Kurz vor Ende seiner Amtszeit genehmigte der isländische Interimspremier und gleichzeitige Interimsfischereiminister Bjarni Benediktsson mit einer skandalträchtigen Entscheidung die Wiederaufnahme des Walfangs in Island. Demnach dürfen isländische Harpuniere bis 2029 jährlich 209 Finnwale und 217 Zwergwale töten. Die Lizenzen erhielten die Firma Hvalur hf. des notorischen Walfängers und Millionärs, Kristján Loftsson, sowie die Firma Tjaldtangi ehf.
Mitte Oktober hatte Bjarni Benediktsson die isländische Regierungskoalition aufgelöst und Neuwahlen beantragt. Die fanden am 30. November statt und seine liberalkonservative Unabhängigkeitspartei landete dabei nur auf Platz 2. Als Interimspremier sollte Benediktsson eigentlich nur das Funktionieren der Übergangsregierung sicherstellen. Eine Entscheidung über bis weit in die Zukunft gültige Walfanglizenzen gehörte sicherlich nicht dazu. In isländischen Medien ist von Korruption, Machtmissbrauch und Freundschaftsdiensten die Rede.
Rückschritt für den Meeresschutz
„Island verabschiedet sich von den Zielen des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt, mit dem das globale Massenaussterben gestoppt werden soll. Abgesehen davon zeigen zahlreiche Studien, so auch der isländischen Regierung, dass das Harpunieren von Großwalen ein grausamer, langwieriger und keinesfalls humaner Tötungsvorgang ist, wie von den Walfängern behauptet wird“, erklärt Ulrich Karlowski, Biologe von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Walfang in Island von 2006 bis 2024
Gegen erbitterte Proteste zahlreicher Meeresschutzorganisationen nahm Island 2006 den kommerziellen Walfang wieder auf. Hauptsächlich Finnwale, die zweitgrößten Tiere der Welt, und Zwergwale fielen den Harpunenkanonen der Nordmänner zum Opfer.

Die isländischen Walfänger verwenden Harpunenkanonen mit Explosivgeschossen. Sie können nach einem Treffer ungefähr einen Meter tief in den Körper des Wals eindringen. Dort sollen sie dann explodieren und gleichzeitig Widerhaken in den Körper feuern. Trotzdem sterben nur zwei Drittel aller harpunierten Wale sofort. © GRWA/Pixabay
In Island selbst ist Walfleisch nur schwer verkäuflich. Außerdem konnte man weder mit Japan noch mit Norwegen einen dauerhaft funktionierenden Exportmarkt etablieren. Walfleisch wurde zum Ladenhüter. Hinzu kommt, dass die Jagd auf die Großwale im Land selbst immer unpopulärer wurde, denn Whalewatching erfreut sich hier großer Beliebtheit und ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für das kleine Land.

Bereits 2018 hatte IP-Utgerd, eine von damals zwei isländischen Walfangfirmen, den Zwergwalfang aus wirtschaftlichen Gründen frühzeitig eingestellt. Anschließend gab IP-Utgerd bekannt, auf Seegurken-Fischerei umzusteigen. Kristján Loftsson (Jahrgang 1943) machte jedoch mit seinem Unternehmen Hvalur hf. weiter.
2019 bis 2021
Von 2019 bis 2021 gab es wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektive, trotz vorhandener Fangquoten, keine Fangaktivitäten. Die Walfangschiffe der Isländer blieben an ihren Liegeplätzen und das sollte auch dauerhaft so bleiben, jedenfalls nach Meinung der damaligen isländischen Ernährungsministerin Svandís Svavarsdóttir.
Sie machte deutlich, dass die Regierung den Walfang nicht mehr unterstützt und es ab 2024 keine neuen Quoten geben würde. „Es muss nachgewiesen werden, dass eine Erneuerung der Fangrechte wirtschaftlich vertretbar ist“, sagte Svavarsdóttir. „Warum sollte Island das Risiko eingehen, eine Fischerei aufrechtzuerhalten, die keinen wirtschaftlichen Nutzen gebracht hat, um ein Produkt zu verkaufen, das kaum gefragt ist? Alles in allem gibt es kaum einen Grund, den Walfang nach 2024 zuzulassen.“ Doch es kam anders.
2022 bis 2023
2022 starben nach dreijähriger Pause erneut Finnwale durch isländische Harpunenkanonen. Kristján Loftsson hatte darauf bestanden, mit seinen vier Walfangschiffen die ihm bis Ende 2023 zustehende Quote von 208 Finnwalen auszuschöpfen. Damit bestätigte er einmal mehr seinen Ruf als skrupelloser Geschäftsmann.
Nachdem Hvalur hf. 2022 in isländischen Gewässern noch 148 Finnwale harpunierte, schien ein Ende des Walfangs in Island dann 2023 möglich. Ministerin Svandís Svavarsdóttir hatte entschieden, aus Tierschutzgründen den Walfang bis zum 31. August 2023 auszusetzen. Denn ein der Regierung beauftragtes Tierschutzgremium kam zu dem Schluss, dass die Tötungsmethoden gegen das isländische Tierschutzgesetz verstoßen.
So offenbarte das mittlerweile verpflichtende Videomonitoring beim Walfang in Island, dass ein Wal fünf Stunden lang verfolgt wurde. Bei 36 Tieren (24 Prozent) mussten die Harpuniere mehr als einmal feuern. Bei fünf Walen benötigen sie drei Harpunen, bei vier Tieren sogar vier. Lediglich 35 Tiere (59 Prozent) wurden gemäß den Kriterien der Internationalen Walfangkommission (IWC) durch einen Harpunenschuss sofort getötet.

Finnwal. Foto: Wayne Hoggard/NOAA
Nach dem Ende der Verfügung töteten die Walfänger von Hvalur hf. bis zum Ende der Saison 2023 dann noch 24 Tiere.
Anschließend verklagte Loftsson, einer der reichsten und mächtigsten Männer Islandss, die Regierung auf Schadensersatz. Daraufhin stufte das isländische Parlament das Vorgehen von Ministerin Svandís Svavarsdóttir als illegal ein. Sie musste zurücktreten. Die neue Fischereiministerin wurde die gleichfalls der Links-Grünen Bewegung angehörende Politikern Bjarkey Olsen Gunnarsdóttir. Anschließend beantragte Loftsson erneut eine Walfanglizenz.
Trotz Fangquote, kein Walfang in Island 2024
Am 11. Juni 2024 genehmigte Ministerin Gunnarsdóttir schließlich eine Quote von 128 Finnwalen und löste damit erneut internationale Proteste aus. Die Quote galt für 99 Wale aus dem Gebiet Grönland/West-Island und für 29 Wale aus der Region Ost-Island/Färöer-Inseln. Wegen der spät getroffenen Entscheidung blieb den Walfängern von Hvalur hf. jedoch nicht genug Zeit, um ihre Boote flottzumachen. Deshalb gab es trotz Fangquoten 2024 keinen Walfang in Island.
Harpunierten isländische Walfänger einen Blauwal?
Die Firma Hvalur hf. ist auf das Töten von Finnwalen spezialisiert. 2018 harpunierte man wahrscheinlich einen der auch in Island streng geschützten Blauwale. Anschließend behauptete Kristján Loftsson, es habe sich um einen Hybrid (Kreuzung) aus einem männlichen Finnwal und einem weiblichen Blauwal gehandelt. Während die vom Aussterben bedrohten Blauwale gesetzlich geschützt sind, trifft dies auf Hybride nicht zu. Kreuzungen zwischen unterschiedlichen Walarten sind selten. Meist kommt dies zwischen Finn- und Blauwalen vor. Von 1983 bis 1989 erlegten isländische Walfänger nachweislich drei dieser seltenen Furchenwal-Hybriden.

War es ein Blauwal oder ein Hybrid, den isländische Walfänger harpunierten?
Foto: Hard to Port
Blauwal und Finnwal: geschützte Arten
Mit bis zu knapp 34 m Länge sind Blauwale (Balaenoptera musculus) die größten lebenden Tiere. Danach kommen Finnwale (Balaenoptera physalus) mit bis zu knapp 23 m Länge (die Exemplare auf der Südhalbkugel sind sogar noch größer). Beide Arten stehen auf Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommens CITES und damit unter strengem Artenschutz.
Auch wenn sich der Blauwalbestand seit Ende der Walfangzeit leicht erholt haben soll, so geht die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) von weltweit von nur 5.000 bis 15.000 erwachsenen Exemplaren aus. Dies entspricht etwa 3 bis 11 % des Bestands von 1911! Blauwale sind auf der Roten Liste der IUCN als bedroht (endangered) mit ansteigender Bestandsentwicklung eingestuft.
Die Finnwal-Population des Nordatlantiks betrug im Jahr 2000 Schätzungen zufolge 53.000 Individuen. Die Art ist auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN als gefährdet (vulnerable) mit ansteigender Bestandsentwicklung eingestuft. Weltweit schätzt die IUCN die Zahl der Finnwale auf ca. 100.000 erwachsene Exemplare.
Titelfoto: Walfangboot Hvalur 8. Sven Koschinski/DSM
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