Weniger Seehunde im Wattenmeer und in der Nordsee

Im Wattenmeer und der Nordsee gibt es immer weniger Seehunde. Auch wenn bei den jährlichen Zählungen in diesem Jahr mit 23.772 Seehunden etwa 5 % mehr Tiere als 2023 gezählt1 wurden, blieben die Zahlen dennoch unter denen der Jahre 2012 bis 2020. Gleiches gilt für die Reproduktionsrate der kulleräugigen Unterwasserjäger. Hier gab es 2024 wie bereits im Vorjahr einen Rückgang. 2024 sank die Zahl der Seehundwelpen im Wattenmeer und in der Nordsee um 12 % auf 8.230 Welpen (2023 waren es 9.334). Bereits im vergangenen Jahr ergaben die Zählungen an der deutschen, der niederländischen und der dänischen Küste den niedrigsten Stand seit 2010. Auf lange Sicht betrachtet gibt es also immer weniger Seehunde in der Nordsee.

Schleswig-Holstein verzeichnete 2024 eine Zunahme um 7 % gegenüber dem Vorjahr. Für Niedersachsen und Hamburg meldet der Expertenbericht des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats (CWSS) eine Zunahme von 14 %. Dagegen sank der Bestand an der niederländischen Küste um etwa 2 % und an der dänischen Küste um 6 %.

Zahl der Seehunde im Wattenmeer 2024 im Vergleich zum Vorjahr

  • Schleswig-Holstein: 8.531 (7.936)
  • Niederlande: 6.604 (6.706)
  • Niedersachsen und Hamburg: 6.438 (5.639)
  • Dänemark: 2.143 (2.268)
  • Helgoland: 56 (72)

Uneinheitliche Entwicklung bei Seehundwelpen

Während Dänemark in diesem Jahr beim Seehund-Nachwuchs ein Plus von 14 % (758 Welpen) verzeichnete, musste die Population in Schleswig-Holstein ein Minus von 19 % verkraften (758 Welpen). Auch an der niederländischen Küste zählten die Experten weniger neugeborene Seehunde. Hier ging die Zahl um 15 % auf 1.956 Welpen zurück. Wie im Vorjahr gab es auf Helgoland keine Seehundwelpen.

Ursachen sind unklar

Noch gibt es keine belastbaren Hinweise, warum der Bestand der kleinen Hundsrobben in der deutschen Nordsee langfristig gesehen sinkt. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Tiere unter verschlechterten Umweltbedingungen leiden.

„Eingeschränkte Nahrungsressourcen oder Umweltgifte, die die Tiere schädigen, sind hier sicher ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Zudem gibt es immer mehr Störungen durch zu viele Touristen (Übertourismus) und zumindest in Deutschland kein professionell aufgestelltes Meeressäuger-Management“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Seehundjäger mit einem jungen Seehund am Strand von St. Peter-Ording.
Seehundjäger erschießen im Wattenmeer jedes Jahr Hunderte kranke, verletzte oder verlassene, meist junge, Robben. © U.Karlowski

Robben im Wattenmeer gefährdet durch immer mehr Plastikmüll

Auch die zunehmende Belastung des Wattenmeers mit Plastikmüll hat Einfluss auf die Bestände von Seehunden und Kegelrobben. Das zeigen Studien niederländischer und belgischer Wissenschaftler. Dabei sind Seehunde im Wattenmeer hauptsächlich durch das Verschlucken von Nylon-Angelschnüren gefährdet.

Ungewöhnlich viele geschwächte Seehundwelpen

Wie bereits im Vorjahr verzeichneten unsere Partner vom Robbenzentrum in Wyk auf Föhr spät im Jahr ungewöhnlich viele zu kleine und extrem geschwächte Seehundwelpen. Viele von ihnen waren krank und hatten seit ihrer Geburt kaum zugenommen. Offensichtlich hatten sie nicht genügend Nahrung gefunden.

Die traurige Realität im Wattenmeer und der Nordsee ist, dass das Auftreten der vielen geschwächten jungen Seehunde eine menschengemachte Krise ist. Die Liste der das Immunsystem der Tiere schwächenden Stressoren ist lang:

  • Meeresverschmutzung (darunter Ewigkeitsgifte wie PCB oder Glyphosat)
  • Verklappung von hochgiftigem Hafenschlick aus der Elbe vor Cuxhaven
  • Nahrungsmangel durch Überfischung
  • Lärm von touristischen und kommerziellen Schiffen
  • Bau von Offshore-Windkraftanlagen und der dazugehörigen Infrastruktur (Unterseekabel mit Landungsstellen)
  • Umweltbelastungen durch das LNG-Terminal vor Wilhelmshaven (Lärm und Einträge von Chlor in die Nordsee)
  • Störungen durch Übertourismus
  • eine Ölplattform mitten im Weltnaturerbe und Nationalpark Wattenmeer
  • destruktive Grundschleppnetzfischerei im Nationalpark Wattenmeer und anderen Meeresschutzgebieten
  • Umweltbelastungen durch immer mehr Plastikmüll

Im Ergebnis werden weit oben in den Nahrungsnetzen agierende Raubtiere wie Seehunde anfälliger für Krankheiten und Parasitenbefall. In Kombination mit einer unzureichenden Nahrungsgrundlage geraten junge Seehunde dann schnell in eine gefährliche Abwärtsspirale.

Robben zählen mit Luftaufnahmen

Gezählt werden Robben im Wattenmeer und auf Helgoland durch Luftaufnahmen während der Fortpflanzungszeit und in der Zeit des Fellwechsels. Seehunde sind dann recht gut auf Sandbänken zu beobachten. Nach der Kegelrobbe ist der Seehund das zweitgrößte heimische Meeressäugetier.

  1. Expertenbericht 2024 des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats (CWSS) ↩︎

Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag

Titelfoto: Robbenzentrum Föhr


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