Die neue rechtsgerichtete niederländische Koalitionsregierung beabsichtigt, sich für eine Wiederzulassung der Elektrofischerei in der EU einzusetzen. Damit wolle man auch „obstruktiven europäischen Vorschriften“ ein Ende setzen, wie das pan-europäische Mediennetzwerk Euractiv berichtet. Das umstrittene Fischen mit Strom im Meer, die Elektrofischerei oder Pulsschleppnetzfischerei (pulse trawling), ist in der EU seit dem 1. Juli 2021 verboten. Bereits damals kam der Hauptwiderstand gegen das Verbot aus den Niederlanden.
Fischen mit Stromschlägen
Wie schon bei der Einführung der Langleinenfischerei erhoffte man sich vom Fischen mit Strom im Meer große Vorteile gegenüber gängigen Fischereimethoden, insbesondere gegenüber der zerstörerischen Grundschleppnetzfischerei. Der Meeresboden werde geschont, in gleicher Zeit könne mehr Fisch mit weniger Beifang bei geringerem Kraftstoffeinsatz gefangen werden. Klingt wie eine Win-win-Situation. War es aber in diesem Fall genauso wenig wie bei der Fischerei mit den tausenden kleinen Köderhaken an der Leine. Erneut stand eine Seite auf der Verliererseite: Zielfische und zufällig in der Nähe befindliche Meerestiere (Beifang). Elektrofischerei erwies sich als brutal. Und klimafreundlich ist sie ebenfalls nicht.
Elektrofischerei ist grausam
Bei der Pulsschleppnetzfischerei befinden sich Elektroden an den Fangnetzen, die schwebend über den Meeresboden geführt werden. Dann schaltet der Fischer den Strom ein und öffnet damit ein Tor zur Hölle. Gleichstromimpulse sollen am Meeresboden lebende Plattfische, wie Flundern, oder auch Krabben aufscheuchen und in die Netze treiben. Berichtet wurde allerdings von Tieren, die verbrennen. Innere Verletzungen und extreme Muskelkrämpfe treten auf. Bei größeren Fischen wie Kabeljau können sie so stark sein, dass ihr Rückenmark bricht.
Grafik: BLOOM
Verbot mit langer Übergangsfrist
Die Methode war von Anfang an umstritten und bereits seit 1998 in der EU verboten. Doch 2007 setzte die niederländische Fischereilobby durch, dass ausnahmsweise bis zu fünf Prozent der Fischereiflotte eines EU-Staates im südlichen Teil der Nordsee als Stromfischer zulässig sind – angeblich zu Forschungszwecken. Am 16. Januar 2018 dann sprach sich das Europaparlament nach langem Ringen für ein endgültiges Verbot mit einer langen Übergangsfrist bis zum 1. Juli 2021 aus. Seitdem ist Elektrofischerei in EU-Gewässern verboten.
Das wahre Ausmaß der Schäden sieht man nicht
Studien des Centre for Environment, Fisheries and Aquaculture Science (Cefas) des britischen Ministeriums für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums zeigen, dass Stromfischer überraschenderweise auch am Meeresboden gewaltige Schäden anrichten. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der dort lebenden Arten sterben als Beifang. Im Gegensatz zur Vernichtungsrate traditioneller Baumkurrentrawler mit stromlosen Grundschleppnetzen. Deren Todesrate liegt bei 21 Prozent.
Dabei trifft es besonders die für ein gesundes Ökosystem wichtigen benthischen Arten, die am oder im Meeresboden leben. Gleichzeitig wanderten in wachsender Zahl Aasfresser wie Schlangensterne in verstromte Fischereigründe ein. Indiz für ein sterbendes Ökosystem. Strombefischte Gebiete verwandelten sich in Unterwasserfriedhöfe.
Niederländer haben großes Interesse an der Elektrofischerei
Weil Fischen mit Strom effizienter gegenüber herkömmlichen Methoden ist, versucht die niederländische Fischereiindustrie, die Pulstrawler durchzusetzen. Denn sie besitzen die größte Fangflotte für Plattfische in Europa. Nach Angaben der EU-Kommission gab es Anfang 2019 rund 80 niederländische Fangschiffe, die mit Stromschlägen fischen konnten. Aber auch einige deutsche Kutterbesitzer rüsteten um. Weitere Stromfischer kamen aus England und Belgien. Und alle gemeinsam operierten sie in den südlichen Teilen der Nordsee.
Am stärksten gegen die Stromtöter wehren sich Frankreich, viele Umweltorganisationen, einige EU-Parlamentarier, deutsche Fischer und die Low Impact Fishers of Europe (LIFE), ein Zusammenschluss kleinerer Fischereibetriebe. Dementsprechend erwartet Euractiv aufgrund der niederländischen Initiative für die Wiedereinführung der Elektrofischerei auf europäischer Ebene Konflikte vor allem mit Frankreich und mit Belgien.
Titelfoto: Melanie Simon/pixabay
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