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Seit Ende Juni 2023 ist der internationale Handel mit Haiflossen in Großbritannien verboten. „Das ist ein Meilenstein für den Haischutz und schwer Schlag gegen das Shark Finning. Einmal mehr zeigen sich andere Staaten beim Haischutz um einiges engagierter als die Europäische Union. Hier ist der Handel mit Haifischflossen immer noch erlaubt. Obwohl der Bestand nahezu aller Hochseehaie in den vergangenen 50 Jahren im Schnitt um 70 Prozent zurückgegangen ist. Die gezielte Haiflossen-Fischerei hat massiv dazu beigetragen“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Inhaltsverzeichnis
- Haiflossen-Fischerei ist grausam
- Nachfrage nach Haiflossen übertrifft Angebot
- Handel mit Haiprodukten in der EU
- EU exportiert jährlich rund 2.300 Tonnen Haiflossen
- Wichtigste Akteure beim Handel mit Haiprodukten
- Die meisten Haiflossen aus der EU gehen nach Singapur und China
- Blauhai ist die wichtigste Art beim Shark Finning durch EU-Fangflotten
- EU-Langleinenfischer fangen die meisten Haie
- Fins Naturally Attached-Verordnung soll Shark Finning unterbinden
- Haifischflossen – Handelsverbote
- Haifischflossen – Handelsbeschränkungen
Haiflossen-Fischerei ist grausam
Bei der auch „Shark Finning“ genannten Fischereimethode schneiden die Fischer den Tieren nach dem Fang die Flossen ab. Dann werfen sie die verstümmelten und nicht mehr schwimmfähigen Haie zurück ins Meer. Dort sterben sie langsam. Sie ersticken, verbluten, werden lebendig gefressen. Meeresschützer und Wissenschaftler befürchten schon lange den Zusammenbruch der Bestände bestimmter Arten. Denn die Fangrate steigt ständig. Doch Haie haben nur wenig Nachwuchs. Viele Arten benötigen bis zu 25 Jahre, bis sie geschlechtsreif sind.
Nach Angaben der Weltnaturschutzunion (IUCN) sterben jährlich zwischen 63 und 273 Millionen Haie. Getötet durch Menschenhand. Genaue Zahlen gibt es nicht. Es sind wohl viel mehr. Belastbare Daten fehlen. Anzunehmen ist, dass die Dunkelziffer, auch wegen der weltweiten illegalen Fischerei (IUU), hoch ist. Haiflossen-Fischerei ist eine gigantische Verschwendung. Denn fast 99 % jedes gefangenen Hais verschwinden ungenutzt wieder im Ozean.
Nachfrage nach Haiflossen übertrifft Angebot

Haiflossen gehören zu den teuersten Fischprodukten überhaupt. Doch die Nachfrage übertrifft das Angebot bei Weitem. Foto: Jessica King, Marine Photobank
Nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) verdreifachten sich die offiziell gemeldeten weltweiten Haifangmengen seit 1950. Im Jahr 2000 wurde ein Allzeithoch mit 868.000 Tonnen erreicht. Seit diesem Zeitpunkt ist ein Abwärtstrend zu verzeichnen. Die Fangmengen für das Jahr 2020 betrugen 665.622 Tonnen. Im Jahr 2021 wurden der FAO rund 7.100 Tonnen gehandelte Haifischflossen gemeldet. Laut FAO beträgt der Wert des weltweiten Handels mit Hai-Produkten 1 Milliarde USD pro Jahr.
In über 125 Ländern werden Haiflossen verkauft. Größter Absatzmarkt ist Hongkong. Dort gelten sie als Delikatesse und Statussymbol. Eine Schale Haifischflossensuppe von bestimmten Arten kann dort bis zu 400 € kosten. Bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung in Fernost können und wollen sich immer mehr Menschen Haiflossenprodukte kaufen. Früher was dies nur einer kleinen, wohlhabenden Bevölkerungsschicht vorbehalten.
Viele bedrohte Arten sterben beim Shark Finning
Wissenschaftler der Florida International University (FIU) durchleuchteten zwischen Februar 2014 und Februar 2015 mittels DNA-Analysen den bis dahin undurchsichtigen Handel auf dem weltweit größten Markt für Haiflossen in Hongkong. 2016 importierte Hongkong 5.718 Tonnen Haiflossen. Das Ergebnis der im Oktober 2017 veröffentlichten Studie ist erschreckend. Denn mehr als ein Drittel der verkauften Haiflossen stammte von bedrohten Arten.
Bei 4.800 aus fast 100 Fischgeschäften gekauften Haiprodukten identifizierten die Forscher fast 80 Hai- und Rochenarten. 25 Prozent der Proben stammten dabei von Arten, die auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) als gefährdet gelistet sind. Mit einem Anteil von 34 Prozent war der Blauhai (Prionace glauca) die am häufigsten für Haiflossen und anderen Haiprodukte verwendete Art. Auf der Roten Liste ist er mit dem Status „Gefährdung droht“ eingestuft.
Weitere 8 Prozent der angebotenen Haiflossen stammten von bedrohten Arten. Darunter Bogenstirn-Hammerhai (Sphyrna lewini), Großer Hammerhai (Sphyrna mokarran), Seidenhai (Carcharhinus falciformis) oder Großaugen-Fuchshai (Alopias superciliosus). Nur etwa ein Fünftel der gefundenen Arten stammen aus nachhaltig operierenden Fischereien.
Dennoch sieht FIU-Meeresbiologe Damien Chapman, der an der Haiflossen-Studie teilnahm, Zeichen des Wandels: „Insgesamt sehen wir, dass der Schutz von Haien in der Öffentlichkeit immer mehr Unterstützung findet und die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich zieht“, sagt er auf phys.org. „Es liegt noch ein sehr langer Weg vor uns, aber wenn der jüngste Schwung anhält, dann können wir meines Erachtens die am stärksten gefährdeten Arten vor dem Handel schützen und gleichzeitig mehr auf nachhaltig gefischte Produkte umschwenken.“
FIU-Studie zu Haiflossen-Fischerei und Haiflossenhandel in Hongkong:
Andrew T. Fields et al. Species composition of the international shark fin trade assessed through a retail-market survey in Hong Kong, Conservation Biology (2017). DOI: 10.1111/cobi.13043
Handel mit Haiprodukten in der EU
Die EU ist ein wichtiger Akteur beim internationalen Handel Haifleisch und mit Haifischflossen aus dem Shark Finning. Für die EU-Fischfangflotten, die in internationalen Gewässern Haie fangen, ist die EU dabei der wichtigste Absatzmarkt für Haifischflossen. Viele Tiere stammen aus der gezielten Haiflossen-Fischerei (Shark Finning). Dennoch wird in der EU doppelt so viel mit Haifleisch verdient wie mit Haiflossen. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass die Flossen nur etwa 2 % des Gewichts eines ausgewachsenen Hais ausmachen. Ein Kilo Haifischflossen bedeutet also viele tote Haie.
Hinzu kommt, dass die EU wegen mangelnder Kontrollen auch eine Drehscheibe für illegale Haiprodukte ist.
EU exportiert jährlich rund 2.300 Tonnen Haiflossen
In den Jahren 2017 bis 2021 wurden nur wenige Haifischflossen in die EU importiert. Dagegen waren die jährlichen Exporte mit durchschnittlich etwa 2.300 Tonnen im Wert von 170 Millionen Euro erheblich.

Foto: Rikke Færøvik Johannessen/Marine Photobank
Der durchschnittliche Preis für die Ausfuhr von 1 kg Haifischflossen lag im Jahr 2021 bei 16 €. Haifleisch erzielte lediglich 1,43 € pro kg.
Wichtigste Akteure beim Handel mit Haiprodukten
In der EU sind Spanien und Portugal führend beim Handel mit Haifischflossen. Es folgen die Niederlande und Frankreich. Wobei Spanien sowohl bei den Einfuhren als auch bei den Ausfuhren von Haifischflossen der führende Akteur ist. Mehr als 99 % der gesamten EU-Ausfuhren stammen aus Spanien. Rund 96 % dieser Ausfuhren sind gefrorene Haifischflossen.
Die meisten Haiflossen aus der EU gehen nach Singapur und China
Laut EU-Kommission waren die wichtigsten Bestimmungsländer für EU-Ausfuhren von Haifischflossen zwischen 2017 und 2021 (angeben sind die jeweiligen Jahresdurchschnittswerte):
- Singapur, 985 Tonnen und einem Handelswert von 13 Mill. €
- China, 893 Tonnen bei einem Handelswert von 11 Mill. €
- Hongkong, 194 Tonnen, Handelswert von 7 Mill. €
Rund 82 % der EU-Ausfuhren von Produkten aus dem Shark Finning landen in Singapur und China. Andere wichtige Handelsströme bestehen mit Hongkong und seit Kurzem auch mit Japan.
Blauhai ist die wichtigste Art beim Shark Finning durch EU-Fangflotten
In den Jahren 2019 und 2021 wurden von den europäischen Hai-Fangflotten insgesamt 248.392 Tonnen Hai-Fänge gemeldet. Dies entspricht einem jährlichen Durchschnitt von 82.797 Tonnen.
Am häufigsten gefangen wurden Blauhaie (Prionace glauca). Etwa 56 % aller Hai-Fänge in diesem Zeitraum waren Blauhaie. Es folgten Kleingefleckter Katzenhai, Stachelrochen und Kurzflossen-Mako (Isurus oxyrinchus) mit 7 %, 6 % und 3 % der Gesamtfänge.
Bei vielen anderen Arten lagen die Gesamtfänge zwischen 2019 und 2021 bei unter 100 kg. Die Tiere waren wahrscheinlich zufällig als Beifang mitgefangen worden.
EU-Langleinenfischer fangen die meisten Haie
Die meisten Haie fangen EU-Langleinenfischer, die im Südatlantik und im Südpazifik operieren. Fänge aus internationalen Gewässern machen 60 % der Fangmenge aus. Wobei Blauhai und Kurzflossen-Mako fast ausschließlich in internationalen Gewässern gefangen werden. Ihre Befischung fällt in den Zuständigkeitsbereich regionaler Fischereiorganisationen (RFMOs).
Fins Naturally Attached-Verordnung soll Shark Finning unterbinden
Zwar ist Shark Finning seit 2013 in der EU mit der sogenannten „Fins Naturally Attached“-Verordnung (Ganzkörperanlandung) verboten. Die Tiere müssen beim Entladen im Hafen intakt sein. Erst danach darf man die Flossen abtrennen und verkaufen. Dies wird aber kaum kontrolliert. Deshalb kann niemand sagen, wie viele Haiflossen bei der Haiflossen-Fischerei illegal angelandet werden. Bislang gibt es nur in wenigen Staaten vergleichbare Gesetze zur Hai-Ganzkörperanlandung (Fins Naturally Attached). Etwa in den USA, Kanada, Indien, Südafrika, Chile, Costa Rica oder Kolumbien.
In anderen Ländern dagegen ist Shark Finning erlaubt. Daher gibt es auf dem weltweiten Markt gewaltige Mengen an Flossen. Die Herkunft ist meist kaum nachvollziehbar. Oft ist sie fragwürdig. Dennoch dürfen auch diese Haiflossen legal in und über Europa gehandelt werden. Dabei heißt es in der aktuellen „Fins Naturally Attached“-Verordnung: „Haie stellen keine traditionell europäische Speise dar, doch sie sind ein nötiges Element der europäischen marinen Ökosysteme.“
Haifischflossen – Handelsverbote
Zum Glück sind andere Staaten beim Haischutz um einiges engagierter als die Europäische Union.

Großbritannien
Mit dem Brexit befreite sich Großbritannien von den nicht nur aus Sicht der Briten völlig unzureichenden EU-Fischereirichtlinien – zumindest teilweise. Beim Thema Verkauf von Haifischflossen zögerte man auf der Insel nicht lang. Im August 2021 verkündete die Regierung Handelsverbot (Import und Export) für Haifischflossen, das Ende Juni 2023 in Kraft trat. Unter das Handelsverbot fallen auch Produkte, in denen Haiflossen enthalten sind, wie Haiflossensuppe.
Großbritannien übernahm damit in Europa eine führende Rolle im Kampf gegen Hai-Finning und den globalen Handel mit Haifischflossen.
USA
Am 23.12.2022 unterzeichnete US-Präsident Joe Biden den Shark Fin Sales Elimination Act. Damit sind in den USA Verkauf von Haifischflossen sowie – bis auf wenige Ausnahmen – deren Besitz illegal. Die zivilrechtliche Höchststrafe für jeden Verstoß beträgt 100.000 US-Dollar oder den Marktwert der betreffenden Haifischflossen, je nachdem, welcher Wert höher ist. Das von US-amerikanischen und internationalen Hai- und Meeresschutzorganisationen einhellig unterstützte Gesetzgebungsverfahren hatte am 15. Dezember 2022 den US-Senat passiert.
Zweifellos spielten die USA bislang eine wichtige Rolle im weltweiten Handel mit Haifischflossen. Die Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten (National Oceanic and Atmospheric Administration/NOAA) erfasste 2016 den Import von etwa 60 Tonnen Haiflossen.
Jedoch stellte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bereits 2015 fest, dass NOAA-Statistiken „die tatsächliche Menge der Haifischflossen-Importe erheblich unterschätzen“. Zum einen gab es keine ausreichenden Ein- und Ausfuhrkontrollen. Zum anderen erfasste NOAA, laut Shark Stewards aus Berkeley (Kalifornien), nur getrocknete und keine frisch abgeschnittenen oder eisgekühlte Haifischflossen. Gleichzeitig waren die USA allerdings ein bedeutender Exporteur.

Handelsdaten aus den Jahren 2005 bis 2014 zeigen, dass in diesem Zeitraum 1.060 Tonnen Haifischflossen nach China verkauft wurden. Nach Hongkong gingen 16.659 Tonnen. Foto: Nancy Boucha, www.scubasystems.org 2005/Marine Photobank
Fidschi
Die Regierung von Fidschi setzt sich lokal und global aktiv für die Erhaltung und das Management von Haien und Rochen ein. Zu den Maßnahmen zählt auch ein Import- und Exportverbot für Haifischflossen, welches der pazifische Inselstaat 2019 einführte.
Haifischflossen – Handelsbeschränkungen
Im November 2022 beschloss die 19. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) Handelsbeschränkungen für 54 Arten Requiemhaie, sechs Hammerhai-Arten sowie für über 30 Geigenrochen-Arten beschlossen.
CITES stufte sie in Anhang II ein. Dies hat zur Folge, dass der Handel mit Hai- oder Rochenprodukten (Fleisch, Knorpel, Flossen) unter die Kontrolle nationaler Artenschutzbehörden und des Zolls fällt. Davon betroffen ist neben der gezielten Haifischerei besonders der lukrative Verkauf von Haifischflossen.
Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.
Titelfoto: istock.com/lonelytravel
Was können Sie tun?
Verzichten Sie – auch im Urlaub – auf den Verzehr von Haiprodukten. Achten Sie dabei auf als Kalbsfisch, Seestör oder Schillerlocke „getarnte“ Haiprodukte.
Citizen Science – Bürgerforscher:
Mithilfe der sozialen Medien wollen Haiforscher mehr über Haie und Rochen im Mittelmeer herausfinden, um eine umfassende Datenbank über die Arten zu erstellen. Dafür wurde das MECO Project gegründet (Mediterranean Elasmobranch Citizen Observations): Denn je mehr wir wissen, umso besser können wir Arten schützen!
Die öffentliche Facebook-Gruppe heißt: Hai-Sichtungen Mittelmeer/Sharks of the Mediterranean. Dort können Sie Ihre Sichtungen melden … und staunen, welche Arten schon entdeckt wurden!
Bildspenden:
Sie haben einen Hai gesehen? Wir freuen uns immer über Bildmaterial (Foto, Video), denn: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!
Sterben die Haie, stirbt das Meer!

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