Mikroplastik im Meer und seine Klimafolgen

8 Minuten

Mikroplastik im Meer stammt aus zahlreichen Quellen und Wirtschaftsbereichen [1]. Neben weitreichenden negativen Folgen für die Umwelt trägt Mikroplastik im Meer zur Klimaerhitzung bei. Denn bei der Fragmentierung von Einwegkunststoffen und Verpackungen (Hitze, Wellenschlag, UV-Einstrahlung) gelangen Treibhausgase wie Methan und Ethylen in die Atmosphäre. Die Studie Mikroplastik im Meer und seinen Klimafolgen hatte der europäische Meeresschutz-Dachverband „Seas At Risk“, dem wir angehören, in Auftrag gegeben. Erstellt hat sie das Galway-Mayo Institute of Technology (GMIT). Zusätzlich zeigt die Studie wirksame Lösungen auf, wie die Freisetzung von Mikroplastik verhindert werden kann.

Mikroplastik im Meer, woher?

Primäres Mikroplastik Typ-A

Quellen von Mikroplastik im Meer.

Körperpflegeprodukte, die zugesetzte Kunststoffe wie Glitzer oder Mikrokügelchen in Peelings enthalten, bilden nur die Spitze des Eisbergs. Denn sie machen lediglich 2 % des in die Meeresumwelt freigesetzten Anteils aus. [2]

Primäres Mikroplastik Typ-B

Tatsächlich findet man in den Ozeanen meist unbeabsichtigt erzeugte Mikropartikel (Typ-B). Sie entstehen im Zuge alltäglicher Nutzung und stammen aus Quellen wie Reifenabrieb, synthetische Textilfaser, Stadtstaub und Schiffsanstriche.

Sekundäres Mikroplastik durch Fragmentierung

Viel sekundäres Mikroplastik im Meer entsteht durch Fragmentierung.

Der Abbau von Plastikmüll im Meer verläuft über Fragmentierungs- und Zerschlagungsprozesse. Dabei werden allerlei Chemikalien, Mikropartikel und Nanokunststoffe freigesetzt. Sie sind sowohl für das Leben im Meer als auch für das Gleichgewicht der Ökosysteme schädlich.

Allerdings versinken 70 bis 94 % aller Plastikabfälle. Am Meeresboden jedoch finden Zersetzungsprozesse extrem langsam statt. Es kann somit Jahrhunderte dauern, bis der Müll dort abgebaut ist.

Auswirkungen von Mikroplastik auf das Klima

Die GMIT-Studie zeigt, dass Mikroplastik auch Auswirkungen auf das Klima hat.

Emission von Treibhausgasen

Im Zuge der Fragmentierung durch Wellenschlag und UV-Einstrahlung bestimmter Kunststofftypen (hauptsächlich Einwegkunststoffe und Verpackungen) werden Treibhausgase freigesetzt. Überwiegend handelt es sich um Methan und Ethylen. Dabei wiegt der Effekt von Methan besonders schwer. Denn es hat einen 34-mal stärkeren Treibhausgaseffekt als Kohlendioxid [3].

Bei einem erwarteten Anstieg der Kunststoffproduktion von 33 bis 36 % [4] bis 2025 werden die Methanemissionen somit voraussichtlich auf 101–103 Millionen Tonnen ansteigen. Es sei denn, die Produktion der kritischen Plastikverpackungen kann zurückgefahren werden. [5]

Reduzierte Kohlenstoffbindung

Mit Mikroplastik kontaminiertes Plankton kann weniger Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden. Infolgedessen verringert sich die Funktion der Ozeane als globale Kohlenstoffsenke.

Die wichtigsten Umweltfolgen von Mikroplastik im Meer sind der Verlust biologischer Vielfalt, negative Auswirkungen auf marine Nahrungsnetze und eine Gefährdung des Gleichgewichts der Ökosysteme. In ihrer Studie identifizierten GMIT-Forscher insbesondere:

Aufnahme durch Meeresorganismen

Umweltauswirkungen von Mikroplastik im Meer.

Wenn Mikroplastik von Fischen und anderen Meerestieren aufgenommen wird, kann dies zu verminderter Nahrungsaufnahme, Fruchtbarkeits- und Verhaltensproblemen, im Extremfall zum Tod führen. Mittlerweile findet man bei etwa 50 % aller Fische im Mittelmeer [6] und 80 % aller Fischlarven in Flussmündungen in der EU Plastikpartikel im Körper.

Bioakkumulation gefährlicher Substanzen durch Meeresfauna und -flora

Umweltgifte, die im Mikroplastik enthalten sind oder von diesem absorbiert werden, können schwerwiegende Folgen für die Meeresflora und -fauna haben. In den USA beispielsweise führte Straßenstaub, einschließlich Reifenabrieb, zu einem Massensterben von Fischen in nahe gelegenen Flüssen.

Verbreitung invasiver Arten und Krankheitserreger

Die hartnäckig haltbaren Kleinstpartikel dienen zudem bioinvasiven Arten wie Bakterien und Viren als Transportmittel. Diese können dabei über große Entfernungen „reisen“.

Mikroplastik im Meer, was tun?

Abhängig von ihren Eigenschaften setzen bestimmte Kunststofftypen im Vergleich zu anderen eine viel höhere Menge an Mikroplastik, giftigen Chemikalien oder Treibhausgasemissionen frei. Daher zielen die in der Studie vorgeschlagenen Lösungen darauf ab, die Freisetzung an der Quelle zu minimieren.

Lösungsansätze

  • Produktionsverbote für Kunststoffe, die nachweislich viel Mikroplastik freisetzen, wie synthetische Schaumpolymere (z. B. Polystyrolverpackungen und -schachteln). Aber auch in der Landwirtschaft und im Gartenbau gebräuchlicher Kunststoffmulch.
  • Bereits in der Entwurfsphase kann mit verbindlichen Ökodesign-Anforderungen für Textilien dafür gesorgt werden, dass problematische Stoffe und Zusatzstoffe gar nicht erst enthalten sind.
  • Festlegung eines Grenzwerts für die Freisetzung von Mikroplastik durch Reifenabrieb.
  • Reduzierung der Freisetzung von Kunststoffteilen in Produktions- und Recyclinganlagen für Plastik.
  • Verringerung potenziell toxischer Additive. Erstellung einer Open-Access-Datenbank mit kritischen Kunststoffadditiven.
  • Festlegung von Best-Practice-Verfahren und regelmäßige Schulungen des Personals. Zum Beispiel, um den Verlust von Seecontainern und Fischereigerät auf See zu verhindern. Auch hierdurch entstehen große Mengen an sekundärem Mikroplastik. Zusätzlich hat verloren gegangenes Fischereigerät wie Netze, Befestigungsseile oder Schnüre einen stark negativen Effekt auf die Biodiversität und sensible Ökosysteme der Ozeane.
  • Verbot aller nicht wesentlichen Einwegkunststoffprodukte, um die Mikroplastikverschmutzung langfristig zu verringern.
  • Erweiterte Herstellerverantwortung, um Anreize zu geben, nachhaltigere Produkte und Herstellungsverfahren zu entwickeln.

Plastikstrategie der EU

Im Jahr 2016 hat die Europäische Kommission eine Plastikstrategie auf den Weg gebracht, um das Problem der Plastikverschmutzung anzugehen.

Zero pollution action plan

Derzeit wird die Single-Use-Plastic-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Darüber hinaus untersucht die EU-Kommission das Problem der Mikroplastik-Schadstoffe im Rahmen der neuen Zero-Pollution-Initiative des European Green Deal. Dazu veröffentlichte die Kommission kürzlich den „zero pollution action plan“. Er umfasst die Strategie für die kommenden Jahre. Erste Maßnahmen sind Beschränkungen von primärem Mikroplastik Typ-A (absichtlich hinzugefügte Kunststoffe), basierend auf einem Vorschlag der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA).

Zusätzlich analysiert die EU-Kommission derzeit die unbeabsichtigte Freisetzung von Partikeln, Mikrofasern und Reifenverschleiß in die Umwelt. Ziel ist es, hieraus mögliche EU-Maßnahmen zur Verringerung der Problematik auf den Weg zu bringen.

Verschmutzung durch Mikroplastik im Meer darf nicht weiter eskalieren

„Angesichts des erwarteten exponentiellen Anstiegs der weltweiten Kunststoffproduktion und der anschließenden Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt [8] ist es wichtig, zu verhindern, dass diese Verschmutzung eskaliert. Nur so lassen sich dramatische Folgen für die biologische Vielfalt der Meere, die globalen Ökosysteme und das Klima vermeiden“, sagt Frédérique Mongodin, Senior Marine Litter Policy Officer bei „Seas At Risk“. „Bereits die Wahl des Kunststoffs und der Zusatzstoffe kann die Mikroplastikverschmutzung drastisch reduzieren. Doch nur mit der Verabschiedung verbindlicher, gezielter vorgelagerter Maßnahmen auf EU-Ebene sind die erforderlichen sektorübergreifenden Anpassungen möglich“.

Download:
Microplastics in the marine environment: Sources, Impacts and Recommendations

In Geisternetz ertrunkener Delfin.

Quellen

[1] Microplastics in the marine environment: Sources, Impacts and Recommendations. Galway-Mayo Institute of Technology (GMIT)

[2] Global plastic production has been increasing exponentially since the 1950s, with over 200 million tonnes produced in 2000, 368 million tonnes in 2019, and a forecasted production equal to over 500 million tonnes by 2025 and 650 million by 2030 (Heinrich Böll Stiftung, Plastic Atlas 2019).

[3] Boucher et Friot 2017, Boucher, J. and Friot D. (2017). Primary Microplastics in the Oceans: A Global Evaluation of Sources. Gland, Switzerland: IUCN. 43pp.https://www.iucn.org/content/primary-microplastics-oceans

[4] Saunois, M., Stavert, A.R., Poulter, B., Bousquet, P., Canadell, J.G., Jackson, R.B., Raymond, P.A., Dlugokencky, E.J., Houweling, S., et al., (2020). ‘The Global Methane Budget 2000–2017’. Earth System Science Data, 12, 1561–1623. Available at: https://doi.org/10.5194/essd-12-1561-2020

[5] Global plastic production has been increasing exponentially since the 1950s, with over 200 million tonnes produced in 2000, 368 million tonnes in 2019, and a forecasted production equal to over 500 million tonnes by 2025 and 650 million by 2030 (Heinrich Böll Stiftung, Plastic Atlas 2019).

[6] Center for International Environmental Law (CIEL) (2019). Plastic & Climate: The Hidden Costs of a Plastic Planet. Available at: https://www.ciel.org/plasticandclimate/

[7] [9] Rodrigues, S., Almeida, C., Silva, D., Cunha, J., Antunes, C., Freitas, V., Ramos S., (2018). ‘Microplastic contamination in an urban estuary: Abundance and distribution of microplastics and fish larvae in the Douro Estuary’. Science of the Total Environment, 659, 1071-1081. Available at: https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2018.12.273

[8] Pennino, M. G., Bachiller, E., Lloret-Lloret, E., et al., (2020). ‘Ingestion of microplastics and occurrence of parasite association in Mediterranean anchovy and sardine’. Marine Pollution Bulletin, 158, 111399. Available at: https://doi.org/10.1016/j.marpolbul.2020.111399