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Im Dezember 2019 verseuchten Öl und andere Umweltgifte den Fluss Zrmanja und das Novigrader Meer. Erste Reinigungsmaßnahmen liefen nur schleppend an. Rund 250.000 Liter Masut waren aus einer stillgelegten Aluminiumoxid-Fabrik bei Obrovac ausgelaufen. Masut, ein Erdölrückstand für Heiz- und Schmierzwecke in der Industrie, verseuchte die Schlucht und das Wasser der Zrmanja, bedrohte das Novigrader Meer. Dies ist ein Teilstück der Adria, in das der Fluss mündet.
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Fischer hatten am 21. Dezember 2019 beim Ort Novigrad Ölflecken im Meer bemerkt, wie die Tageszeitung Slobodna Dalmacija berichtete. Erst dadurch kam die Tragödie ans Tageslicht. Im Internet kursierten schockierende Bilder von dem mit einem Ölfilm bedeckten Fluss, ein unter dem europaweiten Natura-2000-Netzwerk geschützten Gebiet. Die kroatische Partei Most nannte den Umweltskandal in Kroatien „als größte Bedrohung und größte potenzielle Katastrophe in diesem Teil Europas.“ Mitte Februar 2020 wurde man dann aber tätig, wie uns das kroatische Umweltministerium auf Nachfrage mitteilte. So begannen Arbeiten, um verseuchtes Schilf zu entfernen und in einer Verbrennungsanlage zu vernichten. Bereits Anfang Januar seien unter anderem Absorptionsbarrieren im Fluss errichtet worden, um eine weitere Ausbreitung der Umweltgifte zu verhindern.
Alle schauen weg
Medienberichten zufolge soll die Fabrik bereits 1982, also noch zu Zeiten der ehemaligen Volksrepublik Jugoslawien, stillgelegt worden sein.
Öffentlicher Druck
Dass giftige Substanzen in den karstigen Boden und die Gewässer sickern, ist bereits seit 2004 (!) bekannt. Doch niemand fühlte sich für den schleichenden Umweltskandal in Kroatien zuständig. Wie ein Informant der Slobodna Dalmacija berichtete, seien in all den Jahren etwa 44 Millionen Liter gefährliche alkalische Stoffe und rund 5.000 Liter hochkrebserregendes PCB-Öl in die Umwelt gelangt. Außerdem seien an die 100 circa 5 Kilogramm schwere radioaktive „Büchsen“ verschwunden. Es handelte sich dabei um Messgeräte. Sie entdeckte man später bei Dorfbewohnern in Jasenic. Sie hatten die „Büchsen“ als Gewichte für Heu zweckentfremdet.
Das Novigrader Meer / Novigradsko More – Foto: U.Karlowski
Erst die neuen Schlagzeilen und öffentlicher Druck nötigten die Regierung zum Handeln. Zwischenzeitlich hatten Umweltorganisationen eine Petition an das Umweltministerium gestartet. Sie forderten die Regierung zum schnellen Handeln auf, um weitere Verschmutzungen zu verhindern.
Am 03. Januar 2020 dann begann man mit ersten Maßnahmen. So sollten Barrikaden verhindern, dass die Umweltgifte weiter in den Fluss gelangen. Säuberungsarbeiten im Schilf fanden nach Informationen der kroatischen Nachrichtenplattform morski.hr vom 13. Februar 2020 in einem ca. 5000 Quadratmeter großen Uferbereich flussabwärts von Obrovac statt.
Keine langfristigen Schäden – meint das Umweltministerium
Des Weiteren seien vom Institut für Gesundheitswesen vor Beginn der Schutzmaßnahmen an fünf Stellen Wasserproben entnommen worden. Da keine Grenzwerte überschritten wurden, seien langfristige Auswirkungen auf Flora und Fauna der Zrmanja und des Novigrader Meeres nicht zu befürchten, hieß es vonseiten des kroatischen Umweltministeriums.
Neben der Installation der Absorptionsbarrieren habe man versucht, der Verseuchung mit einem biologisch abbaubaren Wirkstoff beizukommen. Dieser habe jedoch keine nennenswerten Verbesserungen gezeigt. Aggressivere Mittel konnten in dem unter Naturschutz stehenden Gebiet nicht angewendet werden.
Gefahr durch Umweltgifte aus ehemaliger Aluminiumfabrik
In seinem Schreiben weist das Umweltministerium jedoch darauf hin, dass das Gelände der ehemaligen Aluminiumfabrik in Obrovac stark mit Industrieabfall belastet sei. Jahrelanges Abfall-Missmanagement sei die Ursache. Es gebe unter anderem Rotschlammbecken und Laugenabfall. Natronlauge, eine stark ätzende Substanz, wird bei der Herstellung von Aluminium verwendet, Rotschlamm ist ein giftiges Abfallprodukt. Die Sanierungsarbeiten kommen jedoch aufgrund eines anhängigen Gerichtsverfahrens nicht voran, wie die Zadarski list in ihrer Ausgabe vom 13. Februar 2020 berichtete.
Schlampereien beim Umweltskandal in Kroatien
„Diese Umweltkatastrophe zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft Kroatiens warf kein gutes Licht auf die Umweltpolitik des kleinen Balkanstaates“, erklärt Ulrich Karlowski, Biologe der Deutschen Stiftung Meeresschutz. Denn Nachlässigkeit, Ignoranz und Behördenversagen über Jahrzehnte sind schuld für die Schäden, die Flora, Fauna und die Anwohner nun erleiden. Laut des Informanten der Slobodna Dalmacija sollen Mitarbeiter der für die Fabrikdemontage zuständigen Firma Teile der Anlage auf eigene Rechnung verkauft und nicht brauchbares Material und Flüssigkeiten illegal entsorgt haben.
Novigradsko more & Karinsko more
Die Zrmanja mündet in das Novigrader Meer (Novigradsko more). Es bildet, zusammen mit dem dahinterliegenden kleineren Kariner Meer (Karinsko more), eine Art Sackgasse im Hinterland von Zadar.
Die beiden kleinen Binnenmeere sind nur durch eine schmale Passage miteinander beziehungsweise mit der Adria verbunden. Dennoch trifft man gelegentlich auch hier auf Meeressäuger. Im Novigrader Meer erfreute 2015 ein geselliger Delfin namens Bobi die Badenden. Selbst Finnwale verirrten sich schon dorthin.
DSM-Team dokumentiert die Sektion eines jungen Finnwals, der im Karinski More strandete und starb. Foto: © U.Karlowski/U.Kirsch
Titelfoto: Die von einem Ölfilm bedeckte Zrmanja von Igor Jurjević