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Unglücksrabe Huckebein ist das in Deutschland bekannteste Opfer einer Verstrickung. Wilhelm Busch ließ den frechen Raben in seiner zwischen Oktober 1867 und September 1868 veröffentlichten Bildergeschichte einen traurigen Tod im Strickzeug sterben. Wale und größere Delfinarten verheddern sich – ähnlich wie Rabe Huckebein – dagegen in Befestigungs- und Bojenleinen von stationären Reusen. Mit oft ähnlichem Ergebnis. Wissenschaftler gehen davon, dass Verhedderung in Fischereileinen (entanglement) für Großwale mittlerweile weltweit eine der Haupttodesursachen ist. Allerdings ist die Datenlage schlecht. Lediglich für die die nordamerikanische Ostküste entlangwandernden Nordkaper existiert ein engmaschiges Überwachungssystem. Außerdem sind hier speziell geschulte Disentangelment-Teams entlang der Küste stationiert. Sie können Wale auf See befreien – wenn sie die Tiere rechtzeitig finden.
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Ausmaß von Entanglement (Verstrickung) wird unterschätzt
Ein elfköpfiges Wissenschaftlerteam aus Großbritannien nahm in einer im Januar 2023 veröffentlichten Studie1 erstmals Ausmaß und Folgen von Verhedderungen für Buckelwale (Megaptera novaeangliae) und Zwergwale (Balaenoptera acutorostrata) durch die schottische Hummer- und Garnelenfischerei unter die Lupe. Denn in schottischen Gewässern verstricken sich diese Walarten am häufigsten. Dazu trugen die Forscher Entanglement-Berichte aus den letzten 10 Jahren über gestrandete sowie lebende Wale, die sich verheddert hatten, zusammen. Zusätzlich interviewten sie 159 schottische Küstenfischer.
Im Ergebnis zeigt sich, dass Verstrickungen mit tödlichem Ausgang wesentlich häufiger vorkommen, als man bislang aufgrund der Auswertung von Strandungen angenommen hatte.
Demnach verheddern sich jährlich durchschnittlich sechs Buckelwale und 30 Zwergwale in Leinen der rechteckigen Körbe zum Fang von Garnelen und Hummern. Meist schwimmen die Wale in die über den Fangkörben schwimmende Grundleine und verheddern sich darin. Ein entanglement beginnt. Oftmals ist es Martyrium für das betroffene Tier.
Entanglement: Hauptgefahr droht von schwimmenden Polypropylen-Leinen
Die schottische Küstenfischerei mit Reusen zielt auf verschiedene Krebstiere: darunter Europäische Hummer (Homarus gammarus), Norwegische Hummer (Nephrops norvegicus), die auch als Kaisergranat oder Scampi bekannt sind. Ferner Taschenkrebse (Cancer pagurus) und Samtkrabben (Necora puber), auch Teufelskrabbe oder Wollige Schwimmkrabbe genannt. Typischerweise befinden sich etwa 50 bis 60 miteinander verbundene Fangkörbe am Meeresgrund. Überwiegend innerhalb von 3 Seemeilen vor der Küste in weniger als 50 m Tiefe.
Die Fangkörbe liegen in Abständen von jeweils 14 bis 15 m am Meeresboden und sind mit einer etwa 2 m langen Leine an der durchgehenden Grundleine befestigt. Die Fischer verwenden dazu 10 und 12 mm starke schwimmfähige Polypropylen-Leinen. Damit stellen sie ein in der Wassersäule schwebendes, für Wale kaum zu erkennendes Hindernis dar. Eine tödliche Verstrickung ist das fast zwangsläufig die Folge.
Entanglement endet für Zwergwale meist tödlich
Schwimmt ein Zwerg- oder Buckelwal in eine dieser Leinen, verheddert er sich. Mit Glück kann sich der Wal davon selbst befreien. Buckelwalen gelingt dies häufiger. Man erkennt diese Tiere dann an Narben und tiefen Einschnitten in Flippern, Finne und Fluke. Zwergwale dagegen sind oft nicht stark genug, um Leinen und an ihnen hängende Fangkörbe wieder loszuwerden. 84 Prozent der verhedderten Zwergwale, auf die schottische Küstenfischer bei der Kontrolle ihrer Fangapparate stießen, waren bereits tot. Sie starben aufgrund der unentwirrbaren Verhedderung in Fischereileinen kurz nach und noch am Ort des entanglements.
An der Küste von Schottland gibt es wesentlich mehr Zwergwale als Buckelwale. Daher ist diese Art, im Vergleich zu Buckelwalen, auch intensiver von Verhedderungen betroffen.
Für die schottische Westküste berechneten die Wissenschaftler, dass jährlich 2,3 % der Zwergwal-Population in eine tödliche Verstrickung gerät. Dies können die Tiere durch Vermehrung nicht kompensieren. Wegen dieser entanglement Häufigkeit geht ihre Zahl beständig zurück.
Buckelwale können sich oft selbst befreien
Buckelwale sind kräftige Schwimmer. Sie sind in der Lage, Leinen samt Fangkörben über große Entfernungen zu schleppen.
Die britischen Forscher schätzen, dass sich in den vergangenen 10 Jahren mindestens 64 Buckelwale an der schottischen Küste in Fischereileinen verhedderten. Für viele von ihnen war die Verstrickung nicht tödlich. Das Herumschleppen des Fischereigeräts über längere Zeit schwächt die mächtigen Wale jedoch.
Seit einigen Jahren tauchen Buckelwale verstärkt im Nordatlantik vor Schottland, Irland und in der südlichen Nordsee vor den Niederlanden auf. Sie stammen entweder aus der kleinen Population der Kapverdischen Inseln oder aus dem südöstlichen karibischen Teil der Westindischen Inseln.
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler schätzen, dass ihre Zahl jedes Jahr um 25 Prozent zunimmt. Dies spiegelt sich auch in der zunehmenden entanglement Zahl von Buckelwalen wider.
Offensichtlich verlagern die Großwale seit einigen Jahren ihren Lebensraum vermehrt in nördlichere Gewässer. Eine Zunahme der Populationen durch Vermehrung schließen die britischen Wissenschaftler aus. Wahrscheinlich ist diese temporäre Lebensraumverlagerung Teil des seit Jahren im Zuge der Klimakatastrophe zu beobachtenden Artenwandels in den Meeren.
Weniger Verstrickung durch abgesenkte Fischereileinen
Schottische Küstenfischer sind offensichtlich bereit, sich mit Vorschlägen wie der Einführung absinkender Grundleinen an Lösungen zur Senkung des entanglement von Großwalen zu beteiligen, schreiben die Forscher. Vergleichbare Lösungen finden bereits Anwendung in der Hummerfischerei vor der Ostküste Nordamerikas, um die vom Aussterben bedrohten Nordkaper vor tödlichen Verhedderungen zu schützen.
- Leaper R, MacLennan E, Brownlow A, Calderan SV and others (2022) Estimates of humpback and minke whale entanglements in the Scottish static pot (creel) fishery. Endang Species Res 49:217-232. https://doi.org/10.3354/esr01214 ↩︎
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
Titelfoto: Karl Heinz Müller/Unsplash