Die Grundschleppnetzfischerei ist die zerstörerischste legale Fischereimethode. In ihren Auswirkungen auf die Meeresumwelt ist sie nur mit der weltweit geächteten und verbotenen Dynamit- oder Sprengstofffischerei vergleichbar. Die Beifangraten sinnlos getöteter Meerestiere können bei dieser Fischereimethode bis zu 90 Prozent betragen. Hinzu kommt, dass die Fischerei mit bodenberührenden Netzen die Meeresböden und die dort lebenden Ökosysteme wie Seegraswiesen zerstört. Dabei werden gewaltige Mengen von im Meeresboden gespeichertem CO₂ freigesetzt und natürliche CO₂-Senken vernichtet. Kutter auf Fangfahrt verbrauchen zudem viel Kraftstoff und verursachen hohe Schadstoff-Emissionen.
Jedes aktive Grundschleppnetz der Fischer ist ein Biodiversitäts- und Klimakiller. Nicht einmal Meeresschutzgebiete sind vor den Zerstörungen, die diese Fischereimethode anrichtet, sicher. Dabei sind derart befischte Schutzgebiete nutzlos für den Erhalt der marinen Artenvielfalt und Ökosysteme. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der für die Fischerei zuständig ist, will sogar bei der EU gegen ein pauschales Verbot der Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten kämpfen: „Pauschale Verbote führen in eine Sackgasse, aus der die Krabbenfischer nicht wieder rauskommen.“ Auch der französische und der spanische Fischereiminister schlossen sich der deutschen Haltung an.
Immerhin veranlassten das Bundesumwelt- (BMUV) und das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) gegen Ende November 2024 Teilverbote für die Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten in der Ostsee. Ab 2025 ist bodenberührende Fischerei auf rund zwei Drittel der Fläche dreier Naturschutzgebiete (NSG) verboten.
Verheerende Auswirkungen der Grundschleppnetzfischerei – Übersicht
- Extrem hohe Beifangraten von bis zu 90 Prozent (allein in der EU von 2015 bis 2019 etwa 1 Million Tonnen toter Meerestiere)
- Zerstörung des Meeresbodens und empfindlicher Tiefseelebensräume wie Seeberge, Kaltwasserkorallen oder Glasschwämme
- Vernichtung potenter CO₂-Speicherökosysteme wie Seegraswiesen
- Freisetzung großer Mengen des in Sedimenten gespeicherten Klimagases CO₂
- Hoher Kraftstoffverbrauch und damit verbundene schädliche Emissionen (Kohlendioxid, Methan, Lachgas, Schwefeloxide, Stickoxide, Ruß) beim Ziehen durch Scheuchketten, Scherbretter aus Metall oder „Baumkurren“ künstlich beschwerter Netze über den Meeresboden
- Plastikvermüllung: Einträge von tonnenweise verlorenen Dolly Ropes (rote oder blaue Scheuerfäden aus Polyethylen)
Fischen mit Grundschleppnetzen ist so, als würde man mit einem Bulldozer in einen Teich fahren, um die Fische zu fangen.
Elliot Norse, Fischereiexperte und Präsident des Marine Conservation Biology Institute
Grundscherbrettnetze – Zweischiffgrundschleppnetze – Grundscherbrett-Hosennetze – Baumkurren
Die Bezeichnung Grundschleppnetz verweist auf Einsatzgebiet und Zielfischarten: am Meeresgrund lebende Grundfische, Krabben und Muscheln. Seit einigen Jahren auch Tiefseefische. Hinter dem noch harmlos klingenden Wort verbirgt sich ein rücksichtsloser und in seinen negativen Auswirkungen auf die Meeresumwelt mit keiner anderen legalen Fischereimethode vergleichbarer Raubbau. Es ist eine Fischerei der verbrannten Erde, genauer gesagt der zerstörten Meere.
Bei der Grundschleppnetzfischerei ziehen Fischkutter riesige, mit großen Metallplatten, schweren Stahlseilen oder sogenannten Baumkurren beschwerte trichterförmige Netze über den Meeresboden. Zusätzlich sind seitliche Scherbretter aus Holz oder Stahl angebracht. Dadurch wird ein noch größerer Bereich umgepflügt.
Mit ihrer martialischen Konstruktion verursachen Grundschleppnetze immense und irreparable ökologische Schäden. Je nach Einsatzgebiet und Zielfischart können sich die Netze erheblich voneinander unterscheiden. Man differenziert sie nach Art der horizontalen Netzöffnung, in verschiedene Kategorien: Grundscherbrettnetze, Zweischiffgrundschleppnetze, Grundscherbrett-Hosennetze, oder Baumkurren.
Baumkurren
Baumkurren von Grundschleppnetzen für den Fang von Plattfischen (Scholle, Seezunge, Kliesche, Butt) sind mit über den Meeresboden schleifenden Scheuchketten ausgerüstet. Sie treiben die dort lebenden Fische ins aufgespannte Netz.
Baumkurren an Grundschleppnetzen zum Fang von Nordseegarnelen (Krabben) sind weniger schwer. Dennoch wiegen die auch Kurrbaum genannten, bis zu 12 m langen Gerätschaften immer noch bis zu 10 t. Nur so kann man dem beim Ziehen über den Meeresboden nach oben wirkenden Auftrieb entgegenwirken. Nach Angaben des Thünen-Instituts für Ostseefischerei hinterlassen Scheuchketten und Kufen schwerer Baumkurren, in Abhängigkeit vom Sediment, 1 bis 8 cm tiefe Schleifspuren im Meeresboden. Diese bleiben je nach Sediment und hydrografischen Bedingungen unterschiedlich lange sichtbar. So kann es zwischen 7,5 und 15 Jahren dauern, bis sich benthische Lebensgemeinschaften nach nur einer Baumkurren-Durchpflügung erholt haben, wenn es beim einmaligen Durchpflügen bleibt …
Dolly Ropes – Scheuerfäden
Um Grundschleppnetze beim Schleifen über den Meeresboden zu schützen, befestigen die Fischer an ihnen sogenannte Dolly Ropes (Scheuerfäden). Dolly Ropes sind auf Verschleiß mit absichtlichem Verlust in der Umwelt gewirkte Einzelfäden aus Polyethylen.
Dolly Ropes sind bis zu zwei Meter lang und in der Regel orange oder blau. Häufig eingesetzt werden sie in der Fischerei mit Baumkurren auf Nordseegarnelen und Seezungen. Quelle: UBA / Blaugrau Film
An nordeuropäischen Stränden sind sie einer häufigsten und gefährlichsten Müllfunde. Seevögel wie Basstölpel verwechseln die an der Wasseroberfläche treibenden Scheuerfäden mit organischem Material (Seegräser oder Algen) und setzen sie zum Nestbau ein. Ein für den Nachwuchs oft tödlicher Irrtum. Unzählige Jungvögel verheddern sich im reißfesten Kunststoffgarn, ersticken oder verhungern qualvoll.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) gehen in der Nutzungsphase bis zu 50 Prozent der Dolly Ropes verloren. Allein der Eintrag aus der niederländischen Fischerei in die Nordsee soll zwischen 50 und 100 Tonnen Dolly Ropes liegen.
Das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) verbietet den Eintrag von Plastikmüll ins Meer grundsätzlich. Doch der Eintrag von Dolly Ropes in die Meeresumwelt wird billigend in Kauf genommen. Quelle: UBA / Thünen-Institut für Ostseefischerei
Lösungsansätze – Alternativen
Ein Großteil der deutschen Krabbenfischer verzichtet bereits freiwillig auf den Einsatz der Dolly Ropes. In den Niederlanden (Projekt DollyRopeFree) und Deutschland (Projekt DRopS des Thünen-Instituts), wurden alternative und praktikable Lösungsansätze erprobt, die die Verwendung der tödlichen Scheuerleinen überflüssig machen. Was fehlt, ist ein EU-weites Verbot der Verwendung von Dolly Ropes in der Grundschleppnetzfischerei.
Quelle: UBA
Grundschleppnetze: Fischerei nach dem Zufallsprinzip
Wie beim Einsatz von Langleinen oder Schleppnetzen fischen Grundschleppnetze nach dem Zufallsprinzip. Daher zeichnet sich auch die Grundschleppnetzfischerei durch hohe Beifangraten (unbeabsichtigter Fang von Nichtzielarten) aus.
Zusätzlich – und hier unterscheidet sich diese Fischereimethode grundsätzlich von allen anderen legalen – zerstört ein Grundschleppnetz den Meeresboden. Es hinterlässt eine Todeszone. Eine Schneise der Verwüstung. Ein Korallenriff, über das ein Grundschleppnetz gezogen wurde, sieht anschließend so aus, als sei hier mit Dynamit gefischt worden. Und nur mit dieser illegalen Fischereimethode lässt sich die Grundschleppnetzfischerei vergleichen.
Das Grundschleppnetz ist ein Klimakiller
Vergeblich fordern Wissenschaftler und Meeresschützer seit Jahren ein Verbot für bodenberührende Fischerei. Auch, weil dabei große Mengen des in den Sedimenten gespeicherten Klimagases CO₂ freigesetzt werden. Laut world ocean review 7 verursacht die weltweite Grundschleppnetzfischerei in etwa so hohe Treibhausgasemissionen, wie in der Summe durch Bodenveränderungen in der Landwirtschaft freigesetzt werden. Trotzdem ist Grundschleppnetzfischerei in den meisten Meeresgebieten legal. Sogar in Meeresschutzgebieten. So auch in den meisten deutschen Schutzgebieten in der Nordsee.
In einer im Januar 2024 veröffentlichten Studie1 berechnete ein internationales Forscherteam, dass zwischen 1996 und 2020 weltweit jedes Jahr rund 300 Millionen Tonnen CO2 bei Sedimentzerstörungen durch die Grundschleppnetzfischerei freisetzt wurden. Von dem in der Wassersäule gelösten Kohlenstoff gelangte schließlich mehr als die Hälfte als CO2 wieder in die Atmosphäre. Hinzu kommen in halbgeschlossenen und stark befischten Meeresgebieten lokale Veränderungen (Versauerung) des pH-Wert des Wassers. Beschränkungen für die Grundschleppnetzfischerei könnten, nach Meinung der Forschenden, ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz sein.
Mit Grundschleppnetzen gefischte Meeresfrüchte und Fische weisen einen der höchsten CO₂-Fußabdrücke aller Proteinquellen auf. Diese Art der Fischerei befeuert die Klimakatastrophe in erheblicher Weise!
Grundschleppnetze verwüsten Tiefseelebensräume
Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen in der Tiefsee kommen früher als Exoten geltende Arten wie Granatbarsch (Hoplostethus atlanticus), Grenadierfisch (Coryphaenoides rupestris) und vor allem Rotbarsch (Sebastes marinus) heute immer öfter auch in Deutschland auf dem Teller. Nach Angaben von Fischbestände-Online stammt der weitaus größte Teil des Meeresfisches auf dem deutschen Markt derzeit aus Grundschleppnetzfischerei.
Nachdem die Fischerei in den flachen Gewässern fast überall am Rande des Abgrunds schwimmt, greifen die neuen, noch schnelleren Fangflotten in die unbekannten Tiefen der Weltmeere. 40 Prozent aller Fischereigründe befinden sich bereits in der Tiefsee, also tiefer als der Kontinentalschelf. Die neuen Technologien sind so effektiv, dass sie nicht nur ernten, sondern im wahrsten Sinn des Wortes abbauen.
Callum Roberts, Ozean-Ökologe der Harvard University
Tiefseefisch ist eine nicht erneuerbare natürliche Ressource
Tiefseearten wachsen langsam. Sie werden spät geschlechtsreif. Rotbarsch etwa erst nach 12 bis 20 Jahren. Und sie haben nur wenig Nachwuchs. Dafür werden sie sehr alt. Ein Granatbarsch kann sogar bis zu 150 Jahre erreichen. Damit sind diese Arten im Grunde zur Befischung ungeeignet. Daher bezeichnet man sie mittlerweile auch als „nicht erneuerbare natürliche Ressourcen“. Denn die Bestände kollabieren schnell.
Schwarze Degenfische. Der Bestand dieser Tiefseefische leidet unter Beifängen in der Grundschleppnetzfischerei. Foto: AngMoKio – CC BY-SA 2.5
Trauriges Beispiel: Tasmanien. Nach nur wenigen Jahren der Befischung mussten die Regierungen Neuseelands und Australiens 2007 einen Fangstopp für den Granatbarsch aussprechen. Dann zogen die Fischereiflotten weiter. Selbst wenn vermehrungsfähige Exemplare einer Tiefseefischart den Angriff eines Grundschleppnetzes überleben, nutzt ihnen dies wenig. Denn anschließend gibt es für ihren Nachwuchs keinen Lebensraum mehr.
Kaltwasserkorallenriffe und Seeberge
Die Fischtrawler suchen gezielt Regionen auf, die sich durch einen besonderen Reichtum an Fischen auszeichnen: Seeberge und Kaltwasserkorallenriffe. Doch ein Grundschleppnetz rasiert diese über Jahrtausende gewachsenen und sehr empfindlichen Lebensräume innerhalb kürzester Zeit einfach ab. Da ist dann nichts mehr.
Zahlreiche Untersuchungen haben deutlich gezeigt, dass Grundschleppnetze die letzten Bastionen der Tiefsee komplett zerstören. Als Kinderstube für unzählige Arten extrem wertvolle Kaltwasserkorallenriffe benötigen 5.000 Jahre zum Wachsen. Innerhalb weniger Minuten sind sie vollständig vernichtet. Und auch die Lebensgemeinschaften des Weichbodens überleben die Befischung mit Grundschleppnetzen nicht.
Glasschwammriffe
Glasschwämme bildeten vor 155 Millionen Jahren die größten Riffe der Weltgeschichte. Eines reichte über 7000 Kilometer vom Kaukasus über den heutigen Atlantik bis nach Tennessee. Vor 55 Millionen Jahren starben sie aus. Dachte man. Bis man 1997 zufällig ein Glasschwammriff vor der Küste der kanadischen Provinz British Columbia entdeckte.
Es gibt sie heute nur noch im Nordpazifik auf einer Fläche von 1000 Quadratkilometern in Tiefen von 150 bis 250 Metern. Der Fischreichtum rund um diese Kaltwasser-Organismen blieb nicht lange verborgen. Und jetzt läuft den wiederentdeckten Meeresdinosauriern, nach Millionen von Jahren, die Zeit davon. Während es etwa 9000 Jahre dauert, bis ein Glasschwammriff gewachsen ist, benötigt ein Grundschleppnetz 90 Minuten, um es auszulöschen.
Grundschleppnetze in der EU
Die Grundschleppnetzfischerei ist die wichtigste in EU-Gewässern eingesetzte Fischfangmethode. Auf sie entfallen 32 % (7,3 Mio. Tonnen) aller Anlandungen. Gleichzeitig ist sie für 93 % aller gemeldeten Rückwürfe aus unerwünschten Beifängen verantwortlich. Im Jahr 2020 fanden in EU-Meeresschutzgebieten über 2,5 Millionen Stunden Grundschleppnetzfischerei statt. Bei etwa 75 % dieser Fangfahrten kamen für den Meeresboden besonders schädlichen Baumkurren zum Einsatz.
Im Februar 2022 veröffentlichten Wissenschaftler von Oceana eine Studie2 zum Umfang der Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten (MPAs) der EU und Großbritanniens. In 510 der 1.945 untersuchten Meeresschutzgebiete fand intensive Grundschleppnetzfischerei statt. Diese 510 MPAs umfassten 86 % der insgesamt untersuchten Fläche. Insbesondere die größeren, küstennahen Schutzgebiete wurden stärker befischt. „Die MPAs, in denen diese hochriskante Fischerei stattfindet, sind funktionslos“, schreiben die Autoren der Studie.
Viele der Hauptzielarten der Grundschleppnetzfischer – z. B. Sandaale, Sprotten oder Blauer Wittling – sind nicht für den menschlichen Konsum gedacht. Stattdessen verarbeitet man diese Fänge zu Fischöl und Futtermitteln für die Aquakultur. Bei ihnen handelt es sich allerdings um Schlüsselarten in den marinen Nahrungsnetzen. Für viele andere Meerestiere, Seevögel, Rochen, Haie oder Meeressäuger, sind sie als Nahrungsgrundlage kaum zu ersetzen.
Nord- und Ostsee
Bereits im November 2008 forderten Wissenschaftler zum Abschluss einer dreitägigen Fachtagung in Stralsund für die Nord- und Ostsee ein Verbot von schweren Grundschleppnetzen. Denn hier dürfen sie sogar in den meisten Meeresschutzgebieten eingesetzt werden.
Grundschleppnetzfischer im Hafen von Büsum. Foto: U.Karlowski
Henning von Nordheim, damaliger Leiter des Fachgebietes Meeres- und Küstennaturschutz im Bundesamt für Naturschutz, sagte, diese Fischereiform habe bereits zu massiven Schäden an Sandbänken und Riffen geführt. Die Folge sei der Ruin verschiedener Fischbestände. Zusätzliche Schäden entstünden durch zu hohe Beifänge. Auch Seevögel und Schweinswale zählten zu den Opfern. Die Zeit zum Handeln dränge, unterstrich Nordheim damals.
Viel Grundschleppnetzfischerei in deutschen Meeresschutzgebieten
Eine Analyse von Satelliten-Tracking-Daten von Fischerbooten (über Global Fishing Watch) mit Schwerpunkt auf europäische Natura-2000-Gebiete3 offenbarte das Ausmaß des Fischereiaufwands mit Grundschleppnetzen. Im Jahr 2020 gehörten fünf deutsche Meeresschutzgebiete in der AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone) und im Küstenmeer (12-Meilen-Zone) zu den Top 10 der am stärksten in der EU mit Grundschleppnetzen befischten Gebieten. Auf Platz eins lag dabei ausgerechnet der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer mit über 730.000 Stunden! Platz zwei ging an das übrige Wattenmeer und angrenzende Küstengebiete (über 576.000 Stunden). Auf dem dritten Platz landete schließlich das Schutzgebiet Sylter Außenriff, mit über 318.000 Stunden Befischung durch Grundschleppnetze.
Weitere mit dieser Fischereimethode stark befischte Schutzgebiete4 waren das französische Mers Celtiques – Talus du golfe de Gascogne (117.574 Stunden), die niederländischen Noordzeekustzone (117.683 Stunden) und Waddenzee (110.451 Stunden) sowie das dänische Skagens Gren og Skagerak (49.092 Stunden).
Die Analyse derartiger Fangdaten basiert auf AIS-Signalen (Automatic Identification System), die Global Fishing Watch mit dem Europäischen Flottenregister abgleicht. Jedoch schalten Trawler-Besatzungen ihr AIS auch gerne aus (Piratenfischerei). Zudem sind Trawler unter 15 m nicht AIS-verpflichtet. Somit zeigen derartige Analysen eine Unterschätzung des tatsächlichen Fischereiaufwands. Im Jahr 2020 kam hinzu, dass die Fischereitätigkeit wegen der COVID19-Pandemie unter dem normalen Niveau lag.
Eine Analyse der Meeresschutzbündnisses Seas At Risk vom April 2024 zeigt, dass bereits mehr als die Hälfte der deutschen Meeresschutzgebiete durch Grundschleppnetze zerstört wurden. Besonders gravierend sind die Zerstörungen in den Wattenmeer-Nationalparks vor Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Großflächig betroffen ist auch das Meeresschutzgebiet Doggerbank.
Grundschleppnetz – Verbote
Trotz zahlloser Proteste von Meeresschützern und Wissenschaftlern – 2004 wurde eine von 1100 Wissenschaftlern unterzeichnete Petition gegen Grundschleppnetze veröffentlicht – scheitern Versuche, diese extreme Form der Meereszerstörung zu verbieten, regelmäßig am Egoismus einiger Fischereinationen und dem Einfluss der Fischereilobby. Dennoch hat angesichts der immer deutlicher werdenden negativen Auswirkungen der Grundschleppnetzfischerei mittlerweile ein, wenn auch langsames Umdenken eingesetzt. Sogar in Deutschland, wenn auch nur in Trippelschritten!
EU-Kommission fordert Ende der Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten bis 2030
Im Februar 2023 forderte die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten auf, bis spätestens 2030 die Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten zu verbieten. Bereits Ende März 2024 sollten erste Maßnahmen umgesetzt sein. Darunter fiele auch ein Verbot für den Einsatz von Grundschleppnetzen im Nationalpark Wattenmeer. Laut EU-Fischereikommissar Virginijus Sinkevičius beinhalte der EU-Meeresaktionsplan „ein schrittweises Auslaufen der Grundfischerei in allen Meeresschutzgebieten bis 2030.“
Allerdings hängen die Maßnahmen vom guten Willen der Regierungen ab. Zudem sind sie zu langfristig angelegt. Der Beschluss fußt auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity/CBD). 196 Länder, darunter auch die EU, hatten vereinbart, bis 2030 ein Ziel von 30 Prozent geschützter Flächen und Ozeane (30 × 30-Ziel) zu erreichen. Außerdem sind CBD-Beschlüsse rechtlich nicht bindend.
Schweden
Am 4. Juni 2024 gab die Schwedische Regierung ein Verbot für die Grundschleppnetzfischerei in allen Hoheitsgewässern (12-Meilen-Zone und 200-Meilen-Zone/Küstenmeer und Ausschließliche Wirtschaftszone) bekannt. Um den lang ersehnten Erfolg zu feiern, sprang die schwedische Umweltministerin Romina Pourmokhtari in „voller Montur“ in die Ostsee. Mit dieser kurz vor dem UN-Welttag der Meere 2024 verkündeten, sensationellen Entscheidung überbieten die Schweden Griechenland.
„Jahrzehntelang haben die Liberalen dafür gekämpft, die großen Trawler zu stoppen, die unsere Meere und Fischbestände zerstören […]. Künftig können sich Störe, Heringe und sogar Kabeljau an unseren Küsten tummeln, ohne von industriellen Trawlern gestört zu werden“, schrieb die schwedische Umweltministerin Romina Pourmokhtari auf der Plattform X (ehemals Twitter). Laut eines Berichts der französischen Organisation Bloom gehört Schweden mit 127 Grundschleppnetz-Trawlern zu den größten Fischereinationen in Europa. „Wir können nur hoffen, dass sich die Bestände wieder erholen“, sagte Pourmokhtari auf euractiv.de. Sie will „in Absprache mit der Kommission und den Mitgliedstaaten“ daran arbeiten, diese Maßnahmen EU-weit zu verallgemeinern.
Griechenland
Am 16. April 2024 verkündete der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis ein ab 2026 beginnendes Verbot der Grundschleppnetzfischerei in griechischen Meeresschutzgebieten. Bis 2026 soll sie aus den Meeresnationalparks des Landes verbannt werden, bis 2030 dann aus allen griechischen Meeresschutzgebieten. Die Maßnahmen will man mit einem hochmodernen System (u.a. Drohnen und Satelliten) und verstärkten Patrouillen überwachen. Außerdem will Griechenland im Ionischen Meer und in der Ägäis zwei neue Meeresnationalparks einrichten. Damit würde sich der Umfang der Meeresschutzgebiete des Landes um 80 Prozent erhöhen.
Deutsche Meeresschutzgebiete in der Nordsee
Im Februar 2023 verhängte Deutschland erste zaghafte Einschränkungen für die Fischerei mit Grundschleppnetzen in Nordsee-Meeresschutzgebieten der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Borkum Riffgrund (625 km²) und die etwa 50 km² umfassende Sandbank Amrumbank im Schutzgebiet Sylter Außenriff-Östliche Deutsche Bucht wurden vollständig für bodenberührende Fischerei geschlossen.
Deutsche Meeresschutzgebiete in der Ostsee
Gegen Ende November 2024 veranlassten das Bundesumwelt- (BMUV) und das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) ein Verbot für die Grundschleppnetzfischerei in einigen wenigen Meeresschutzgebieten in der Ostsee. Ab 2025 ist bodenberührende Fischerei auf rund zwei Drittel der Fläche der Naturschutzgebiete (NSG) Fehmarnbelt, Kadetrinne, Pommersche Bucht – Rönnebank (mit den Riffen des Adlergrundes und der Rönnebank sowie der Sandbank Oderbank) verboten. Deutschland hatte sich dazu basierend auf verschiedenen EU-Richtlinien verpflichtet (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, EU-Vogelschutzrichtlinie, Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, Gemeinsame Fischereipolitik der EU). Die Verbotszonen umfassen laut Angaben des BMUV rund 27 Prozent der Fläche der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Ostsee und rund zwei Drittel (66 Prozent) der bestehenden Schutzgebietsflächen.
Von konsequentem Handeln für den Meeresschutz, wie es Griechenland und Schweden mit ihren weitreichenden Verboten für den Einsatz von Grundschleppnetzen vormachen, ist Deutschland nach wie vor weit entfernt.
Meeresschutz in Trippelschritten: Bereits seit 2004 sind diese Gebiete als Teil des europäischen Natura 2000 Schutzgebietsnetzwerks ausgewiesen. 2007 wurden sie durch die EU-Kommission anerkannt. Doch es vergingen 10 Jahre, bis Deutschland sie 2017 als unter Schutz stellte. Weitere sieben Jahre gingen ins Land, bis die deutschen Behörden 2024 erste Verbote für diese katastrophale Fischereimethode in deutschen Meeresschutzgebieten in der AWZ der Ostsee in Kraft setzten. In allen anderen Gebieten der AWZ in der Ostsee bleibt die Grundschleppnetzfischerei weiterhin erlaubt.
Schleswig-Holsteinisches Küstenmeer
Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums von Schleswig-Holstein ist der Einsatz von Grundschleppnetzen gemäß Küstenfischereiverordnung innerhalb von drei Seemeilen in den Küstengewässern (12-Meilen-Zone) verboten.
Britische Meeresschutzgebiete in der Nordsee
Im Juli 2022 sperrte die britische Regierung vier Meeresschutzgebiete für Grundschleppnetzfischer. Sie liegen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ, Seegebiete bis zur 200-Seemeilen-Grenze) von Großbritannien. Darunter auch ein großer Teil (12.000 km2) der etwa 18.000 km2 großen Doggerbank in der Nordsee.
Die anderen drei für Grundschleppnetze gesperrten Gebiete sind:
- Inner Dowsing, Race Bank und North Ridge vor der Küste von South Lincolnshire
- South Dorset Conservation Zone
- The Canyons Marine Conservation Zone
EU-Verbot ab 800 Metern
Nach einem zähen, vierjährigen Verhandlungsmarathon verständigt sich die EU Mitte 2016 auf ein weitgehendes Verbot für Grundschleppnetze in den Tiefseeregionen des Atlantiks. Es gilt ab einer Meerestiefe von 800 Metern. Die Entscheidung ist ein Erfolg für den Schutz der betroffenen Tiefsee-Ökosysteme und ein Schritt in die richtige Richtung.
Zwar gilt das Verbot für Grundschleppnetze nur für EU-Gewässer bis 200 Seemeilen vor der Küste und nicht für die Hohe See im Nordostatlantik. Dafür aber für die Hohe See vor Westafrika um die Kanarischen Inseln und Madeira. Tiefseebewohner wie Rotbarsche, Tiefseekorallen oder Tiefseehaie haben jetzt eine bessere Chance zu überleben.
EU-Verbot für Grundschleppnetze in Vulnerable Marine Ecosystems (VMEs)
Es dauerte weitere sechs Jahre. Dann hatte die EU im September 2022 die bereits 2016 verabschiedete Verordnung 2016/2336 über den Zugang der Fischerei zur Tiefsee endlich vollständig umgesetzt. Seit 2022 sind jetzt auch 16.419 km2 in 87 Gebieten in Tiefen zwischen 400 und 800 Metern in EU-Gewässern für bodenberührende Fischerei (d. h. Schleppnetze, Langleinen, Stellnetze, Reusen und Fallen) geschlossen. Die Gebiete befinden sich in der Nähe der Atlantikküsten Frankreichs, Irlands, Portugals und Spaniens. Zusammen entspricht dies 1,16 % der EU-Gewässer im Nordostatlantik. Zu den geschützten Arealen gehören 57 schutzbedürftige Tiefsee-Ökosysteme, sogenannte Vulnerable Marine Ecosystems (VMEs).
Vorgesehen war, dass diese Zugangsverordnung bereits 2018 umgesetzt werden sollte. Weil die EU-Kommission sich aber dazu entschloss, vor der finalen Entscheidung ausführliche Beratungen mit Wissenschaftlern, allen Mitgliedsstaaten, der Fischerei, der Fisch verarbeitenden Industrie und Umweltschutzorganisationen abzuhalten und zudem eine öffentliche Konsultation durchführte, verzögerte sich die Umsetzung um fast vier Jahre!
Dieser lange überfällige Schritt ermöglicht endlich den dringend notwendigen Schutz von Seebergen, Kaltwasser-Tiefseekorallen, Ansammlungen von Tiefsee-Schwämmen und anderen lebensraumbildenden Arten in der Tiefsee. Bis zuletzt leistete die Fischereiindustrie Widerstand gegen die Schließung der Gebiete.
Presseerklärung von Seas at Risk↗
European Commission takes bold steps to protect vulnerable marine ecosystems
Nordwestatlantik
Im September 2021 beschloss die Nordwestatlantische Fischereiorganisation (Northwest Atlantic Fisheries Organization/NAFO) weitreichende Sperrungen oberhalb von 4.000 Metern Tiefe für die Fischerei mit Grundschleppnetzen. Die Verbotszonen umfassen rund 100.000 Quadratkilometer.
Eastern Canyons Marine Refuge
Zum Welttag der Meere 2022 erklärte die kanadische Regierung das rund 44.000 km2 große „Eastern Canyons Marine Refuge“ vor der Küste der kanadischen Provinz Nova Scotia zum Meeresschutzgebiet. Hier gilt fortan ein Verbot für bodenberührende Fischerei. Während Grundschleppnetzfischerei kategorisch untersagt ist, gibt es auf 0,2 Prozent des Gebiets noch eine Fischereizone für kleinere Boote von Langleinenfischern. Diese müssen allerdings einen Fischereibeobachter an Bord haben.
Mittelatlantischer Rücken „Alpen der Tiefsee“
Im Juni 2008 einigten sich die 15 Staaten des Oslo-Paris-Abkommens OSPAR, dass im Charlie-Gibbs-Meeresschutzgebiet, einer auch „Alpen der Tiefsee“ genannten Untersee-Bergkette des Mittelatlantischen Rückens, die Tiefseefischerei mit Grundschleppnetzen stark eingeschränkt, in manchen Gebieten auch verboten wird. Das so entstehende Schutzgebiet liegt auf halber Strecke zwischen Island und den Azoren. Es entspricht etwa der Größe Italiens. Damit gehört es zu den größten Meeresschutzgebieten.
Petition: Stoppt die Grundschleppnetzfischerei
Wir setzen uns als Partner des Bündnisses Seas At Risk für ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei ein und unterstützen die Petition von Patagonia für den Stopp bodenberührender Fischerei in Meeresschutzgebieten.
- Atwood TB, Romanou A, DeVries T, Lerner PE, Mayorga JS, Bradley D, Cabral RB, Schmidt GA and Sala E (2024) Atmospheric CO2 emissions and ocean acidification from bottom-trawling. Front. Mar. Sci. 10:1125137. doi: 10.3389/fmars.2023.1125137 ↩︎
- Perry AL, Blanco J, García S and Fournier N (2022) Extensive Use of Habitat-Damaging Fishing Gears Inside Habitat-Protecting Marine Protected Areas. Front. Mar. Sci. 9:811926. doi: 10.3389/fmars.2022.81192 ↩︎
- Vollständiger Bericht „A quantification of bottom towed fishing activity in marine Natura 2000 sites“ by The Marine Conservation Society ↩︎
- Interaktive Karte: Ausmaß der Grundschleppnetzfischerei nach Schutzgebieten in der EU ↩︎
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
Titelfoto: Seas at Risk
Quelle Kapitel Baumkurren: Fischbestände Online/Thünen-Institut für Ostseefischerei