Walfang in Island 2023

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Entgegen den Erwartungen von Meeresschützern und der isländischen Tourismusbranche starben 2023 wieder Finnwale beim Walfang in Island. Am Ende der verkürzten Saison hatten die Walfänger des Unternehmers Kristján Loftsson 25 Großwale, darunter ein schwangeres Weibchen, getötet. Ein Finnwal ging nach dem Harpunieren verloren, mindestens zwei Wale mussten zweimal harpuniert werden.

Noch im Juni schien eine historische Zäsur möglich. Das Ende des isländischen Walfangs. Denn Islands Ministerin für Fischerei und Landwirtschaft, Svandís Svavarsdóttir hatte entschieden, aus Tierschutzgründen die Finnwaljagd bis zum 31. August auszusetzen. Die Tötung der riesigen Bartenwale widerspreche dem isländischen Tierschutzgesetz. Doch dann wurde der Walfang in Island mit strengeren Auflagen und mit Überwachung bis Ende September zumindest in der Saison 2023 wieder erlaubt. Zum Ende des Jahres soll neu entschieden werden, ob 2024 erneut eine Fangquote erteilt wird. Sie würde dann wahrscheinlich für 5 Jahre gelten.

Kein Walfang in Island von 2019 bis 2021

Wirtschaftlich hat der isländische Walfang wenig Sinn. Es gibt kaum Absatzmöglichkeiten für Walfleisch. Daher hatte es von 2019 bis 2021, trotz vorhandener Fangquoten, keine Fangaktivitäten mehr gegeben. Die Fangboote blieben an ihren Liegeplätzen.

Finnwal mit Blas von oben.

Finnwal. Foto: Wayne Hoggard/NOAA

Walfang in Island 2022 nach dreijähriger Pause

Eigentlich sollte der kommerzielle Walfang in Island bereits 2022 ein Ende finden. Das jedenfalls hatte die isländische Regierung im Sinn. Ministerin Svavarsdóttir machte deutlich, dass die Regierung den Walfang nicht mehr unterstützt und es ab 2024 keine neuen Quoten geben würde. „Es muss nachgewiesen werden, dass eine Erneuerung der Fangrechte wirtschaftlich vertretbar ist“, sagte Svavarsdóttir.  „Warum sollte Island das Risiko eingehen, eine Fischerei aufrechtzuerhalten, die keinen wirtschaftlichen Nutzen gebracht hat, um ein Produkt zu verkaufen, das kaum gefragt ist? Alles in allem gibt es kaum einen Grund, den Walfang nach 2024 zuzulassen.“

Doch es kam anders. 2022 starben nach dreijähriger Pause erneut Finnwale durch isländische Harpunenkanonen. Kristján Loftsson, Eigentümer der Walfang-Firma Hvalur, beharrte darauf, mit seinen vier Walfangschiffen die ihm bis Ende 2023 zustehende Quote von 208 Finnwalen auszuschöpfen. Bis Ende 2022 töteten Loftssons Walfänger 148 Finnwale.

Damit hatte Kristján Loftsson einmal mehr seinen Ruf als skrupelloser Geschäftemacher bestätigt. Gleichzeitig stieß er viele seiner Landsleute vor den Kopf. Sie befürchten einen internationalen Imageschaden für die bei Whalewatchern beliebte Insel im Nordatlantik.

Wie berechtigt diese Ängste sind, zeigte ein im Mai 2023 von isländische Veterinärbehörde MAST veröffentlichter Bericht. Er dokumentiert die tierquälerische Vorgehensweise der isländischen Walfänger. Durch das verpflichtende Videomonitoring kamen unsägliche Tierquälereien ans Tageslicht. So jagten Loftssons Walfänger einen Finnwal fünf Stunden lang, bevor sie ihn harpunieren konnten.

Isländische Regierung verschärft die Regeln

Wohl als Replik auf die unnachgiebige Haltung von Kristján Loftsson kündigte Ministerin Svavarsdóttir Anfang Juli 2022 neue Regeln für den Walfang in Island an. So muss jede Fangfahrt per Video dokumentiert werden. Außerdem gelten seit dem Sommer 2022 neue Tierschutzregeln bei der Tötung von Walen. Diese sind vergleichbar mit Vorgaben bei der Schlachtung von Tieren. Zuständig für Umsetzung und Überwachung ist die isländische Veterinärbehörde MAST.

Die neuen Regeln für den Walfang in Island basieren auf Artikel 21 der isländischen Tierschutzverordnung. Sie galt bislang nicht für Wale. Artikel 21 verlangt bei der Schlachtung von Tieren schnelles und schmerzfreies Töten. Die Videoaufnahmen müssen die Walfänger der MAST zur Verfügung stellen. Zudem sollen ab 2023 Jahr ausgebildete Tierärzte an Bord der Fangboote die Jagd beobachten und die Tierschutzkonformität des Walfangs in Island dokumentieren.

Tierquälerei beim isländischen Finnwalfang

Am 8. Mai 2023 veröffentlichte die MAST dann eine Studie, die die Tierquälerei der Walfänger von Kristján Loftsson belegt. Die während der Walfangsaison 2022 erhobenen Daten zeigen, dass die bei der Jagd auf Finnwale eingesetzten Methoden dem Tierschutz widersprechen.

Laut der MAST-Studie musste auf 14 Wale mehr als einmal mit der Harpunenkanone geschossen werden. Bei zwei Walen waren vier Schüsse erforderlich. Der Todeskampf der Meeressäuger dauerte durchschnittlich 11,5 Minuten. Ein Tier kämpfte sogar zwei Stunden lang mit dem Tode. Ein anderer Wal wurde durch einen Fehlschuss in den Rücken verletzt. Trotz einer mehr als fünf Stunden dauernden Verfolgungsjagd konnte er entkommen.

Kristján Loftsson konnte die Veröffentlichung der Studie dreimal verzögern, indem er 76 Einwände erhob. So beharrte er darauf, dass sich Finnwale auch nach ihrem Tod noch bewegen können.

Die Ministerin bezeichnete die Ergebnisse der Studie gegenüber der Presse als „schockierend“. Daraufhin stoppte die Regierung von Ende Mai bis zum 31. August 2023 den Walfang. Ein von der Regierung beauftragtes Tierschutzgremium urteilte, dass die Tötungs-Methoden gegen das isländische Tierschutzgesetz verstoßen. Da die Walfangsaison bis etwa Mitte September dauert, bestand Hoffnung, dass die Walfänger 2023 gar nicht mehr zum Zuge kommen. Diese Hoffnung erfüllte sich schlussendlich nicht.

Harpunenkanone am Bug eines stillgelegten Walfangschiffes.

Die isländischen Walfänger von Hvalur verwenden Harpunenkanonen mit Explosivgeschossen. Sie können nach einem Treffer ungefähr einen Meter tief in den Körper des Wals eindringen. Dort sollen sie dann explodieren und gleichzeitig Widerhaken in den Körper feuern. In der MAST-Studie heißt es, dass dennoch nur zwei Drittel aller getöteten Wale sofort sterben. © GRWA/Pixabay


Walfang in Island ist unwirtschaftlich

In Island gab es nur einen begrenzten lokalen Markt für Walfleisch. Außerdem gelang es nicht, mit Japan und Norwegen einen dauerhaft funktionierenden Exportmarkt zu etablieren. Walfleisch wurde zum Ladenhüter, Walfang zunehmend unwirtschaftlich. Hinzu kommt, dass das Töten der großen Meeressäuger im Land selbst immer unpopulärer wurde. Whalewatching erfreut sich in Island großer Beliebtheit und ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für das kleine Land.

Bereits 2018 hatte IP-Utgerd, eine von zwei isländischen Walfangfirmen, den Zwergwalfang aus wirtschaftlichen Gründen frühzeitig eingestellt. Nach sechs erlegten Tieren aus einer Quote von 217. In der Folge gab IP-Utgerd bekannt, fortan auf Seegurken-Fischerei umzusteigen.

Eine Analyse des Beratungsunternehmens Intellecon vom August 2023 zu den Auswirkungen des Walfangs auf die isländische Wirtschaft, zeigt, dass die isländische Wirtschaft nur geringfügig vom Walfang profitiert. Einnahmen aus dem Walfang sind in den vergangenen zehn Jahren sogar stark gesunken. Denn außer Japan und Norwegen gab es keine weiteren Absatzmärkte für Walprodukte. Zudem sank die Nachfrage in Japan in den vergangenen vier Jahren um 99 Prozent. Hinzukommt, so der Intellecon-Bericht, dass der isländische Walfang negative Folgen für das Image der Insel im Ausland hat. So hatte die isländische Tourismusbranche bereits im März 2022 ein Ende des Walfangs gefordert.

Harpunierten isländische Walfänger einen Blauwal?

Hvalur ist auf Finnwaljagd spezialisiert. 2018 harpunierten die Hvalur-Walfänger wahrscheinlich einen der auch in Island streng geschützten Blauwale. Anschließend behauptete Kristján Loftsson, es habe sich um einen Hybrid (Kreuzung) aus einem männlichen Finnwal und einem weiblichen Blauwal gehandelt. Während die vom Aussterben bedrohten Blauwale gesetzlich geschützt sind, trifft dies auf Hybride nicht zu.

Walfang in Island: Wurde ein Blauwal harpuniert?

War es ein Blauwal oder ein Hybrid, den isländische Walfänger harpunierten? Foto: Hard to Port

Im Anschluss an diese Vertuschungsaktion forderten 17 Wissenschaftler, dass Island den Walfang bis zur Klärung einstellt. Darunter auch ITAW-Leiterin Ursula Siebert von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover.

Hybride – selten und nicht geschützt

Kreuzungen zwischen unterschiedlichen Walarten sind selten. Meist kommt dies zwischen Finn- und Blauwalen vor. Von 1983 bis 1989 erlegten isländische Walfänger nachweislich drei Furchenwal-Hybriden.

Blauwal und Finnwal: geschützte Arten

Sowohl Finn- als auch Blauwal stehen unter Schutz. Auch wenn sich der Blauwalbestand seit Ende der Walfangzeit leicht erholt haben soll, so gehen Expertenschätzungen von weltweit nur noch 10.000 bis 25.000 Tieren aus. Dies entspricht etwa 3 bis 11 % des Bestands von 1911! Mit bis zu knapp 34 m Länge sind Blauwale (Balaenoptera musculus) die größten lebenden Tiere der Erde. Danach kommen Finnwale mit bis zu knapp 23 m Länge (die Exemplare auf der Südhalbkugel sind sogar noch größer).

Die Population der Finnwale im Nordatlantik betrug im Jahr 2000 groben Schätzungen zufolge 53.000 Individuen. Finnwale (Balaenoptera physalus) stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) als gefährdet.


Walfangländer

Island, das wie Norwegen und Japan trotz des Verbots des kommerziellen Walfangs weiterhin Wale jagte, operierte zunächst – wie Japan – unter dem Deckmantel der Wissenschaft. 1992 verließ das nur knapp 350.000 Einwohner zählende Land die Internationale Walfangkommission (IWC). 2003 trat man erneut bei, verweigerte jedoch die Anerkennung des von der IWC 1982 beschlossenen und 1986 in Kraft getretenen Walfangverbots.

Gegen erbitterte Proteste zahlreicher Meeresschutzorganisationen hatte Island dann 2006 den kommerziellen Walfang wieder aufgenommen. Hauptsächlich Finnwale, die zweitgrößten Tiere der Welt, und Zwergwale fielen den Harpunenkanonen der Nordmänner zum Opfer.

Derzeit betreiben Japan und Norwegen aktiv kommerziellen Walfang. Bis zum Austritt aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) 2018 hatten japanische Walfänger bereits jahrzehntelang unter dem Deckmantel eines sogenannten wissenschaftlichen Walfangs operiert.

Daneben jagen indigene Gruppen, wie die Inuit, aufgrund zugewiesener Quoten Wale. Meist ist dies nicht nachhaltig und ähnlich grausam wie der kommerzielle Walfang.

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.

Titelfoto: Walfangboot Hvalur 8. Sven Koschinski/DSM


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