Polychlorierte Biphenyle (PCB) und ihre Auswirkungen auf Meeressäuger

Chemisch gesehen gehören Polychlorierte Biphenyle (PCB) zu den chlorierten Kohlenwasserstoffen. Sie entstehen durch unkontrollierte Chlorierung von Biphenyl. Man kennt mehr als 200 Verbindungen. Es handelt sich um ein Substanzgemisch, das je nach Chlormenge die Konsistenz eines dünnflüssigen Öls, von Wachs oder die Zähigkeit von Harz haben kann. Man zählt es zum „Dreckigen Dutzend krebserregender und hochgiftiger Umweltgifte. PCB sind sehr stabil (persistent), hormonell wirksam, krebserregend und führen bei Meeressäugern zu verringerter Fruchtbarkeit. Sie gehören zu den POPs (persistent organic pollutants). Das sind langlebige organische Schadstoffe, die sich in der Umwelt und in Menschen und Tieren anreichern und dort schwerwiegende Schäden auslösen können.

PCB: Inbegriff für die Gefahren weltweiter Umweltkontamination

Aufgrund ihrer Eigenschaften setzte man PCB bis 1972 als Schmiermittel in Form von Getriebeölen, Hochdruckpumpenölen und Schraubfetten ein. Als Zusatzstoffe fanden sie Verwendung in Kunststoffen, Klebstoffen, Papierbeschichtungen, Imprägnierungs- und Flammschutzmitteln (z.B. in Teppichböden), Kitten, Spachtelungs-, Dichtungs- und Vergussmassen.

Doch auch als Trägersubstanz für Insektenvernichtungsmittel kamen PCB zum Einsatz. Sie sind außerordentlich stabil. In die Umwelt gelangten sie vor allem während industrieller Fertigungsprozesse. Aber auch bei der Verbrennung PCB-haltiger Materialien in Müllverbrennungsanlagen. Dabei entstehen erhebliche Mengen hochtoxischer, chlorierter Dibenzofurane und Dioxine. Darunter auch das Sevesogift 2,3,7,8 – TCDD (Tetrachlordibenzoparadioxin).

Fisch und Milch enthalten oft nennenswerte Mengen Polychlorierte Biphenyle

PCB sind gegenüber biologischen Abbauprozessen und Umwelteinflüssen über Jahrzehnte hinweg stabil. Daher gibt es heute kaum noch Umweltbereiche und biologische Systeme, in denen man sie nicht vorfindet. Sie gehören wie PFAS oder Polybromierte Diphenylether (PBDE) zu den POPs (persistent organic pollutants).verbreiten sich über Luft und Wasser. Da sie gut fettlöslich sind, reichern sie sich in pflanzlichen und tierischen Fetten an und gelangen in die Nahrungsnetze. Vor allem Fisch und Milch enthalten oft nennenswerte Mengen PCB.

Polychlorierte Biphenyle wirken hormonell. Überdies lösen sie beim Menschen Krebs, Chlorakne, Pigmentation von Haut und Nägeln (Yusho-Krankheit), Augenentzündungen sowie Schwellungen der Gliedmaßen aus. In Kenntnis der Wirkungen schränkte der einzige deutsche Hersteller, die Bayer AG, ab 1972 die Verwendung daher auf sogenannte geschlossene Systeme ein. Darunter Transformatoren, Kondensatoren oder Hydrauliköle. Erst seit 1989 sind Herstellung und Inverkehrbringen von PCB in der EU verboten.

Deutschland ist stark mit PCB belastet

Die Bundesrepublik gehört zu den am stärksten belasteten Regionen der Erde. Noch ca. 60.000 Tonnen PCB sind in der Anwendung. Diese können bei Bränden in die Umwelt gelangen. Völlig zerstören lassen sich diese resistenten Chemikalien nur bei spezieller Hochtemperaturverbrennung. Hierbei muss jedoch darauf geachtet werden, dass keine der noch giftigeren Furane oder das berüchtigte Sevesogift Dioxin entstehen.

Auswirkungen auf Meeressäuger

PCB-Belastungen führen bei Meeressäugern wie Delfinen auch zu verringerter Fruchtbarkeit. Sie bekommen nicht nur seltener Nachwuchs, dieser hat zudem mit einer schleichenden Vergiftung zu kämpfen. Delfine und andere Meeressäuger geben über die Muttermilch bis zu 90 Prozent aller gespeicherten Schadstoffe wie PCB an ihren Nachwuchs weiter. Folglich sinken dessen Überlebenschancen.

Eisbären-Zwitter durch PCB

In der Nähe der Svalbard-Insel (Spitzbergen) in der Barentssee entdeckten norwegische Wissenschaftler 2008 sieben weibliche Eisbären, die Pseudohermaphroditen waren. Genetisch gesehen waren es Weibchen. Einige hatten bereits Nachwuchs bekommen. Jedoch befand sich vor ihrer Vagina auch einen kleiner Penis. Die Tiere wiesen also sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane auf. Die Forscher gehen davon aus, dass die Zwitterbildung auf im Fettgewebe angereicherte PCB zurückzuführen ist.

Zwar können bei vielen Arten zum Beispiel Nebennieren- oder Eierstocktumore der Weibchen eine Entwicklung anormaler Geschlechtsorgane bei den Föten auslösen. Doch solche Fälle seien eher selten. Und es ist bekannt, dass die sehr stabilen chlorierten Kohlenwasserstoffe durch die Luft über weite Entfernungen getragen werden. Bei Kälte kondensieren sie und können sich in der Nahrung der Eisbären (Fisch, Robben) anreichern.

Vergiftete Delfine im Ärmelkanal und im Mittelmeer

Eine Studie der französischen Ökotoxikologin Cyrielle Zanuttini1 und Kollegen vom September 2019 zeigte, dass Delfine im Ärmelkanal durch hohe Konzentrationen von PCB und Quecksilber belastet sind. Bei rund 400 untersuchten Tieren stellten die französischen Wissenschaftler 1,4 Mal mehr Polychlorierte Biphenyle fest, als eine vergleichbare Untersuchung aus den USA gezeigt hatte. Auch die gemessenen Quecksilber-Konzentrationen seien besorgniserregend hoch, warnt Zanuttini.

Toter Orca bei Rantum/Sylt

Die wenigen Orca-Populationen in westeuropäischen Gewässern sind PCB belastet. Am Strand von Rantum auf Sylt wurde am 8. Februar 2016 dieser Schwertwal gefunden. Foto: C. Dethlefs

Damit bestätigen sich die Ergebnisse einer britischen Studie. Sie hatte die großflächige Vergiftung von Delfinen in europäischen Gewässern mit PCB dokumentiert. Der britische Zoologe Paul Jepson2 und sein Team von der Zoologischen Gesellschaft in London hatten im Rahmen einer 25-jährigen Studie bei Großen Tümmlern, Streifendelfinen, Orcas und Schweinswalen aus ganz Europa erschreckend hohe Werte gemessen.

Eine Gruppe von Orcas, die Wissenschaftler regelmäßig vor der Nordwestküste Schottlands und im Westen Irlands bis 2015 über 19 Jahre lang beobachtet hatten, hatte in dieser Zeit kein einziges Jungtier. Die Forscher führen dies auf durch Umweltgifte verminderte Fruchtbarkeit zurück.

Als stark belastet erwiesen sich die Delfinarten im Mittelmeer. Bei ihnen fanden die Wissenschaftler 50 bis zu 350 Milligramm PCB pro Kilo Körpergewicht. Ab Werten von 40 Milligramm pro Kilo wird es für den betroffenen Organismus gefährlich.

Trotz Verbots ist der PCB-Eintrag nicht gestoppt

Offensichtlich gelangen in Europa – trotz des lang zurückliegenden Verbots – nach wie vor große Mengen PCB in die Umwelt. Das zeigen auch die Studien von Cyrielle Zanuttini und Paul Jepson. Die Forscher vermuten die unsachgemäße Entsorgung kontaminierter Altlasten als Ursache.

Denn es soll in der EU noch rund 1,1 Millionen Tonnen nicht entsorgtes, mit PCB kontaminiertes Material geben. Vor allem in Spanien und Frankreich. Bei Delfinen, die an den Küsten Nordamerikas leben, sind die Werte dagegen bereits gesunken. Für Delfine im Ärmelkanal und im Mittelmeer allerdings besteht kein Grund zur Entwarnung. Im Gegenteil.

Meeresschützer und Wissenschaftler fordern dringend Maßnahmen, die den PCB-Eintrag in europäische Meeresgewässer unterbinden.

  1. Zanuttini, C., Gally, F., Scholl, G. et al. High pollutant exposure level of the largest European community of bottlenose dolphins in the English Channel. Sci Rep 9, 12521 (2019). https://doi.org/10.1038/s41598-019-48485-7 ↩︎
  2. Jepson PD, Deaville R, Barber JL, Aguilar À, Borrell A, Murphy S, Barry J, Brownlow A, Barnett J, Berrow S, Cunningham AA, Davison NJ, Ten Doeschate M, Esteban R, Ferreira M, Foote AD, Genov T, Giménez J, Loveridge J, Llavona Á, Martin V, Maxwell DL, Papachlimitzou A, Penrose R, Perkins MW, Smith B, de Stephanis R, Tregenza N, Verborgh P, Fernandez A, Law RJ. PCB pollution continues to impact populations of orcas and other dolphins in European waters. Sci Rep. 2016 Jan 14;6:18573. doi: 10.1038/srep18573. PMID: 26766430; PMCID: PMC4725908. ↩︎

Titelfoto: Mark Cosgriff/Marine Photobank.


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