Deutschland ist beim Meeresschutz nicht auf Kurs. Das 30-×-30-Ziel1 der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) liegt in weiter Ferne. Ohne Konzept und quälend langsam geschieht meist nur das, was sich aufgrund von europäischen Vertragsvereinbarungen nicht länger hinauszögern lässt. Fischereifreie Zonen (No-Take) oder von jeglicher Nutzung ausgenommene Gebiete in Nord- und Ostsee muss man in unseren Küstenmeeren (12-Meilen-Zonen mit ca. 24.000 km2) oder der angrenzenden Ausschließlichen Wirtschaftszonen (Internationale Gewässer bis zur 200-Seemeilen-Grenze mit ca. 33.000 km2) mit der Lupe suchen. Eine Meereswende ist nicht in Sicht!
- Seit 2025 ist die zerstörerische Grundschleppnetzfischerei auf rund zwei Drittel (66 %) der Fläche der Ostsee-Schutzgebiete Fehmarnbelt, Kadetrinne, Pommersche Bucht – Rönnebank (mit den Riffen des Adlergrundes und der Rönnebank sowie der Sandbank Oderbank) verboten.
- Im November 2022 treten erstmals halbherzige Fischereiverbote für die Stellnetzfischerei zum Schutz der Ostsee-Schweinswale in Kraft.
- Seit Februar 2023 gelten zaghafte Verbote für die Grundschleppnetz- und die Stellnetzfischerei in einigen Meeresschutzgebieten in der Nordsee.
- Im August 2013 vereinbarten der damalige schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck und Fischereiverbände zum Schutz der Ostsee-Schweinswale temporäre freiwillige Netzkürzungen. Obwohl die Vereinbarung wirkungslos ist, verlängerte man sie im Oktober 2022 um weitere vier Jahre.
Das Comeback der Schweinswale: Fallbeispiel Stellnetzverbot vor Kalifornien
Deutsche Meeresschutzgebiete sind Papiertiger
Mit der Amrumbank, einer 50 km² großen Sandbank im Naturschutzgebiet Sylter Außenriff, gibt es seit 2023 eine erste, tatsächlich fischereifreie Zone in der deutschen Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee. Damit sind gerade einmal 0,63 Prozent von 7.920 km², die die deutschen AWZ-Schutzgebiete in der Nordsee umfassen, als fischereifrei ausgewiesen. Im seit 40 Jahren bestehenden Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sind im Bereich des Küstenmeers (12-Meilen-Zone) lediglich 3 Prozent als nutzungsfreies Gebiet ausgewiesen.
Grundsätzlich schon. In Deutschland sind wir nah dran. Wir sind allerdings miserabel darin, den Schutz auch gut umzusetzen. Der Nationalpark Wattenmeer zum Beispiel ist einzigartig auf der Welt. Aber dort wird legal in der Kernzone Fischerei mit Grundschleppnetzen betrieben.
Prof. Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums auf die Frage, ob es gelingen kann, dass 30 Prozent der Erdoberfläche bis 2030 unter Schutz stehen (30×30-Ziel des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt); Quelle: Evonik ELEMENTS, 1/2024
Wie schon bei den ersten Maßnahmen zum Schutz des Ostsee-Schweinswals 2022 bedurfte es gehörigen Drucks aus Brüssel, damit Deutschland auch in der Nordsee tätig wurde (Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2.262/2014, Klage vor dem Europäischen Gerichtshof EU-Komm 2021).
Wenn Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundesfischereiminister Cem Özdemir die bis 2023 getroffenen Maßnahmen „sehr begrüßen“ (Lemke) und „als guten Kompromiss zwischen einem besseren Meeresnaturschutz und den Anliegen der [Fischerei]Branche“ (Özdemir) bezeichnen, zeigt dies, wie niedrig die Messlatte liegt. Immerhin waren es die ersten Fortschritte nach 20 Jahren Stillstand. Besser als nichts. Aber nur wenig weit davon entfernt.
Intensive Grundschleppnetzfischerei in deutschen Meeresschutzgebieten
Das ungefähre Ausmaß des Fischereiaufwands der bodenberührenden Fischerei in deutschen Meeresschutzgebieten zeigte 2020 eine Analyse von Satelliten-Tracking-Daten von Fischerbooten über Global Fishing Watch.
Der Schwerpunkt der Analyse lag dabei auf europäischen Natura-2000-Gebieten. Demnach gehörten fünf deutsche Meeresschutzgebiete in der AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone) und im Küstenmeer (12-Meilen-Zone) zu den Top 10 der am stärksten in der EU mit Grundschleppnetzen befischten Gebieten. Auf Platz eins lag dabei ausgerechnet der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer mit über 730.000 Stunden! Platz zwei ging an das übrige Wattenmeer und angrenzende Küstengebiete (über 576.000 Stunden). Auf dem dritten Platz landete schließlich das Schutzgebiet Sylter Außenriff, mit über 318.000 Stunden Befischung durch Grundschleppnetze.
Unsere Forderungen für eine Meereswende
Meerespolitik 2025 – Eine Zukunft für Meer und Mensch
- Für den effektiven Schutz aller Meeresschutzgebiete in den deutschen Meeren braucht es ein vollumfängliches und adaptives Management, wobei mindestens 50 Prozent der Schutzgebietsflächen aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen werden müssen.
- Zudem muss in natürlichen, sedimentären und biologischen Habitaten mit hoher Kohlenstoffspeicherfähigkeit die bodenberührende Schleppnetzfischerei (Grundschleppnetzfischerei) konsequent ausgeschlossen werden. Es braucht darüber hinaus eine flächendeckende Umstellung auf nachhaltige Fischereimethoden, um intakte natürliche Kohlenstoffsenken und damit einen dauerhaften Beitrag zum Klimaschutz zu gewährleisten.
Diese und weitere Voraussetzungen für eine tatsächliche Meereswende in Deutschland stammen aus dem Forderungspapier „Meerespolitik 2025 – Eine Zukunft für Meer und Mensch“.
Wir haben es gemeinsam mit den Umwelt- und Entwicklungsorganisationen BUND, DEEPWAVE, Deutsche Umwelthilfe, DNR, Environmental Justice Foundation, fair oceans, Forum Umwelt und Entwicklung, Greenpeace, NABU, WDC und WWF formuliert.
Mit Blick auf die anstehenden Bundestagswahlen im Februar fordern wir gemeinsam von der nächsten Bundesregierung, politische Entscheidungen konsequent auf den Schutz von Meeresökosystemen auszurichten. Diese müssen geschützt und ihre Funktionen erhalten werden.
Blue Manifesto – Der Fahrplan für gesunde Meere im Jahr 2030
Während der Ocean Week 2024 (30.09. – 04.10.) stellten die unter dem Dach von Seas At Risk organisierten „blauen NGOs“, darunter auch wir, in Brüssel mit zwölf Veranstaltungen im EU-Parlament das „Blue Manifesto“ vor. Es fordert einen „Ocean Deal“ als Pendant zum „European Green Deal“.
Der „Ocean Deal“ führt auf einer Zeitachse konkrete Maßnahmen auf, die die EU-Kommission bis 2029 umsetzen muss. Damit ließe sich bis 2030 ein effektiver Schutz unserer Meere und der Biodiversität sicherstellen.
Lösungswege für gesunde Meere im Jahr 2030 aus dem Blue Manifesto:
- Verbot zerstörerischer Fangmethoden wie der Grundschleppnetzfischerei in allen Meeresschutzgebieten und der Tiefsee.
- Effektiver Schutz von 30 Prozent der Meeresgebiete (30-×-30-Ziel).
- Neuregelung der Fangquotenfestsetzung mit Berücksichtigung ökosystemarer Kriterien.
- Verbot des Tiefseebergbaus.
- Neue Rechtsvorschriften für den internationalen Handel mit Haifischflossen.
- Neue Regeln zur Vermeidung von Meeresverschmutzung.
- Der Ausbau erneuerbarer Energien darf nicht auf Kosten des Meeresschutzes erfolgen.
- Einführung nachhaltiger Bewirtschaftung von hochpreisigen Speisefischen wie Thunfischen, Kabeljau oder von Hochseehaien.
Unsere Meere sind in einem fragilen Zustand. Notwendig sind entschlossenes Handeln und politischer Wille, sowohl innerhalb von Deutschland als auch aus Deutschland heraus. Gesunde Meere sind unverzichtbar!
Fischerei-Einschränkungen in deutschen Meeresschutzgebieten
Nordsee
Seit Februar 2023 gelten neue Fischereibewirtschaftungsmaßnahmen für Teile der drei deutschen Natura-2000-Meeresschutzgebiete (NSG) in der AWZ. Die Maßnahmen fußen auf gemeinsamen Vorschlägen des Bundesumweltministeriums (BMUV) und des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL), abgestimmt mit der EU und Nordsee-Anrainerstaaten. Auf Teilflächen sind in den NSGs Sylter Außenriff – Östliche Deutsche Bucht, Borkum-Riffgrund sowie Doggerbank bestimmte Fischereitechniken für die Berufsfischerei verboten oder zeitlich beschränkt.
NSG Borkum Riffgrund
Das NSG Borkum Riffgrund (625 km²) wird vollständig für die klimaschädliche und artenvernichtende Fischerei mit Grundschleppnetzen (bodenberührende Fischerei) gesperrt. Der Schritt dürfte nicht schwergefallen sein. Denn das NSG wird kaum mit bodenberührend befischt. Gerade mal 0,1 Prozent des Fischereiaufwands mit Grundschleppnetzen in der deutschen AWZ fanden hier statt.
Es bestehen Einschränkungen des zulässigen Fischereiaufwands mit Stellnetzen.
NSG Sylter Außenriff – Östliche Deutsche Bucht

Im NSG Sylter Außenriff – Östliche Deutsche Bucht (5.603 km2) ist die Sandbank Amrumbank für bodenberührende Fischerei komplett gesperrt. Sie umfasst allerdings lediglich 50 km². Das ist knapp über ein Prozent des NSG. Hier befindet sich ein Reproduktions- und Aufzuchtgebiet für Nordsee-Schweinswale. Außerdem dient die Amrumbank vielen Seevogelarten als Nahrungs-, Überwinterungs-, Mauser-, Durchzugs- und Rastgebiet.
Im dortigen Vogelschutzgebiet (3.140 km²) gilt ein ganzjähriges Stellnetzverbot. Zusätzlich gibt es auf der restlichen Fläche ein Stellnetzverbot von März bis Oktober während der Fortpflanzungszeit der Nordsee-Schweinswale.
Weiterhin sind ab dem 8. März 2023 einige kaum mit Grundschleppnetzen befischte Gebiete geschlossen. Etwa 62 % des NSG bleiben ungeschützt.
NSG Doggerbank
Im NSG Doggerbank (1.692 km2), gleichfalls ein wichtiger Rückzugs- und Lebensraum für Nordsee-Schweinswale und andere Meeressäuger wie Zwergwale, gibt es weiterhin keine Einschränkungen für die Grundschleppnetzfischerei. Hier wird lediglich der zulässige Fischereiaufwand mit Stellnetzen begrenzt.
Wie man eine Meereswende anpackt, zeigte Großbritannien. Die Briten sperrten Mitte 2022 ihr NSG Doggerbank (ca. 12.000 km2) für Grundschleppnetzfischer. Diesen Schritt vollzogen sie zusätzlich in drei weiteren Meeresschutzgebieten.
Ostsee
Stellnetzfischerei
Verluste durch die Stellnetzfischerei sind eine der Hauptursachen für Bestandsverluste bei Schweinswalen und anderen Mesoprädatoren und Prädatoren. Denn die Fischer bringen die Netze vornehmlich in flacheren Küstengewässern, mitten im Lebensraum der Tiere, aus. Besonders Schweinswalen fällt es schwer, die feinen Nylonfäden mit ihrem Biosonar rechtzeitig zu orten. Viele verheddern sich in der Folge und ertrinken.

Grundstellnetze werden am Boden befestigt. Pelagische Stellnetze hängen in der Wassersäule unter der Wasseroberfläche und sind mit Bodengewichten fixiert. Durch individuelle Markierungsbojen lassen sie sich ihrem Eigentümer zuordnen. Im Gegensatz zur Grundschleppnetzfischerei schädigt die Stellnetzfischerei den Meeresboden kaum und hat niedrigere Beifangraten.
Freiwillige Vereinbarung über temporäre Netzkürzungen zum Schutz von Schweinswalen und tauchenden Meeresenten
Im August 2013 vereinbarte der damalige schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck mit Fischereiverbänden eine Vereinbarung über freiwillige Netzkürzungen zu bestimmten Zeiten zum Schutz von Ostsee-Schweinswalen und tauchenden Meeresenten.

Schnell zeigte sich, dass sie nicht funktionierte. Von 2014 bis 2020 gab es unverändert viele Schweinswal-Totfunde in Schleswig-Holstein. Durchschnittlich waren es etwa 120 Tiere pro Jahr. Trotzdem verlängerte die Landesregierung die freiwillige Vereinbarung im Oktober 2022 um weitere vier Jahre.
Beschränkungen der Stellnetzfischerei zum Schutz der Schweinswale
Nach Jahrzehnten des Stillstands beim Schutz der Schweinswale verdonnerte die EU-Kommission die Ostsee-Anrainerstaaten Ende Februar 2022 mit der Verordnung 2022/303 zu Gebietsschließungen für die Stellnetzfischerei in Meeresschutzgebieten. Damit sollen die kleinen Meeressäuger vor dem Beifangtod in Stellnetzen geschützt und ihr Aussterben in der Ostsee verhindert werden.
Die Kommission stützte sich dabei zunächst auf Forderungen des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES). Nur um dann gleich wieder Abstand zu nehmen von einer wirksamen Meereswende. Denn mit Rücksicht auf Fischereien der Ostsee-Anrainer kürzte man das Verbot für deutsche NSGs und Natura-2000-Gebiete auf drei Monate. Es gilt nur vom 1. November bis zum 31. Januar. Gleichzeitig reduzierte die Kommission die vom Stellnetzverbot betroffenen Gebiete in Schweden, Dänemark, Polen und Deutschland.
„Das ist Symbolpolitik. Der Verbotszeitraum ist zu kurz und entspricht für die meisten Gebiete nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung. Das drohende Aussterben der Schweinswale in der zentralen Ostsee wird man damit nicht aufhalten können“, sagt Ulrich Karlowski, Biologe bei der Deutschen Stiftung Meeresschutz. ICES hatte für deutsche Meeresschutzgebiete Gebietsschließungen für die Stellnetzfischerei bis zum 30. April empfohlen.
Einschränkungen für die Grundschleppnetzfischerei
In der Ostsee ist ab 2025 die Grundschleppnetzfischerei in Teilen der Naturschutzgebiete (NSG) Fehmarnbelt, Kadetrinne, Pommersche Bucht – Rönnebank (mit den Riffen des Adlergrundes und der Rönnebank sowie der Sandbank Oderbank) verboten. Das entspricht laut Angaben des BMUV rund zwei Drittel (66 %) der bestehenden Schutzgebietsflächen und 27 % der deutschen AWZ in der Ostsee. Andere Fischereimethoden sind dort allerdings weiterhin erlaubt, es sei denn, sie fallen unter die seit November 2022 geltenden Einschränkungen für Stellnetzfischer.
Deutschland hatte sich zu dieser Maßnahme basierend auf verschiedenen EU-Richtlinien verpflichtet (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, EU-Vogelschutzrichtlinie, Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, Gemeinsame Fischereipolitik der EU). Die Auswirkungen der neuen Verbote sind jedoch gering. Zum einen bestehen in der westlichen Ostsee bereits weitgehende Fangverbote für finanziell attraktive Arten wie Dorsch und Hering. Zum anderen lohnt sich Grundschleppnetzfischerei in weiten Teilen der Ostsee wegen der vielen Todeszonen und Sauerstoffminimum-Zonen nicht mehr.
In allen anderen Gebieten der AWZ und in weiten Gebieten des Küstenmeers (12-Meilen-Zone) der Ostsee bleibt die Grundschleppnetzfischerei weiterhin erlaubt. Allerdings ist nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums von Schleswig-Holstein der Einsatz von Grundschleppnetzen gemäß Küstenfischereiverordnung innerhalb von drei Seemeilen in den Küstengewässern der 12-Meilen-Zone verboten.
„Wir dürfen es nicht länger tolerieren, dass diese extrem klimaschädliche und die marine Biodiversität vernichtende Fischereimethode weiter in der Nord- und Ostsee praktiziert werden darf“, fordert Ulrich Karlowski. Die Deutsche Stiftung Meeresschutz setzt sich als Partner des europäischen Bündnisses Seas At Risk für ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei in europäischen Gewässern ein.
Meeresschutz in Trippelschritten: Bereits seit 2004 sind die AWZ-Naturschutzgebiete in der Ostsee als Teil des europäischen Natura 2000 Schutzgebietsnetzwerks ausgewiesen. 2007 wurden sie durch die EU-Kommission anerkannt. Doch es vergingen 10 Jahre, bis Deutschland sie 2017 als unter Schutz stellte. Weitere sieben Jahre gingen ins Land, bis die deutschen Behörden 2024 erste Verbote für diese katastrophale Fischereimethode in Kraft setzten.
Fallbeispiel Stellnetzverbot vor Kalifornien
In den 1930er-Jahren begannen Fischer in Zentralkalifornien, mit Stellnetzen Weißen Seebarsch (Cynoscion nobilis) und Kalifornischen Heilbutt (Paralichthys californicus) zu fangen. Wie sich diese Fischerei auf Meeressäuger und Seevögel oder andere Meerestiere auswirkte, blieb bis in die 1980er-Jahre unerforscht. Erst 1986 begann man mit einem Monitoring von Schweinswalen. Aufgrund der erhobenen Daten schätzen kalifornische Forscher, dass seit den 1980er-Jahren durchschnittlich 300 Schweinswale im Jahr als Beifang starben.
Dass sich die geschwächte marine Biodiversität jedoch vom Raubbau der Fischer regenerieren kann, zeigt sich immer dann, wenn wesentliche Fischereitechniken verboten wurden oder nach der Umstellung auf nachhaltige Fangmethoden. Selbst anspruchsvolle Arten, die in höheren Ebenen der Nahrungsnetze agieren, wie der Schweinswal, überraschen mit erstaunlichen Bestandszuwächsen.
Eine dieser Erfolgsgeschichten spielt vor der Küste des US-Bundesstaates Kalifornien. Seit einem Verbot der Stellnetzfischerei leben wieder sehr viel mehr Schweinswale vor Kalifornien. Dies berichten Wissenschaftler der US-Klima- und Ozeanbehörde NOAA, Fisheries West Coast Region, in der Fachzeitschrift Marine Mammal Science2. Den schnellsten und zahlenmäßig stärksten Zuwachs um rund das Siebenfache verzeichnete dabei die Population in der Morro Bay: von rund 570 Tieren im Jahr 1991 auf 4.200 Exemplare im Jahr 2017.
Seit 2001 ist die Stellnetzfischerei in einem zwischen Monterey und Santa Barbara liegenden Gebiet größtenteils verboten. „Wir wussten nicht wirklich, wie stark die Population der Morro Bay damals von der Stellnetzfischerei auf Seebarsch und Heilbutt betroffen war“, erklärt Karin Forney, Forschungsbiologin beim NOAA Fisheries, Southwest Fisheries Science Center in Monterey Bay. „Jetzt zeigt sich deutlich, dass es sehr viel mehr Beifangopfer gab, als wir dachten.“
Vier kalifornische Populationen
Erst 2001 erkannte man, dass es sich bei den Schweinswalen an der kalifornischen Pazifikküste nicht um eine, sondern um vier unterschiedliche Populationen handelt. Die größte mit rund 12.160 Tieren lebt vor Nordkalifornien/Südoregon. Über sie weiß man noch recht wenig. Die anderen drei kommen in der Bucht von Monterey, vor San Francisco/Russian River und in den Gewässern von Nordkalifornien/Südoregon vor. Sie haben seit dem Stellnetzverbot zahlenmäßig ordentlich zugelegt und gelten inzwischen als stabil.
Das Comeback

Vor San Francisco/Russian River sind Stellnetze bereits 1987 verboten, in Monterey Bay seit 2003. Anschließend verzeichneten beide Populationen bis 2017 starke Bestandszuwächse (7.777 Tiere bei San Francisco und 3.760 in der Monterey Bay).
Forscher beobachteten zudem, dass seit 2009 regelmäßig Hunderte Schweinswale wieder in die Bucht von San Francisco kommen (siehe Foto). Man nimmt an, dass auch eine verbesserte Wasserqualität dazu beiträgt sowie die Entfernung eines U-Boot-Abwehrnetzes, das die Golden-Gate-Meerenge schützte.
Es ist das erste Mal, dass ein Comeback der Art dokumentiert wurde. „Das zeigt sehr deutlich, dass sich Meeressäugerbestände hervorragend erholen können, wenn wir den Beifangtod in Fischernetzen verhindern“, erklärt Forney. Doch die Bestandserholung dauert Jahre oder gar Jahrzehnte, was zeige, wie wichtig Langzeitmonitoring ist.
- Ende 2022 hatten die 196 Vertragsstaaten der CBD sich auf das 30-×-30-Ziel verständigt, um die Biodiversitätskrise und den Verlust von Ökosystemen aufzuhalten. Auch Deutschland stimmte dem damals zu. 30-×-30 bedeutet, dass 30 Prozent der Land- und 30 Prozent der Meeresflächen bis 2030 unter Schutz stehen. ↩︎
- Forney KA, Moore JE, Barlow J, Carretta JV, Benson SR. A multidecadal Bayesian trend analysis of harbor porpoise (Phocoena phocoena) populations off California relative to past fishery bycatch. Mar Mam Sci. 2020;1–15. https://doi.org/10.1111/mms.12764 ↩︎
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
Titelfoto: © Krzysztof E. Skora