EU gegen Plastikmüll im Meer

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Eigentlich kann man sich für seine Spezies nur schämen angesichts der Flut von Bildern vermüllter Gewässer und Strände – selbst in Landstrichen, die kaum je ein Mensch betreten hat. Im Mai stellte die Europäische Kommission Maßnahmen vor, mit denen man dem Plastikwahn in Europa Herr werden will. Dabei konzentriert sie sich vor allem auf Einwegprodukte. Man möchte, wie Jyrki Katainen, Vizepräsident der Kommission, erklärt, eine Vorreiterrolle übernehmen. Wissenschaftler schätzen, dass derzeit mehr als 150 Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer schwimmen. Und jedes Jahr sollen weitere 8 bis 13 Millionen Tonnen dazukommen: Bildlich gesprochen, kippt pro Minute ein Mülllaster seine Ladung ins Meer.

EU will Vorreiter beim Kampf gegen Plastikmüll im Meer werden

Wenn wir so weitermachen, wird es in gut 30 Jahren mehr Plastik als Fische in den Ozeanen geben (bezogen auf das Gewicht). Der Müll taucht nicht nur sichtbar an den Stränden der Welt auf. Sondern auch in abgeschiedenen Winkeln der Erde. Er liegt sogar auf dem Grund der Tiefsee.

Kampf gegen die Plastikflut

Weltweit machen Kunststoffabfälle laut EU 85 % des Mülls aus. In Europa sind es etwa 70 %. Diese Plastikflut will die Europäische Kommission nun mit einer Reihe von Maßnahmen eindämmen. Für bestimmte Einwegprodukte, wie etwa Wattestäbchen, Besteck, Teller oder Strohhalme sieht sie Verbote vor. Denn hier gibt es bereits kunststofffreie Alternativen.

Weniger Plastikmüll im Meer: Eine Tasse mit Kaffee.

Doppelter Nutzen: Den Kaffee einfach mal wieder in Ruhe aus einer normalen Tasse trinken und nicht hektisch unterwegs aus einem Einweg-Coffee-to-go-Becher – gut fürs Wohlbefinden und für die Umwelt. Foto: Pixabay

Bei Lebensmittelverpackungen und Getränkebechern setzt man auf Verbrauchsreduzierung. Beispielsweise durch umfassendere Bereitstellung von Alternativen bzw. durch die Erhebung von Kosten für Einwegprodukte. Einweggetränkebehälter aus Kunststoff will man nur noch erlauben, wenn die Deckel oder Verschlüsse an ihnen befestigt sind.

Des Weiteren sollen die Hersteller stärker in die Pflicht genommen werden. So müssen sie Entsorgung und Sensibilisierungsmaßnahmen finanzieren. Zusätzlich sollen Hinweise auf den Produkten verdeutlichen, welchen Schaden ihre unsachgemäße Entsorgung in der Umwelt anrichtet.

Und schließlich will man bis 2025 eine Sammelquote von 90 % bei Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff (z.B. durch Pfandsysteme) erreichen.

Plastikmüll im Meer: Sonderfall Fischfanggeräte

Einen nicht unwesentlichen Anteil am Plastikmüll in den Meeren hat auf See herrenlos herumtreibendes Fischfanggerät (Netze, Leinen, Reusen u.a.). Die EU schätzt die Verluste in ihren Gewässern auf ca. 20 % des eingesetzten Fischereigeräts. Als Abfall im Meer macht das in Europa rund ein Drittel aus – was mehr als 11.000 Tonnen entspricht – und bei Strandabfällen rund 27 %. (Der große Müllstrudel im Pazifik besteht fast zur Hälfte aus Fischernetzen!)

Hersteller kunststoffhaltiger Fanggeräte sollen künftig die Kosten für das Einsammeln der Abfälle aus den Hafenauffangeinrichtungen sowie den Transport und die Behandlung dieser Abfälle übernehmen. Zudem sollen sie die Kosten für Sensibilisierungsmaßnahmen tragen. Eine längst überfällige Maßnahme. Besonders angesichts der derzeitigen Regelung. Diese fordert eine unsachgemäße Entsorgung auf See geradezu heraus. Denn die Kosten für eine umweltgerechte Entsorgung über Gebühren und Hafengebühren werden den Fischern aufgebürdet!

Plastikmüll im Meer ist extrem langlebig

Die Vielseitigkeit und Unverwüstlichkeit von Kunststoffen sind heute mehr Fluch denn Segen. Sorglos entsorgt treiben sie jahrhundertelang in den Meeren. Sie sind Todesfallen für marine Lebewesen. Bilden als Müllteppiche nahezu eigene Kontinente. Bis zu 450 Jahre kann es dauern, bis eine Plastikflasche oder eine Wegwerfwindel verrottet. Aus Monofil hergestellte Angelleinen sind erst nach rund 600 Jahren zersetzt.

Grafik Umweltbundesamt zu Plastikmüll im Meer: Wie lange braucht der Müll im Meer, um abgebaut zu werden?

Quelle: Umweltbundesamt.

Plastikquallen

Plastikmüll im Meer ist für Meereslebewesen eine oft tödliche Gefahr. Plastiktüten werden von Meeresschildkröten und Meeressäugern für Quallen gehalten und verspeist. Die Tüten verstopfen den Verdauungstrakt und die Tiere verhungern. Immer wieder findet man bei Sektionen im Magen toter Tiere massenhaft Kunststoffmüll. Wie kürzlich in Thailand. Zuerst bei einem verendeten Grindwal, der 80 Plastiktüten im Magen hatte, und kurz darauf bei einer Grünen Meeresschildkröte. Sie war an einem bunten Sammelsurium an Plastikmüll gestorben.

Prost, Mahlzeit!

Im Laufe der Jahre oder Jahrhunderte zerfallen Kunststoffe zwar in immer kleinere Partikel. “Doch Plastik ist biologisch ‚inert‘, also sehr stabil und löslich. Daher ist es auch kaum einer Mineralisation unterworfen. Das bedeutet, dass Mikroplastikpartikel zwar kontinuierlich kleiner, aber nicht vollständig abgebaut werden“, wie das Umweltbundesamt warnt. Mikroplastik wurde nicht nur in vielen Meerestieren nachgewiesen. Inzwischen befindet es sich vielfach auch in unserer Nahrung. Jüngste Erkenntnis: Sogar im Bier ist Mikroplastik!

Leider noch keine Vorschrift

Die Vorschläge der Kommission gegen Plastikmüll im Meer bedürfen noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Rats. Man hofft, bis zur Europawahl im Mai 2019 Ergebnisse präsentieren zu können. Der Maßnahmenkatalog ist ein erster, wichtiger, wenngleich auch erst langfristig wirksam werdender Schritt auf dem Weg zu saubereren Meeren. Vergessen werden darf jedoch nicht, dass die vorgeschlagenen kunststofffreien Alternativen noch nicht auf ihre bessere Umweltverträglichkeit im Allgemeinen überprüft wurden.

Daher liegt es an uns Verbrauchern, nicht nur den Plastikkonsum zu reduzieren, sondern auch generell schonender und bewusster mit unseren Ressourcen umzugehen.

Grafik: Vorgeschlagene Maßnahmen der EU gegen Plastikmüll im Meer.

Titelfoto: Angeschwemmter Plastikmüll, Maug Lagune im Mariana Trench Marine National Monument. Foto: Angelo Villagomez/Marine Photobank


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