„Die Europäische Union muss beim Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme vor der industriellen Fischerei mit gutem Beispiel vorangehen.“ Das fordern 33 europäische Meeresschutzorganisationen in einem heute veröffentlichten offenen Brief an die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, und den Kommissar für Fischerei und Ozeane, Costas Kadis. Hintergrund ist der Versuch der spanischen Fischereiindustrie, das von der EU verhängte Verbot für bodenberührende Tiefseefischerei in 87 vulnerablen marinen Ökosystemen (Vulnerable Marine Ecosystems/VMEs) aufzuheben.
In einem offenen Brief fordern wir als eine von 33 europäischen Meeresschutzorganisationen den besseren Schutz gefährdeter EU-Tiefseeökosysteme (VMEs) vor der Zerstörung durch die industrielle Tiefseefischerei.
Kernaussagen
- 33 Meeresschutzorganisationen fordern besseren Schutz von Tiefseeökosystemen vor industrieller Tiefseefischerei.
- Die spanische Fischereiindustrie versucht, das EU-Verbot für bodenberührende Tiefseefischerei in 87 vulnerablen marinen Ökosystemen aufzuheben.
- Vulnerable marine Ökosysteme sind artenreiche Lebensräume, die nicht befischbar sind und lange Regenerationszeiten benötigen.
- Das EU-Verbot schützt seit September 2022 diese Ökosysteme vor Zerstörung durch Tiefseefischerei.
- Die Wiedereröffnung könnte irreversible Schäden und einen Verlust der Glaubwürdigkeit der EU beim Meeresschutz nach sich ziehen.
Tiefseefischerei in vulnerablen marinen Ökosystemen (VMEs)
Die spanische Fischereiindustrie ging bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH), um das EU-Verbot für die bodenberührende Tiefseefischerei in 87 vulnerablen marinen Ökosystemen aufzuheben. Angeblich habe man wirtschaftliche Einbußen erlitten. Belastbare Nachweise dafür wurden jedoch nicht vorgelegt.1

In seinem Urteil vom 11. Juni 2025 bestätigte der Europäische Gerichtshof unmissverständlich die Rechtmäßigkeit der Fischereiverbote.2
Dennoch erhalten die spanischen Fischer Unterstützung von EU-Parlamentariern aus Spanien, Portugal, Frankreich und den Niederlanden, die das EuGH-Urteil ignorieren.
Vulnerable marine Ökosysteme sind Biodiversitäts-Hotspots
Im Visier haben die Fischer 87 artenreiche Tiefsee-Lebensräume in EU-Gewässern (Seeberge, Kaltwasser-Korallenriffe, Schwammriffe), sogenannte VMEs (Vulnerable Marine Ecosystems oder vulnerable marine Ökosysteme).
Die Gebiete sind seit September 2022 durch die EU-Verordnung (EU 2016/2336) für die Tiefseefischerei gesperrt. Wissenschaftler und Meeresschützer halten VMEs für nicht befischbar, da sie fischereilicher Nutzung nicht lange standhalten und viele tausend Jahre benötigen, um sich zu regenerieren.

© JAGO-Team GEOMAR (CC BY 4.0)
„Die betroffenen vulnerablen marinen Ökosysteme gehören zu den empfindlichsten und am wenigsten widerstandsfähigen Lebensräumen der Erde. Die Wiedereröffnung der VMEs für die Tiefseefischerei unter dem Druck der Fischereiindustrie würde irreparable Schäden riskieren und die Glaubwürdigkeit der EU beim Schutz der Ozeane unterminieren“, sagt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
So ist der Beifang von Tiefseehaien, die in den VMEs leben und auf sie zur Fortpflanzung angewiesen sind, bei der Tiefsee-Langleinenfischerei um den Faktor 6 höher als bei Schleppnetzen.
EU-Verbot für Tiefseefischerei in vulnerablen marinen Ökosystemen (VMEs)
Die EU-Verordnung (EU) 2016/23363 gilt als Meilenstein für den Schutz von vulnerablen marinen Ökosystemen (VMEs). Denn durch sie ist seit September 2022 die bodenberührende Tiefsee-Fischerei (Schleppnetze, Langleinen, Stellnetze, Reusen und Fallen) in 87 VMEs in EU-Gewässern ab 400 m Tiefe verboten.
Die betroffenen Tiefseeökosysteme befinden sich in der Nähe der Atlantikküsten Frankreichs, Irlands, Portugals und Spaniens. Insgesamt umfassen sie jedoch nur 16.419 km2 oder gerade einmal 1,16 Prozent der EU-Gewässer im Nordostatlantik.
Die Schließungen der VMEs für die Tiefseefischerei beruhen auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES).4

- Vulnerable Marine Ecosystems (VMEs), Socio-economic impact assessment (STECF-24-09) ↩︎
- Am 11. Juni 2025 bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechtmäßigkeit der EU-Verordnung (EU) 2016/2336 zur Schließung von besonders empfindlichen Meeresökosystemen (VMEs/Vulnerable Marine Ecosystems). ↩︎
- Verordnung (EU) 2016/2336 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 mit besonderen Auflagen für die Befischung von Tiefseebeständen im Nordostatlantik und Vorschriften für den Fischfang in internationalen Gewässern des Nordostatlantiks und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2347/2002 des Rates ↩︎
- Vulnerable Marine Ecosystems (VMEs). ICES, Copenhagen, Denmark ↩︎
Weiterführende Informationen
- VME Datenbank der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations)
- Initiative für ein Meeresschutzgebiet vor Stoupa auf dem Peloponnes
- Viel heiße Luft auf der UN-Ozeankonferenz UNOC-3 in Nizza
- Welttag der Ozeane
- BBNJ-Abkommen zum Schutz der Hohen See
- Meeresschutzgebiete, Rettungsinseln für die Artenvielfalt im Ozean
- Die Doggerbank soll weniger leiden
- Problemzone industrielle Fischerei
- Schwarze Degenfische
- Die Tiefsee

