Vom 22. Januar 2024 bis zum 20. Februar galt erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein eingeschränktes Fischereiverbot in der Biskaya zum Schutz von Delfinen. Hat es etwas gebracht? „Für eine abschließende Beurteilung ist es natürlich noch zu früh. Auffällig ist jedoch, dass es bislang keine Meldungen von Massenstrandungen toter Delfine an der französischen Atlantikküste gab. Denn normalerweise findet man in den ersten Monaten eines jeden Jahres hier Hunderte Kadaver von Delfinen und Schweinswalen“, erklärt Ulrich Karlowski, Biologe von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Weniger tote Delfine
Wissenschaftler des zur Universität La Rochelle gehörenden Instituts Observatoire Pelagis stellten bislang jedenfalls einen Rückgang der Totfunde an der Küste fest. Rund 20 tote Delfine hatte man im Januar untersucht: Aber keiner davon war an den Folgen einer Netzverhedderung gestorben. Der letzte Beifangtod war tatsächlich vor Beginn des Fangverbots. Dies erklärte die Tierärztin Sarah Wund gegenüber France bleu. Delfine, die als Beifang im Netz oder in der Folge einer Verhedderung sterben, tragen eindeutige Verletzungen.
Das Beifangrisiko ist im Winter laut Pelagis allerdings nicht konstant. Mortalitätsspitzen können variieren, weil viele Faktoren eine Rolle spielen. Daher ließe es sich derzeit nicht sagen, ob das Fischereiverbot einfach genau zum richtigen Zeitpunkt kam oder ob es so ist wie letztes Jahr, als die Massenstrandungen erst im März ihren Höhepunkt erreichten, zitiert France bleu die Wissenschaftler.
Gericht fordert besseren Schutz von Kleinwalen in der Biskaya
Die französische Regierung musste nach einem Urteil des obersten Verwaltungsgerichts (Staatsrat) handeln. Daher verhängte sie ab 2024 ein mit Einschränkungen verbundenes, temporäres Fischereiverbot. Es gilt allerdings nur für drei Jahre. Und es gilt nur für Fangboote ab einer Länge von 8 m. Auch Kutter, die mit akustischen Abschreckgeräten (Pingern) ausgerüstet sind oder mit Videokameras auf Fangfahrt gehen, sind ausgenommen.
Mehr als 450 französische Fischtrawler waren von dem Verbot betroffen. Sie erhielten vom französischen Staat Unterstützung. Außerdem erweiterte die französische Regierung das Fischereiverbot in der Biskaya in letzter Minute auf Trawler aller anderen hier fischenden Nationen. Dennoch war der Unmut unter französischen Fischern groß.
Zu kurz und zu viele Ausnahmen, doch der Anfang ist gemacht
Das Fischereiverbot zum Schutz von Delfinen und anderen Kleinwalen kam auf Druck französischer Umweltorganisationen und Forderungen von Wissenschaftlern zustande. Die von uns unterstützten Forderungen umfassten allerdings einen Fangstopp von drei Monaten im Winter und mindestens einem Monat im Sommer.
„Der Verbotszeitraum ist zu kurz. Wir erleben die Massenstrandungen an der französischen Atlantikküste jedes Jahr von Januar bis Ende März. Manchmal findet man bereits im Dezember und auch noch im April tote Delfine, die als Beifang in Fischernetzen starben“, meint Ulrich Karlowski. „Für Frankreich ist es jedoch ein revolutionärer Schritt. Vergleichbares haben wir in Deutschland nicht. Jetzt müssen weitere Restriktionen für die Fischerei zum Schutz von Delfinen und anderen Kleinwalen folgen.“
Delfinmassaker im Golf von Biskaya
Jedes Jahr sterben von Dezember bis März im Golf von Biskaya zwischen 5.000 und 10.000 Delfine und andere Kleinwale in den Schleppnetzen französischer, spanischer und portugiesischer Trawler als Beifang. In den vergangenen 30 Jahren sollen es mindestens 90.000 Tiere gewesen sein. Der Fischereiaufwand im Golf von Biskaya ist hoch.
Im Winter 2022/23 registrierte Pelagis vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. März 2023 insgesamt 1.314 tote Delfine und andere Kleinwale an den Küsten der französischen Biskaya sowie teils auch in der Keltischen See und im westlichen Ärmelkanal. 91 % davon waren Gemeine Delfine.
Bereits im Mai 2020 hatte der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) von der EU-Kommission die temporäre Schließung von Fischereien zum Schutz von Delfinen und anderen Kleinwalen gefordert1.
Fischereiaufwand im Golf von der Biskaya
Das Biskaya-Schelf ist eine Ökoregion im riesigen FAO-Fanggebiet 27 (Nordostatlantik). Zielfischarten der Schleppnetzfischerei in der Biskaya sind vorwiegend der zu den Seehechten zählende Hechtdorsch (Merluccius merluccius) und der Europäische Wolfsbarsch oder Seebarsch (Dicentrarchus labrax). Letzteren findet man hierzulande als „Loup de mer“ auf der Speisekarte. Laut einer Studie2 französischer Wissenschaftler gingen 2018 rund 2.000 Fischereifahrzeuge im Golf von Biskaya auf Fangfahrt:
- 1.486 französische Trawler, darunter 1.072 Schiffe von unter 12 m
- 300 spanische Trawler mit einer durchschnittlichen Länge von 25 m
- 22 Fischtrawler aus Irland mit durchschnittlich 33 m Länge
- 18 britische Trawler mit einer durchschnittlichen Länge von 37 m
- 12 Trawler aus Belgien mit einer Durchschnittslänge von 37 m
- 5 deutsche Fischtrawler mit einer durchschnittlichen Länge von 41 m
- 3 niederländische Supertrawler mit einer Durchschnittslänge von 113 m
- 1 Fischtrawler aus Dänemark mit 60 m Länge
Etwa 30 % der Trawler fischten mit Grundschleppnetzen (Einzel- und Gespannfischer), der derzeit zerstörerischsten legalen Fischereimethode.
- Rogan E, Read AJ, Berggren P. Empty promises: The European Union is failing to protect dolphins and porpoises from fisheries by-catch. Fish Fish. 2021; 22: 865–869. https://doi.org/10.1111/faf.12556 ↩︎
- Peltier Helene, Authier Matthieu, Caurant Florence, Dabin Willy, Daniel Pierre, Dars Cecile, Demaret Fabien, Meheust Eleonore, Van Canneyt Olivier, Spitz Jerome, Ridoux Vincent; In the Wrong Place at the Wrong Time: Identifying Spatiotemporal Co-occurrence of Bycaught Common Dolphins and Fisheries in the Bay of Biscay (NE Atlantic) From 2010 to 2019; Frontiers in Marine Science, Voume 8 – 2021, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmars.2021.617342 ↩︎
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
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