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Eine Studie niederländischer Wissenschaftler zeigt, dass Robben im niederländischen Wattenmeer (Seehunde und Kegelrobben) zunehmend durch Plastikmüll gefährdet sind. Zwischen 2010 bis 2020 stellten die Forscher im Vergleich zu früheren Studien eine besorgniserregende Vervierfachung der Verhedderungsrate fest. Insbesondere junge Kegelrobben sind betroffen. Meist hatten sich Reste von Fischernetzen um den Hals der Tiere gewickelt. Seehunde dagegen sind eher durch das Verschlucken von Plastikmüll gefährdet. Fünf von neun untersuchten Seehunden hatten Angelschnüre aus Nylon verschluckt. Die Wissenschaftler vermuten, dass sie Angelschnüre mit Beute wie Sandaalen verwechseln.
Inhaltsverzeichnis
Robben im Wattenmeer: Immer mehr Strandungen verhedderter Tiere
Während des Untersuchungszeitraums gab es an der niederländischen Nordseeküste 145 Strandungsmeldungen mit verhedderten Tieren. An der Studie beteiligten sich Mitglieder etablierter Strandungsnetzwerke gemeinsam mit den drei großen Robben-Rehabilitationszentren in den Niederlanden: Ecomare, A Seal (Stichting A Seal Centrum voor Zeezoogdierenzorg in Stellendam) und das Robbenzentrum Pieterburen. Zusammen decken die drei Rehabilitationszentren die gesamte niederländische Küste ab. Wobei jedes Zentrum für ein bestimmtes Gebiet zuständig ist.

In der Mehrzahl hatten sich Kegelrobben (81,4 Prozent) in herumtreibendem Fischereigerät verwickelt. Zu Beginn der Studie war die Zahl der jährlichen Strandungen mit jährlich etwa sieben Meldungen recht stabil. Seit 2017 jedoch stranden im Wattenmeer immer mehr verhedderte Tiere. Bisheriger Höhepunkt war 2019 mit 38 gestrandeten Robben.

Tödliche Verhedderung
15 der 145 gestrandeten Tiere waren bereits verstorben. Bei 30 noch lebenden gelang es nicht, sie aus ihrer Verhedderung zu befreien (z. B. konnten sie nicht gefangen werden). 41 Robben konnte man dagegen noch am Fundort helfen. 59 Tiere fing man aufgrund ihrer Verletzungen ein und brachte sie in eines der Rehabilitationszentren.

Noch während des Transports starben drei Tiere. Auch für acht weitere gab es keine Rettung. Ihr Gesundheitszustand war derart schlecht, dass sie entweder nach der Ankunft in der Rehabilitationseinrichtung starben oder kurz danach eingeschläfert werden mussten. Todesursächlich waren dabei nicht immer die von der Verhedderung verursachten Verletzungen. In einigen Fällen stellten Tierärzte eine Begleiterkrankung (z. B. eine parasitäre Lungenentzündung) als die wahrscheinlichste Todesursache fest.
Erfolgreiche Robben-Rehabilitation
48 Robben konnte man nach der Rehabilitationsphase in gutem Gesundheitszustand wieder in die freie Wildbahn entlassen. Insgesamt lag die Überlebensrate der in die Rehabilitation aufgenommenen Tiere bei 85,7 Prozent.
Wissenschaftler in Sorge um Robben im Wattenmeer
In der rapiden Zunahme von Meldungen über verhedderte Robben im Wattenmeer sehen die niederländischen Forscher langfristig eine erhebliche Gefahr für das Überleben der betroffenen Populationen. Insbesondere in Kombination mit weiteren anthropogenen Umweltgefahren wie Einleitungen von Umweltgiften, Lärm durch intensiven Schiffsverkehr und Fischereifahrzeuge oder direkte Interaktion mit Fischereinetzen (Beifang). Die Forscher sehen es daher als dringend erforderlich an, öffentliche Programme und staatliche Maßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt insbesondere vor weiteren Einträgen von verlorenem Fischereigerät ins Meer zu entwickeln.

Prozentuale Anteile der Herkunft des Plastikmülls. Schifffahrt/Fischerei (83,4 %): z. B. Fischernetze, Seile, Angelschnüre, Angelhaken etc. Von den Meeresabfällen dieser Kategorie waren Fischernetze (88,4 %) am häufigsten. Bei 12 % der gemeldeten Verhedderungen stammte der Plastikmüll aus anderen Quellen (z. B. Frisbee, Kleidung, Kartoffelnetz, Gummiband, Plane, Verpackungen usw.). Einige Tiere (5,5 %) hatten sich auch mehrfach verheddert. © Oceans 2022, 3, 389–400. https://doi.org/10.3390/oceans3030026
Problembewußtsein stärken
Weiterhin sollte man – gemäß der jüngsten Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats für die Rehabilitation von Robben in den Niederlanden –, verletzten Robben helfen oder sie rehabilitieren, wenn die Verletzungen durch direkte menschliche Aktivitäten verursacht wurden. Dies würde auch das Bewusstsein in der Öffentlichkeit schärfen, wie sehr einheimische Meerestiere durch Umweltmüll geschädigt werden.

Die Situation ist fragil. So wagt das niederländische Forscherteam keine Festlegung, ob die bisherigen Bemühungen genügen, um den Erhalt gesunder Robben-Populationen im Wattenmeer sicherzustellen. © Alicia Chan/pixabay
Originalpublikation:
Salazar-Casals, A.; de Reus, K.; Greskewitz, N.; Havermans, J.; Geut, M.; Villanueva, S.; Rubio-Garcia, A. Increased Incidence of Entanglements and Ingested Marine Debris in Dutch Seals from 2010 to 2020. Oceans 2022, 3, 389–400. https://doi.org/10.3390/oceans3030026
Robben im deutschen Wattenmeer
Immerhin ist man mit der Sorge um den Fortbestand heimischer Robbenarten in den Niederlanden ein gutes Stück weiter, als dies in Deutschland der Fall ist. Bei uns liegt das Meeressäuger-Management und damit auch die Aufsicht über das Strandungsgeschehen kranker, verletzter oder verlassener Meeressäugetiere nach wie vor in den Händen nicht für diese Tätigkeit qualifizierter Hobbyjäger. Für gestrandete Tiere ist dies oft eine todbringende Begegnung.
Titelfoto: Kegelrobbe mit Resten eines Netzes. © Alicia Chan/pixabay