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Erneut wütet an der Golfküste von Florida, USA, eine Rote Flut (Red Tide). Fast 800 Tonnen toter Fische wurden bisher rund um Tampa angespült. Experten befürchten, dass die Algenpest ein ähnliches Ausmaß wie die katastrophale Algenblüte von 2018 erreichen könnte. Die aktuelle Red Tide begann im Dezember 2020. Seitdem breitet sie sich kontinuierlich stärker werdend die Golfküste Floridas hinauf aus. Im Sommer 2021 schließlich erreichte sie Sarasota und dann Tampa.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine Red Tide?
Bei einer Red Tide kommt es zu einer explosionsartigen Vermehrung von zum normalen Phytoplankton gehörenden Kieselalgen der Art Karenia brevis. Dann färben Unmengen der einzelligen Dinoflagellaten die Wasseroberfläche rötlich.
Die eigentliche Gefahr jedoch geht von Nervengiften (Neurotoxinen) aus, die die Winzlinge produzieren. Dann wehen Giftgaswolken übers Meer. Lebewesen, die in einen Algenteppich geraten, sterben. Darunter auch große Meerestiere wie Manatis (Seekühe), Walhaie oder Delfine.
Atmen Menschen an Land getriebenes Gas an, sind Schleimhautreizungen und Atemprobleme die Folge. Außerdem kann der Verzehr von Fischen, die das Nervengift aufgenommen haben, zu Lähmungen und Gedächtnisstörungen führen.
Seltenes und gefährliches Sommerereignis
Normalerweise entstehen diese Algenblüten an der Golfküste im Herbst und enden im darauffolgenden Frühjahr. Eine Rote Flut, die einen Sommer lang anhält, ist ein seltenes Ereignis. Seit den 1990er-Jahren gab es das erst dreimal. 1995 und 2005 und dann die verheerende Algenpest von 2018. Sie dauerte 16 Monate, von Oktober 2017 und bis Anfang 2019. Ihr fielen an der Südwestküste Floridas rund 2.000 Tonnen Meerestiere zum Opfer. Die wirtschaftlichen Schäden betrugen 8 Millionen Dollar. Daher warnt die nationale Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten (NOAA) vor schwerwiegenden Folgen. Sowohl für die öffentliche Gesundheit als auch für den touristischen Sommer in Florida.
Opfer der Red Tide von 2018 – mit freundlicher Genehmigung von „Matt Devitt WINK Weather“ (Facebookseite)
Umweltkatastrophe mit gravierenden Folgen
Gesundheitsämter veröffentlichten bereits Gefahrenhinweise. In St. Petersburg berichten Einheimische von üblen Gerüchen und Atemproblemen. Außerdem forderte der Stadtrat von St. Petersburg den Gouverneur von Florida Ron DeSantis auf, den Notstand auszurufen. Doch er lehnte ab.
Verrottender Fisch wird zum Problem
Der Geruch von Tod und Verwesung ist nur schwer in den Griff zu bekommen. Daher baten die örtlichen Behörden Anwohner mit privaten Anlegestellen und Zugang zu den Wasserstraßen, sich an den Aufräumarbeiten zu beteiligen. In der Region Tampa Bay stehen neuerdings fast ein Dutzend spezielle Müllcontainer. Sie tragen die makabre Beschriftung „nur für tote Fische“.
Hunderte Haie suchen Zuflucht vor Longboat Key
Haie suchen auf ungewöhnlichem Wege Schutz vor der Gefahr. Bei Longboat Key in der Sarasota-Bucht kann man in unmittelbarer Landnähe jetzt Hunderte von ihnen beobachten: Schaufelnasen-Hammerhaie, Zitronen- und Ammenhaie. Sie drängen sich in engen Kanälen von Buttonwood Harbour. Derartiges wurde zuletzt während der Red Tide von 1992 in der Tampa Bay vor St. Petersburg beobachtet.
Sollte die Algenpest noch länger dauern, werden viele Haie sterben. Zum einen ist der Sauerstoffgehalt im warmen Wasser der Sarasota-Bucht recht niedrig. Daher verbrauchen sie zu viel Energie für den Gasaustausch über ihre Kiemen. Zum anderen fehlt es in den engen Kanälen an Nahrung.
Red Tide – warum ausgerechnet in diesem Sommer?
Zentraler Diskussionspunkt in Florida ist die Rolle einer Beinahe-Umweltkatastrophe. Denn im April drohte ein Damm, der gewaltige Mengen Abwasser der stillgelegten Piney-Point-Düngemittelfabrik zurückhält, zu brechen. Um ihn zu stabilisieren, leitete man mehr als 2 Millionen Liter kontaminiertes Abwasser kontrolliert in die Tampa Bay. Viele sehen darin die Ursache für die Ausbreitung der Sommer-Red-Tide. Denn Hauptauslöser der Algenpest sind mit Düngemitteln belastete Abwässer. Sie liefern die notwendigen Nährstoffe.
Titelfoto: Red Tide vor Sarasota. Quelle Sarasota Dolphin Research Program – Facebookseite
Weiterführende Informationen
- Red Tide – Giftgas aus dem Meer
- Gulf of Mexico Harmful Algal Bloom Forecast von NOAA
- Aktuelle Vorhersagen zu möglichen Atemwegsproblemen an Stränden in Florida (Golf von Mexiko)
- Pseudonitzschia-Algenblüte vergiftet Kalifornische Seelöwen
- Die Verschmutzung der Meere
- Der Schwarm – Ökothriller von Frank Schätzing
- Algenblüte tötet Glattwale an argentinischer Küste