Nach Umweltschäden von ca. 1 Billion US-Dollar: Mutige Proteste und Klagewelle gegen Umweltsünder Formosa Steel
Am 2. Oktober 2016 versammelten sich rund 20.000 Demonstranten vor dem Stahlwerk Formosa Steel und forderten den Abzug des weltweit für Umweltskandale berüchtigten taiwanesischen Konzerns aus Vietnam sowie eine angemessene Entschädigung für die Betroffenen und zur Behebung der Umweltschäden. Im April war es zu eine Umweltkatastrophe und einem Massensterben von Fischen gekommen, nachdem aus dem Stahlwerk – angeblich wegen eines Stromausfalls – giftige Abwässer ungeklärt ins Meer gelangten. Tausende Fischerfamilien verloren ihre Existenzgrundlage, das marine Ökosystem soll auf Jahrzehnte zerstört sein.
Polizei ergreift die Flucht vor Demonstranten
Die Großdemonstration verlief trotz anfänglicher Rangeleien friedlich. Die zum Schutz des Formosa Steel Geländes abgestellten Hundertschaften von Polizei und Armee sollen sogar, nachdem die Anzahl der Demonstranten auf 6.000 angewachsen war, aufgegeben, sich ihrer Uniform entledigt und die Flucht ergriffen haben.

Mit diesen Bussen reiste eine 600-köpfige Delegation zur Einreichung der Sammelklage zum Gericht nach Ky Anh, ha Tinh.
Sammelklage trotz massiver Einschüchterungsversuche der Behörden eingereicht
Die Proteste folgten einer von den betroffenen Fischern erhobenen Sammelklage gegen den Formosa Steel, die eine 600-köpfige Delegation Ende September – trotz massiver Polizeipräsenz und Einschüchterungsversuchen – dem Kreisgericht von Ky-Anh übergeben hatte. Die Wissenschaftlerin Nguyễn Thị Hải Yến von der Viet Ecology Foundation beziffert den in den vier Provinzen durch Formosa Steel verursachten Umweltschaden auf ca. 1 Billion US-Dollar.
Minister gehen baden
Erst Ende August hatte das vietnamesische Umweltministerium mit großem Tamtam verkündet, dass die verseuchten Küstengebiete sich mehr oder weniger von der Umweltkatastrophe erholt hätten. Ein demonstratives Fischessen von Ministern und Funktionären mit anschließendem Bad im Meer sollte der Bevölkerung suggerieren, dass sich die Wasserqualität schneller als erwartet verbessert hätte.

Minister gehen baden. Quelle: Umweltministerium Vietnam.
Dennoch fielen die Empfehlungen zum Fischverzehr unterschiedlich aus. In der Zeitung BBC Vietnam riet Prof. Mai Trong Thuan von der Vietnamesischen Akademie für Wissenschaft und Technologie vom Fischfang innerhalb einer 15-km-Zone ab, während er vietnamesischen Staatsmedien zufolge erklärte, dass Baden, Wassersport und Aquakultur jetzt wieder möglich sei.
Fischerfamilien in existenzieller Not
Das nach außen vermittelte Bild hat nach uns vorliegenden Informationen allerdings wenig mit der Realität im Land zu tun. So soll die Regierung den betroffenen Bewohnern, trotz ihrer Proteste, Gesundheitsuntersuchungen verweigern, regierungsunabhängige Personen oder Institutionen dürften keine eigenen Untersuchungen von Fischen und Gewässern anstellen. Das betroffene Küstengebiet soll durch Polizeikräfte so stark gesichert sein, dass niemand unkontrolliert hinein kommt.

Tausende Fischerfamilien verloren ihre Existenzgrundlage.
Foto: Kathleen Reaugh/Marine Photobank.
Dies erschwert u.a. die Lieferung von Hilfsgütern von Privatpersonen oder Organisationen, auf die die unverschuldet in Not geratene Bevölkerung dringend angewiesen ist. Unzählige Fischer und Aquafarmer verloren durch die Umweltkatastrophe ihre Arbeit und sind nun in ihrer Existenz bedroht.
Forderungen von Umweltschützern
Vietnamesische Umweltschützer fordern von ihrer Regierung Untersuchungen der Küstengewässer und Meerestiere durch unabhängige Institutionen und/oder Organisationen sowie medizinische Betreuung der betroffenen Menschen.
Nur so wird es möglich sein, ein klares und vor allem objektives Bild über das Ausmaß der Katastrophe zu bekommen und den Menschen gezielt helfen zu können.
Ulrike Kirsch, 07.10.2016
Weitere Informationen
tinmungchonguoingheo.com: Đơn khởi kiện Formosa của bà con ngư dân Miền Trung
dailymail: Thousands protest steel plant over Vietnam fish deaths
Focus Taiwan News Channel: FPG says Vietnamese government will handle fishermens‘ lawsuits