„Schwarze Tage für das Leben in den Meeren“, so nennt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz die Schiffstaufen der neuen deutschen Supertrawler „Jan Maria“ am 5. April in Bremerhaven und „Berlin“ am 24. Mai 2024 in Cuxhaven. Supertrawler sind Fischereimonster. Sie plündern die Meere in unvorstellbarem Ausmaß. Sie sind die Speerspitze internationaler Fischerei-Großkonzerne und stehen für die größtmögliche Ausbeutung und Vernichtung von Fischbeständen. Da beide Supertrawler auch mit Grundschleppnetzen fischen können, tragen sie durch die mit dieser Fischereimethode einhergehenden erheblichen CO₂-Emissionen außerdem zur Klimakrise bei.
Mit ihren bis zu 600 m langen und 200 m breiten Schleppnetzen ziehen Supertrawler nicht nur jeden Tag zig Tonnen Fisch an Bord. Sie vernichten auch alles, was sonst noch so in die Netze gerät: Robben, Delfine, Schweinswale oder Nicht-Zielfischarten wie Haie und Rochen. Doch all das ist in der EU legal.
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Titelfoto (Symbolbild): Die Margiris ist mit 143 m Länge der zweitgrößte Supertrawler. © Blue Planet Society
Schiffe aus der Hölle
Die neuen deutschen Supertrawler
Jan Maria
Jan Maria ist über 88 m lang und 18,30 m breit. Sie wurde in einer türkischen Werft gebaut. Anfang Februar kam sie nach Bremerhaven. Das Fabrikschiff gehört der Nordbank Hochseefischerei GmbH aus Sassnitz. Diese ist wiederum eine Tochtergesellschaft der Doggerbank Seefischerei mit Sitz in Bremerhaven. Beide Firmen gehören dem niederländischen Fischerei-Großkonzern Parlevliet & van der Plas.
Jan Maria ersetzt die in Rostock beheimatete 81 m lange Gerda Maria. Sie wird mit einer Höchstgeschwindigkeit von 15 Knoten und bis zu 43 Seeleuten an Bord im Nordatlantik mit Grundschleppnetzen hauptsächlich nach Kabeljau, Seelachs und Garnelen fischen. Die Höchstfangmenge der in der türkischen Tersan-Werft gebauten Jan Maria liegt nach Angaben von Weser-Maritime-News bei täglich 100 Tonnen. Der Fang kann direkt an Bord filetiert und in einer vollautomatischen Kühlanlage eingefroren werden.
Berlin
Die Berlin ist der neueste deutsche Supertrawler. Sie wurde in Rumänien und Norwegen gebaut. Der 84 m lange und 17 m breite und über 50 Millionen Euro teure Supertrawler gehört der Reederei Deutsche Fisch-Fang Union (DFFU) aus Cuxhaven. Die DFFU ist ein Tochterunternehmen der Alda Seafood Holding B.V. aus den Niederlanden. Diese ist eng mit dem isländischen Fischereiunternehmen Samherji Ltd. verbunden.
Schon einmal besaß die DFFU einen Berlin genannten Trawler. Nach nur vier Jahren im Einsatz wurde das Schiff 2021 nach Russland verkauft, wo es unter dem Namen „Kapitan Bulatov“ registriert ist. Offenbar war ein Konflikt um Fischfangquoten zwischen der EU und Norwegen für den überraschenden Verkauf der alten Berlin ausschlaggebend.
Die neue Berlin (NC 107) ist wie Jan Maria eine Hightech-Fischfabrik. Sie verfügt über modernste, vollautomatische Kapazitäten zur Weiterverarbeitung des Fangs an Bord.
Beifangopfer Delfine
Delfinschützerin Thea Taylor, Koordinatorin für Forschung und Sichtungen beim Sussex Dolphin Project bereiten die hohen Beifangraten der Supertrawler große Sorgen: „Sie fahren so schnell, dass sie das gesamte Meeresleben im Bereich ihres Schleppnetzes zerstören. Und dann werfen sie ihren unerwünschten Beifang, der an einem Tag Hunderte Tonnen betragen kann, über Bord. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Anzahl der an unseren Stränden tot aufgefundenen Delfine drastisch zunimmt, wenn Supertrawler in der Nähe sind.“
Fischereikrieg um Fischereirechte
2021 stritten britische und französische Fischer mehrere Monate lang erbittert um Fischereirechte in britischen Gewässern. Britische Fischer protestierten mit ihren Kuttern in der Themse, während um ihre Lebensgrundlage fürchtende französische Fischer Ende November vorübergehend die Zufahrt zu drei französischen Häfen blockierten. Denn Großbritannien erteilte von 175 für französische Fischer zum Fischen in britischen Gewässern beantragten Lizenzen anfangs nur 100.
Insbesondere die britische Kanalinsel Jersey verweigerte sich französischen Fischern. Bereits im Mai 2021 war der Streit um Fischereirechte kurzzeitig eskaliert. Französische Fischer drohten mit einer Hafen-Blockade von Saint Helier auf Jersey. Daraufhin entsandten die Briten Kriegsschiffe in das Gebiet. Was Frankreich mit entsprechender Marine-Präsenz beantwortete.
Schon 2020 hatte das kleine Jersey französische Fischer auf die Palme gebracht. Damals verhängte man ein Fangverbot für Rote Thunfische ab 2021. Diese Entscheidung fand zwar bei lokalen Fischern auch nur wenig Beifall. Doch zielte sie auf Fischer aus Frankreich.
Beide Länder tauschten giftige diplomatische Noten aus. Paris drohte sogar mit der Einleitung eines EU-Rechtsverfahrens gegen Großbritannien. Am 11. Dezember 2021 schließlich verkündete die EU-Kommission einen vorläufigen Durchbruch. Französische Fischer bekamen 23 zusätzliche Fischereilizenzen zugesprochen.
Doch das emotional aufgeladene Geschacher um ein paar Lizenzen rund um die englischen Kanalinseln zielt am eigentlichen Problem vorbei. Denn Profiteure derartiger Auseinandersetzungen sind Fischerei-Großkonzerne, vornehmlich aus den Niederlanden. Denn sie dürfen weitgehend ungestört mit ihren Supertrawlern britische Gewässer leer fischen. Dabei sterben unzählige Meerestiere als Beifang.
EU-Supertrawler gegen britische Küstenfischer
„Supertrawler vernichten die Artenvielfalt der Meere. Sie zerstören weltweit kleine Küstenfischereien. Die EU-Kommission beruft sich immer wieder auf ihre nachhaltige Fischereipolitik. Schlussendlich jedoch geht es der Kommission um die Durchsetzung von Interessen der Industriefischerei. Auf der Strecke bleiben die Menschen und die Natur“, sagt Karlowski.
Anfang Dezember 2021 tauchte vor Brighton im Ärmelkanal eine Armada aus acht Supertrawlern auf. Darunter der 94 m lange Fabriktrawler Dirk Dirk. Unter den Fischereimonstern befanden sich noch die in den Niederlanden registrierte Scombrus (81 m), die Fabrikschiffe Afrika (126 m) und Alida (100 m) sowie die 119 m lange Frank Bonefaas, einziger Supertrawler der britischen Fischereiflotte. Ergänzt wurde die Flotte vom deutschen Supertrawler Maartje Theadora (140 m).
Vor acht Jahren verdonnerte ein Gericht in Cherbourg die Betreiber der Maartje Theadora, die Westbank Hochseefischerei GmbH aus Sassnitz, zu einer Geldstrafe von 580.000 €: wegen Verstößen gegen das französische Fischereirecht. Die Westbank Hochseefischerei GmbH wiederum ist eine Tochterfirma des niederländischen Fischerei-Großkonzerns Parlevliet & van der Plas, der viele der Supertrawler unter Vertrag hat.
Niederländische Piratenfischer dürfen in EU-Gewässern fischen
Unter dem zwischenzeitlichen Namen Geelong Star hatte die Dirk Dirk von 2015 bis 2016 während Fangfahrten in australischen Gewässern für erhebliche Proteste und parlamentarische Debatten gesorgt. Denn wiederholt schaltete die Besatzung des Supertrawlers das automatische Identifikationssystem (AIS) aus. Damit operierte die Geelong Star illegal als Piratenfischer. Bei ihren Fangfahrten starben auch geschützte Delfine, Robben und ein Walhai.
Als die Proteste in Australien immer stärker wurden, verließ der Fabriktrawler am 31. Oktober 2016 schließlich australische Gewässer. Anschließend flaggte man ihn in den Niederlanden um und das Schiff erhielt seinen ursprünglichen Namen zurück.
Die Dirk Dirk wechselte mehrfach Namen, Besitzer und Flaggenstaat. Hier ankert der Supertrawler im Hafen Klaksvik (Schiffsname: Naeraberg). Foto: Joost J. Bakker from IJmuiden licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license
Aus Australien verbannter Supertrawler darf in der EU fischen
Auch die Margiris, der mit 143 m Länge zweitgrößte Fabriktrawler, darf in EU-Gewässern fischen. Das erstaunt. Denn aus australischen Gewässern wurde sie bereits 2013 verbannt. Dennoch müssen britische Fischer und Behörden den Raubzügen des in Litauen registrierten Trawlers hilflos zusehen. Ihnen sind die Hände gebunden. Wie zahlreiche andere Supertrawler gehört auch die Margiris zu Parlevliet & van der Plas.
Supertrawler Margiris – Foto: Blue Planet Society
Supertrawler Frank Bonefaas – ein britisches Fischerei-Dilemma
Die 119 m lange Frank Bonefaas ist der größte Trawler der britischen Fischereiflotte. Sie allein vereint fast ein Viertel der englischen Fischereiquote auf sich! Ihren Fang jedoch landet sie nicht in Großbritannien, sondern komplett im niederländischen Hafen IJmuiden. Denn Eigentümer des Supertrawlers ist der niederländische Fischereikonzern Cornelis Vrolijk BV aus IJmuiden. Zu deren Flotte gehörten auch Trawler, die die umstrittene und seit dem 1. Juli 2021 in der EU verbotene Elektrofischerei (pulse trawling/Pulsschleppnetzfischerei) einsetzten.
Dabei legten sich die Briten dieses „dicke Ei“ auch noch selbst ins Nest. Denn erst seit August 2019 ist die Frank Bonefaas in Großbritannien registriert. Bis dahin fuhr sie unter niederländischer Flagge. Mit ihrer Weitsicht brachten Cornelis Vrolijk BV die Engländer auch für den Fall eines No-Deal-Brexits in die Zwickmühle. Deshalb wollte die britische Regierung derartige Schiffe verpflichten, entweder 70 % ihrer Fänge in britischen Häfen anzulanden oder einen Teil ihrer Quote zurückzugeben. Diese Pläne hatten sich dann mit dem Abschluss des Brexit-Handelsabkommens allerdings erledigt.
Dass den Briten das Thema Fischerei von derart großer Wichtigkeit ist, dass sie gewillt waren, darüber die Verhandlungen zum Brexit scheitern zu lassen, ist nicht verwunderlich. Denn es ist nicht nur die Frank Bonefaas, die die Gemüter erregt. Mehr als die Hälfte der englischen Fischereiquote wird von ausländischen Fischereiunternehmen kontrolliert. Meist sind das EU-Fischer. Spanische Fischereien zum Beispiel besitzen einen Großteil der Quote vom Bristolkanal bis zur schottischen Grenze. Niederländer und Isländer dominieren an der englischen Ostküste. Daher wollen die Stimmen für eine radikale Überarbeitung der Fischereipolitik aus gutem Grund nicht verstummen.
Parlevliet & van der Plas
Parlevliet & van der Plas haben nach eigenen Angaben etwa 9.000 Mitarbeiter und über 40 Fangschiffe. Zur Gruppe gehört auch die Deutsche See GmbH in Bremerhaven. Nach eigenen Angaben sei man, zusammen mit Tochtergesellschaften, das derzeit größte Fisch verarbeitende Unternehmen in Westeuropa. Weltweit gehöre man zu den Top 25. Zu den Tochtergesellschaften gehören u. a. die Doggerbank Seefischerei GmbH und GSF (German Seafrozen Fish) aus Bremerhaven sowie die Mecklenburger Hochseefischerei GmbH aus Sassnitz. Alle drei betreiben die zerstörerische Grundschleppnetzfischerei.
Der niederländische Fischereikonzern schmückt sich mit dem MSC-Siegel für mehrere Produkte, z. B. für Hering aus der Nordsee. Zudem behauptet man, den FAO-Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Fischerei zu befolgen. Nach der Greenpeace-Studie „Fischereimonster“ aus dem Jahr 2014 gab es zum damaligen Zeitpunkt weltweit 20 Supertrawler. Neben der Margiris gehören auch der größte Supertrawler, die unter polnischer Flagge fahrende 145 m lange Annelies Ilena, sowie die 116 m große Helen Mary und die 140 m große Maartje Theodora zur Flotte des niederländischen Fischerei-Großkonzerns.
Der größte Supertrawler
Der im Jahr 2000 im norwegischen Kristiansand vom Stapel gelaufene, damals noch unter irischer Flagge fahrende größte Supertrawler hieß bis zum Jahr 2007 Atlantic Dawn. Er kann bis zu 400 t Fisch am Tag fangen und verarbeiten und bis zu 7.000 gefrorenen Fisch bunkern. Auf eine ihrer ersten Fangfahrten plünderte die 145 m lange Atlantic Dawan Fischgründe vor West-Afrika. 2007 wechselte der Supertrawler seinen Besitzer und seinen Namen.
Die Irish Time berichtet, dass der jetzt in Annelies Ilena umbenannte Trawler 2013 von der irischen Fischereiaufsicht festgesetzt wurde. Die Crew hatte versucht, ihren Fang aufzuwerten, bekannt als „high grading“. Dabei bleiben nur die größten Fische an Bord. Kleine Exemplare werden als Beifang tot ins Meer zurückgeworfen. Das ist in der EU verboten. In der Folge verurteilte das Bezirksgericht in Donegal den niederländischen Kapitän der Annelies Ilena zu einer Geldstrafe von 105.000 Euro.
Bis zum heutigen Tag ist der größte Supertrawler als das „Schiff aus der Hölle“ bekannt. So hatten mauretanische Fischer das Schiff getauft, weil es ihre Fischgründe leerfischte. Callum Roberts, Ozean-Ökologe der Harvard University, bezeichnet es als ein Schiff, das niemals hätte gebaut werden dürfen. Für den britischen Umweltjournalisten Charles Clover (Blue Marine Foundation) ist die Annelies Ilena „die größte Fischtötungsmaschine, die die Welt je gesehen hat“.
Anfang Februar 2024 berichten französische Medien über Pläne der Fischereigesellschaft von Saint-Malo (Departement Ille-et-Vilaine), den größten Supertrawler für 15 Millionen € zu kaufen.
Das größte Fabrikschiff
Mit einer Länge von fast 229 Metern ist die 1980 in Japan gebaute Vladivostok 2000 um einiges größer als der größte Supertrawler und gilt als das größte jemals gebaute Fischereifahrzeug. Doch im Gegensatz zur Annelies Ilena handelt es sich um ein reines Fischverarbeitungsschiff, das selbst keine Fische fangen kann. Das oft umgeflaggte und umbenannte Fabrikschiff war gemeinsam mit anderen Fischtrawlern in zahlreiche illegale Fischereiaktivitäten verstrickt. Auf Initiative von Umweltaktivist Captain Paul Watson verlor die Vladivostok 2000 im Jahr 2018 ihre Registrierung in Belize. Seitdem fährt sie unter der Flagge von Russland und trägt den Namen Damanzaihao.
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