für Orcas geben.

Derweil hilft Eba mit ihrer Spürnase den Orcas weiter, indem sie nach deren „vielsagenden“ Hinterlassenschaften, dem Orca-Kot, sucht.

Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag, Erstveröffentlichung November 2020

Foto oben: Hündin Eba hilft Orcas, Center for Conservation Biology


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