Wie man mit Haien schwimmt

Der Titel mag etwas irreführend sein. Denn es handelt sich keineswegs um einen Ratgeber in der Art von „Schwimmen mit Delfinen“. Was „Wie man mit Haien schwimmt“ aber sehr wohl vermittelt, ist, wie man sich – sozusagen als Eindringling – im Lebensraum der Haie richtig verhält: mit Respekt vor diesen faszinierenden Spitzenprädatoren. Und den einen oder anderen Hinweis, wann man am besten nicht ins Wasser geht, um Hai-Begegnungen zu vermeiden, gibt es natürlich auch.

Vorsicht ansteckend: Hai-Virus

Wie man mit Haien schwimmt, Buchcover
Foto Buchcover © Folio Verlag

Sarano will eine Bresche schlagen „Im Namen der Haie“, wie der Titel im französischen Original wörtlich übersetzt heißt. Ein Plädoyer – und, wie es im Untertitel heißt, auch eine Liebeserklärung – für Haie, die vielfach missverstandenen, gefürchteten und noch immer millionenfach von Menschen gejagten, gequälten und verstümmelten Meeresjäger. Seine Begeisterung und Faszination für diese Knorpelfische ist in jedem Kapitel zu spüren – und ansteckend!

Der Autor

François Sarano ist Ozeanograf und Tiefseeforscher. Der passionierte Taucher war 13 Jahre lang wissenschaftlicher Berater von Jacques-Yves Cousteau und Expeditionsleiter auf dessen legendärem Forschungsschiff Calypso. Eine vielversprechende Voraussetzung für ein spannendes Buch!

Tödliche Gegner

Das erste Kapitel beginnt mit dem Geburtsjahr des Autors. 1954 – als man Haie weitgehend noch als Ungeheuer und tödliche Gegner für Taucher betrachtete. Übrigens auch der Meeresforscher und Dokumentarfilmer Jacques-Yves Cousteau (1910 – 1997), der zu jener Zeit für seine Aufnahmen Haie tötete und andere brutale Tricks anwandte. Zum Glück hat sich Cousteaus Bild von Haien später gewandelt, ebenso wie seine Aufnahmetechniken.

Calypso

Als Expeditionsleiter auf der Calypso unternahm der Franzose Sarano unzählige Tauchgänge und kann auf daher auf viele spannende Erlebnisse mit den unterschiedlichsten Haiarten zurückblicken. Er schwimmt Seite an Seite mit Weißen Haien, tummelt sich unter Bullenhaien, begegnet Arten, die die meisten Taucher wohl nur selten zu Gesicht bekommen, etwa einem laufenden Hai oder einem Geisterhai.

Charakterköpfe

Aber Sarano filmt nicht nur, er zeichnet auch unter Wasser. Er ist ein genauer Beobachter, erkennt Drohgebärden von Haien, macht sich Notizen zu körperlichen Merkmalen einzelner Tiere zur Identifizierung oder ihren unterschiedlichen „Charakteren“. Denn auch Haie besitzen Persönlichkeit. Während beispielsweise Bullenhai-Weibchen Ana risikobereit ist, ist ihre Artgenossin Stella eher zögerlich und scheuer.

Dass Tiere einer selben Art – oder auch Population – sehr unterschiedliche Charaktere haben können, ist inzwischen vielfach anerkannt. Egal, ob sich beispielsweise um Meeresschildkröten, Delfine oder Robben handelt.

Haie (un)erwünscht

Bullenhaie beim Synchronschwimmen.
Bullenhaie beim Synchronschwimmen. Foto: Fiona Ayerst/Marine Photobank

Haitourismus erfreut sich in einigen Gebieten wachsender Beliebtheit. Bekanntere Stellen sind beispielsweise in Playa del Carmen in Mexiko, wo Taucher Bullenhaie beobachten können. Oder bei der philippinischen Insel Malapascua, wo es eine Putzerstation gibt, die gerne von Fuchshaien besucht wird.

Doch nicht überall sind die Topprädatoren der Meere erwünscht. Um Badegästen ein ungestörtes Vergnügen im Meer zu gewähren, werden etwa Hainetze zum Schutz von Stränden aufgestellt: tödliche Fallen für unzählige Haie und andere Meerestiere. Oder es werden – vorwiegend nach tragischen tödlichen Unfällen – regelrechte Hetzjagden veranstaltet. Wie auf der Insel La Réunion, in deren Gewässern man Haie praktisch ausgerottet hat.

Immer wieder bringt Sarano auch ethische Aspekte zur Sprache. Hinterfragt unser Verhältnis zu Haien, aber auch zu anderen Tieren und zur Natur insgesamt.

Traurige Realität

Eine alarmierende Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass der Bestand nahezu aller Hochseehaie und -rochen in den vergangenen 50 Jahren im Schnitt um 70 Prozent zurückgegangen ist!

Hammerhai im Netz
Überfischung und Beifang sind mit die größten Gefahren für Haipopulationen. Foto: Toby Matthews/Ocean Image Bank

Viele Haibestände sind überfischt. Haie sterben als ungewollter Beifang in Fischereigerät. Sie werden beim sogenannten Shark Finning bei lebendigem Leib verstümmelt: Fischer schneiden ihnen die begehrten Flossen ab und lassen die bewegungsunfähigen Tiere qualvoll am Meeresgrund sterben.

Sportfischer brüsten sich auch heute noch mit Fängen von großen Haien – die gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht sind.

Und auch für die Schönheit müssen diese Knorpelfische herhalten: Für das Leberölderivat Squalan sollen jedes Jahr schätzungsweise 3 Millionen Tiefseehaie getötet werden, um den weltweiten Bedarf an Squalan zu decken, zitiert der Autor eine Expertin.

Wie man mit Haien schwimmt – ein Überblick

Ein Blick zurück in die Entstehungsgeschichte darf in einem Werk über Haie nicht fehlen. Ebenso wenig wie Kapitel über ihre Biologie.

Knapp 30 Seiten Quellennachweise und weiterführende Literatur zeugen von einer fundierten Recherche. Das Werk ist reich illustriert, zusätzlich verlinken mehrere QR-Codes zu Tauchvideos.

Fazit: Bitte lesen!

Wie man mit Haien schwimmt – eine Liebeserklärung. Buchcover
Foto Buchcover © Folio Verlag

Dass Sachbuch und Spannung keine Gegensätze sein müssen, beweist Sarano mit „Wie man mit Haien schwimmt“ hervorragend. Selbst wenn man nicht den Wunsch verspürt, mit ihnen zu schwimmen, ist das packend erzählte und außerordentlich kenntnisreiche Buch ABSOLUT empfehlenswert. Aber Vorsicht: Der Hai-Virus ist ansteckend!

Über eine (vermutlich nur ungenau formulierte oder übersetzte) Stelle sind wir allerdings gestolpert: „Haie können nicht einfach anhalten; um genügend Sauerstoff über die Kiemen aufnehmen zu können, müssen sie sich mit offenem Mund durchs Wasser bewegen.“ Als allgemeine Aussage stimmt dies nicht. Dass nicht alle Haiarten ständig in Bewegung bleiben müssen, ist seit Längerem bekannt. Für den Hammerhai, um den es in diesem Kapitel geht, trifft die Aussage allerdings zu.

Wie man mit Haien schwimmt
Eine Liebeserklärung
François Sarano
übersetzt von Ingrid Ickler
Hardcover, 301 Seiten
Folio Verlag
ISBN 978-3-85256-889-8
erschienen am 15. August 2023
26,00 Euro
Erhältlich im Buchhandel

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Titelfoto: Hammerhai, Amanda Cotton/Ocean Image Bank


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