Seit mittlerweile acht Jahren enden die Jahrestagungen der Antarktis-Kommission (CCAMLR) weitgehend ergebnislos. So auch die 43. Jahrestagung, die am 25. Oktober 2024 in Hobart, Australien, endete. Erneut konnte sich die Kommission nicht auf die von Meeresschützern und Wissenschaftlern dringend geforderte Ausweisung dreier großer Schutzgebiete einigen. Wie in den Vorjahren waren Russland und China die Bremser. Mit der Schaffung des 1,8 Millionen Quadratkilometer großen „Weddell Sea“-Schutzgebietes wäre immerhin das größte Meeresschutzgebiet entstanden. Dabei steht das Ökosystem des Südpolarmeeres unter immer stärker werdendem Druck. Hauptsächlich wegen der Folgen der Ozeanerhitzung (schmelzende Eisschilde und Gletscher, schrumpfende Meereisflächen) und der industriellen Krillfischerei. Bei der Bewirtschaftung der Krillfischerei ergab sich sogar ein erheblicher Rückschritt. Bis 2024 geltende Managementmaßnahmen wurden nicht verlängert.
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Drei neue Antarktis-Schutzgebiete?
East Antarctic
![Karte Antarktis-Schutzgebiet im Ross-Meer und Vorschläge für neue Schutzgebiete.](https://www.stiftung-meeresschutz.org/wp-content/uploads/themen/antarktis/karte-antarktis-schutzgebiet-vorschlaege-fuer-neue-schutzgebiete-450x322px.jpg)
Den Vorschlag zur Einrichtung des East Antarctic MPA gibt es bereits seit mehr als 10 Jahren. Es würde drei Blöcke entlang der Ostantarktis umfassen. Hier gibt es viele Kaltwasserkorallen. Außerdem sind sie ein wichtiges Nahrungsgebiet für Pinguine.
Weddell Sea
Der zweite Vorschlag sieht die Schaffung eines 1,8 Millionen Quadratkilometer großen Antarktis-Schutzgebiets im Bereich des Weddellmeeres (Weddell Sea MPA) neben der antarktischen Halbinsel vor. Damit wäre das größte zusammenhängende Meeresschutzgebiet entstanden. Sechsmal so groß wie Deutschland.
Das Weddellmeer steht stark unter Druck durch die Auswirkungen der Klimakatastrophe und der industriellen Fischerei. Große Industrietrawler fangen hier Antarktische Seehechte (Tiefseelangleinenfischerei). Zusätzlich schädigt die Krill-Fischerei dieses sensible Ökosystem am anderen Ende der Welt.
Antarctic Peninsula
Schließlich gibt es noch den von Argentinien und Chile eingebrachten Vorschlag für ein Antarktis-Schutzgebiet westlich der antarktischen Halbinsel (Antarctic Peninsula MPA). Diese Region ist besonders anfällig für Tourismusauswirkungen und Fischereiaktivitäten und leidet unter der globalen Erhitzung.
Antarktischer Krill: Schlüsselart antarktischer Nahrungsnetze
Die kleinen Krebse (Leuchtgarnelen) gehören zum Zooplankton und sind eine der Schlüsselarten der antarktischen Nahrungsnetze. Sie sind ein Bindeglied zwischen Primärproduzenten wie Algen und höheren Konsumenten. Krilljäger wie Wale, Pinguine, Fische und Robben verlieren ohne ausreichend große Krillschwärme einen wesentlichen Teil ihrer Nahrungsgrundlage. Im Südlichen Ozean existieren allerdings noch andere Zooplanktongemeinschaften. Hier dominieren Flohkrebse, Salpen oder der Antarktische Silberfisch als Schlüsselarten.
Krill wird zu Fischöl für Aquakulturen und anderem Tierfutter verarbeitet. Von 2007 bis 2022 wuchs die Krillfischerei laut einer Statistik der CCAMLR von knapp 105.000 Tonnen auf mehr als 415.000 Tonnen. Hauptsächlich, weil größere und modernere Fischkutter eingesetzt werden.
Ein Tier der Superlative
Antarktischer Krill (Euphausia superba) kommt nur im Südlichen Ozean vor. Die Art zählt zu den vielen in der Antarktis endemischen Arten. Krillkrebse gehören zu den Leuchtgarnelen. Mit einer Länge von bis zu sechs Zentimetern ist der Antarktische Krill nicht nur eine der größten Schwimmgarnelen des Südpolarmeers. Er kann zudem bis zu elf Jahre alt werden. Antarktischer Krill bildet die größte bekannte tierische Biomasse. Sein zirkumpolares Vorkommen wird – ohne Larven – auf 133 Millionen Tonnen geschätzt. Mehr Gesamtgewicht bringt nur noch der Mensch auf die Waage1.
Der Fortpflanzungszyklus des Antarktischen Krills ist eng an das Vorhandensein von Meereis geknüpft. Schwindet das Meereis, verschwindet der Krill. Weniger Krill bedeutet schrumpfende Bestände der von ihm abhängigen Prädatoren.
CCAMLR versagt bei der Bekämpfung illegaler Fischerei (IUU)
Wie stark das Interesse Russlands an der ungehemmten Ausbeutung der Antarktis ist, zeigte 2020 das Beispiel der unter russischer Flagge fahrenden F/V Palmer. Obwohl Neuseeland Beweise vorlegte, dass der Fischtrawler im Rossmeer-Schutzgebiet illegal gefischt hatte (IUU/illegal, undokumentiert und unreguliert), konnte sich die CCAMLR nicht einmal darauf einigen, die F/V Palmer auf ihre IUU-Liste zu setzen.
Deshalb durfte die F/V Palmer ihre Fangtätigkeiten fortsetzen – ohne jegliche Konsequenz. Dabei hatte die CCAMLR einst bei der Bekämpfung der IUU-Fischerei eine führende Rolle eingenommen.
Die CCAMLR
Die „Kommission für die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Antarktis“ (CCAMLR) wurde als Teil des Antarktis-Vertragssystems gegründet, um die biologische Vielfalt des Südpolarmeeres zu erhalten. Sie hat 27 Mitglieder, darunter die EU, sowie zehn Staaten mit beratender Funktion. Entscheidungen der CCAMLR über Schutzgebiete in der Antarktis müssen einstimmig getroffen werden.
![Pinguine müssen weiter auf neue Antarktis-Schutzgebiete warten.](https://www.stiftung-meeresschutz.org/wp-content/uploads/projekte-tierarten/pinguine/sieben-pinguine-antarktis-john-weller-400x267px.jpg)
Im Jahr 2009 bekräftigten die CCAMLR-Mitglieder ihre Verpflichtung, ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten (Marine Protected Areas/MPAs) im Südpolarmeer einzurichten.
In der Folge einigten sie sich auf das erste MPA im südlichen Schelf der südlichen Orkneyinseln. Im Jahr 2016 wurde schließlich das mit 1.550.000 Quadratkilometern derzeit größte Meeresschutzgebiet im Rossmeer beschlossen.
Seitdem ist die Kommission nicht weiter vorangekommen.
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
- WOR 6 Arktis und Antarktis – extrem, klimarelevant, gefährdet | 2019 ↩︎
Titelfoto: © John Weller