Meeresschutzgebiete – Azoren und Australien mit Meilensteinen

Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas/MPAs) sollen die biologische Vielfalt sichern und sie vor abwendbaren Gefahren schützen. Außerdem können sie dort, wo die Artenvielfalt bereits zurückgegangen ist, dafür sorgen, dass diese sich wieder erholt. Fischbestände regenerieren sich in funktionierenden Schutzzonen innerhalb kurzer Zeit, wenn sie nicht befischt werden (No-Take-Zonen). Wegen des vom MPA erzeugten Spillover-Effekts können Fischer außerhalb des Meeresschutzgebietes sogar mehr und größere Fische fangen als vorher. Soweit die Theorie. Leider sind viele MPAs – wie in Deutschland – „paper parks“. Es gibt sie nur auf dem Papier. Zudem herrscht Verwirrung über die Definition von „Schutz“ und die Erwartungen an die Wirkung von Meeresschutzgebieten. In manchen MPAs ist keinerlei menschliche Nutzung zugelassen. Noch sind das viel zu wenige. Doch diese MPAs erfüllen die in sie gesteckten Erwartungen.

In anderen Meeresschutzgebieten wiederum ist alles zugelassen. Von intensiver Fischerei bis zum Tiefseebergbau. Dies führt zu Kontroversen über die Wirksamkeit von Meeresschutzgebieten und untergräbt das Vertrauen in MPAs. Zudem gefährden wirkungslose Meeresschutzgebiete sämtliche Ziele für den Erhalt der Biodiversität, einschließlich des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und der Agenda für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN).

Beispiele

Noch vor wenigen Jahren konnte man sich nicht vorstellen, dass das Unterziel 14.5 des UN-Nachhaltigkeitsziels 14 (Leben unter Wasser), bis 2020 zehn Prozent der Meeresfläche unter Schutz zu stellen, jemals erreicht werden könnte. Aber dann „hagelte“ es Meeresschutzgebiete. Besonders die US-Präsidenten George W. Bush und Barack Obama ließen es sich nicht nehmen, jeweils „ihr“ weltweit größtes Schutzgebiet auszurufen.

Trotz dieses präsidialen Eifers verfehlte die Weltgemeinschaft letztlich mit ca. 7 % das Unterziel 14.5. Dabei stand man kurz davor. Doch Ende Oktober 2020 konnte sich die „Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis“ (CCAMLR) nicht auf die Einrichtung dreier großer Schutzgebiete in der Antarktis einigen.

George W. Bush erschuf im Januar 2009 Meeresschutzgebiete, die mit einer Fläche von 500.000 km² ungefähr so groß wie Spanien sind. Zu den von Bush eingerichteten drei Reservaten gehören neben dem Pacific Remote Islands Marine National Monument das Mariana Trench Marine National Monument (Inseln der Nördlichen Marianen) und das Rose Atoll Marine National Monument (Rose-Atoll in Amerikanisch-Samoa). Ihm ist es zu verdanken, dass auch der 2.400 km lange Marianengraben mit dem tiefsten Punkt der Erde geschützt ist.

Karte des Pacific Remote Islands Marine National Monument Meeresschutzgebiets (MPA).
US-Meeresschutzgebiete im Pazifik. Quelle: NOAA

Barack Obama vergrößerte das von Bush ausgerufene „Pacific Remote Islands Marine National Monument“ dann um fast das Neunfache auf 1.282.534 km². Damit war es zu dieser Zeit das größte Meeresschutzgebiet.

Karte vom Meeresschutzgebiet PIPA bei Kiribati

Anfang 2015 verbot die Regierung des aus einer Vielzahl von Inseln bestehenden Kleinstaates Kiribati in einem der seinerzeit größten Meeresschutzgebiete die kommerzielle Fischerei. Es handelt sich um die über 408.000 km2 umfassende Phoenix Islands Protected Area (PIPA).

Das gesamte Schutzgebiet ist eine „No-Take-Zone“. PIPA (Phoenix-Inseln) ist ungefähr so groß wie Kalifornien. Sie umfasst elf Prozent der ausschließlichen Wirtschaftszone von Kiribati. Seit 2010 steht das Gebiet auf der UNESCO Weltkulturerbe-Liste.

Bis 2015 hatte Kiribati, das auf der Hälfte des Weges zwischen Hawaii und Australien in Mikronesien liegt, Fischereilizenzen verkauft. Darunter an Japan, China oder Taiwan. Mit der neuen No-Take-Zone ist ein sehr artenreiches Meeresgebiet sicher vor Fischereiaktivitäten.

Die PIPA umfasst acht Atolle und zahlreiche kleinere Koralleninseln. Ihre umfangreichen Riffe sind noch weitgehend intakt. Mehr als 120 Korallenarten, 514 Arten Rifffische sowie Raubfischarten wie Thunfische, Haie oder Makrelen wurden hier bislang identifiziert. Außerdem suchen Meeresschildkröten die Strände der in der PIPA liegenden Inseln zur Eiablage auf. Zudem gibt es hier Delfine und große Ansammlungen von Seevögeln.

Im November 2021 wurde bekannt, dass die Regierung von Kiribati PIPA aufgeben, für kommerzielle Fischerei freigeben und als UNESCO-Weltkulturerbe abmelden wolle.

Die seit 2016 zur Welterbe-Liste der UNESCO zählenden Revillagigedo-Inseln vor der Westküste Mexikos gehören zu den größten Natur- und Meeresschutzgebieten von Nordamerika. Fischereiaktivitäten sind in dem aus vier unbewohnten Vulkaninseln bestehenden und sich über 420 km erstreckenden Archipel verboten (No-Take-Zone).

Karte vom Meeresschutzgebiet Revillagigedo-Archipel

Das mexikanische Umweltministerium will auch den Bau von Hotels auf der Inselgruppe mit ihrer Landfläche von 157 km² unterbinden. Denn die etwa 400 Kilometer vom Badeort Cabo San Lucas (Bundesstaat Colima) an der Südspitze der Baja California entfernt liegenden Inseln (San Benedicto, Socorro, Roca Partida and Clarión) zeichnen sich durch ihren außerordentlichen Artenreichtum aus. Neben vielen bedrohten Arten leben hier auch seltene Reptilien- und Seevogelarten.

Für Wale, Delfine, Walhaie, Mantarochen sind die umliegenden Gewässer ein wichtiger Rückzugsraum. Wegen seiner Artenvielfalt bezeichnet man die Inseln auch als Mexikos kleines Galapagos. Von den 366 hier heimischen Fischarten kommen 26 nur hier vor. Sie sind endemisch.

Wie bei anderen Schutzgebieten auch, hängt der Erfolg der Schutzzone von Kontrollen und Überwachung ab. Piratenfischer scheren sich nicht um Vorschriften. Deshalb überwacht die mexikanische Marine das Gebiet.

Karte der No-Take-Zone Kermadec Ocean Sanctuary.
Quelle: NewZealand Government, Ministry for the Environment

Ende September 2015 kündigte Neuseeland die Einrichtung eines riesigen Meeresschutzgebietes an. Das Kermadec Ocean Sanctuary umfasst eine Fläche von 620.000 km². Damit ist es größer als Frankreich. In der noch weitestgehend unberührten Region sind nun für die Meeresumwelt negative Aktivitäten verboten. Dazu zählen Fischfang (No-Take-Zone) oder die Suche nach Bodenschätzen.

In den Gewässern rund um die im südwestlichen Pazifik gelegenen, unbewohnten Kermadecinseln leben zahlreiche seltene und bedrohte Arten. Darunter mindestens 35 Delfin- und Walarten, Meeresschildkröten und Vögel. Der im gesamten Südpazifik beheimatete Kermadec-Sturmvogel ist nach diesen Inseln benannt. Denn man kann hier ganzjährig beobachten.

Auf der UN-Weltklimakonferenz in Glasgow (COP 26) verkündeten die Präsidenten von Ecuador, Kolumbien, Costa Rica und Panama im November 2021 die Einrichtung eines neuen, rund 500.000 km2 großen Meeresschutzgebietes.

Es erweitert und verbindet bereits existierende Schutzgebiete. Dadurch ist das Galapagos-Schutzgebiet (Ecuador) jetzt mit dem Naturreservat rund um die unbewohnte, im Ostpazifik liegende Insel Malpelo (Kolumbien) sowie mit den Nationalparks der Cocos- und Coiba-Inseln (Costa Rica und Panama) verbunden. Hier leben Wale und Delfine, Haie, RochenMeeresschildkröten und andere Meerestiere. Darunter auch gefährdete oder vom Aussterben bedrohte, spektakuläre Arten wie Bogenstirn-Hammerhaie und Walhaie.

Industrieller Fischfang, z. B. Langleinenfischerei, ist dort künftig verboten. Lokale, handwerkliche Fischerei ist in bestimmten Zonen weiterhin möglich. In einem von vielen Meerestieren genutzten 30.000 km2 großen Wanderkorridor soll ein vollständiges Fischereiverbot gelten (No-Take-Zone). Der Korridor liegt zwischen dem Galapagos-Schutzgebiet und dem Cocos Island National Park in Costa Rica. Allerdings ist die Region unter Druck durch illegale Fischerei (IUU/illegal, unreguliert und undokumentiert). Insbesondere durch illegale Haifischerei und Hai-Flossenfischerei.

„Wir werden Ökosysteme wie die Galapagos- und die Cocos-Inseln schützen, die zu den wertvollsten Ökosystemen gehören“, verkündete Costa Ricas Präsident Carlos Alvarado Quesada auf der COP 26. Während der Präsident von Panama, Laurentino Cortizo hinzufügte, es werde viel „über den Klimawandel geredet“ und es gebe „viele nicht eingehaltene Zusagen“. Daher sei das neue Meeresschutzgebiet „eine starke Maßnahme und das, was unser Land und die Welt benötigen“.

Im Oktober 2024 erweiterte die australische Regierung ein bestehendes Meeresschutzgebiet in der Subantarktis im südlichen Indischen Ozean um das Vierfache. Das Schutzgebiet liegt bei den abgelegenen Heard und McDonaldinseln. Sie befinden sich etwa 1.700 Kilometer von der Antarktis entfernt und etwa 4.000 Kilometer südwestlich des australischen Festlands. Die Region ist wichtiger Lebensraum und Nahrungsgrund für Wale, Robben und Pinguine. Sie gehört zu den 13,2 Prozent der in den Weltmeeren verbliebenen ökologischen unberührten marinen Wildnis.

Jetzt stehen 52 Prozent der australischen Meeresgebiete unter Schutz. Australien übertrifft damit deutlich das 30×30-Ziel des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt

Die australische Umweltministerin Tanya Plibersek verkündete weitere ambitionierte Meeresschutzpläne. Unter anderem wird das Meeresparknetzwerk „South-east Marine Parks Network“ an den Küsten Südostaustraliens und Tasmaniens um neue Schutzgebiete und mehr fischereifreie Zonen erweitert.

Im Oktober 2016 gelang der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) ein historischer Durchbruch.

Nach zähen, über fünfjährigen Verhandlungen mit 24 Staaten und der EU, entstand das derzeit größte Meeresschutzgebiet der Welt. Das auch der „letzte Ozean“ genannte und weitgehend unberührte antarktische Rossmeer. Ein großartiger Erfolg. Schließlich profitieren unzählige Meerestierarten davon. Darunter Wale, Adelie- und Kaiserpinguine, Weddell-Robben oder Krill. Sogar für den durch hemmungslose Tiefseelangleinenfischerei stark überfischen Schwarzen Seehecht ist Entlastung in Sicht.

Allerdings ist auf rund einem Viertel des Gebiets weiterhin Tiefseelangleinen- und Krillfischerei erlaubt. Dennoch, der größte Teil des neuen Schutzgebiets – etwa 1,12 Millionen Quadratkilometer –, bleibt als gigantische No-Take-Zone tabu. Unklar ist jedoch, wer das alles überwachen wird und wie mit illegal operierenden Piratenfischern verfahren werden soll. Befremdlich ist zudem, dass der Status als Meeresschutzgebiet nur für 35 Jahre gilt. Anschließend soll es neue Verhandlungen geben.

Der zentrale Teil des Arktischen Ozeans ist nicht als Meeresschutzgebiet ausgewiesen. Aber er hat eine größere Bedeutung für den Biodiversitätserhalt als die meisten offiziellen Meeresschutzgebiete. Denn seit Oktober 2018 gilt ein 15-jähriges Verbot für die Hochseefischerei im zentralen Nordpolarmeer (Übereinkommen zur Verhinderung der unregulierten Hochseefischerei im zentralen Nordpolarmeer). Damit ist ein Gebiet von etwa 2,8 Millionen km2 – der Größe des Mittelmeeres – bis 2033 vor kommerzieller Fischerei geschützt. Der Vertrag kann um weitere fünf Jahre verlängert werden.

Ausschlaggebend für das Fischereiverbot war der Rückgang des Meereises aufgrund der Klimakatastrophe. Im Sommer sind mittlerweile bis zu 40 Prozent des zentralen Arktischen Ozeans eisfrei und für Fischtrawler schiffbar. Folglich nimmt das Interesse an Fischzügen in der Arktis zu.

Im Oktober 2024 erklärte die autonome Regierung der Azoren nun rund ein Drittel ihrer Gewässer als Meeresschutzgebiete. Sie erfüllt damit das „30-x-30-Ziel“ des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt.

Die Gewässer rund um die Azoren sind ein Hotspot der Artenvielfalt. Viele Arten Wale, Delfine, Haie und Meeresschildkröten leben hier. Es gibt sogar eine residente Pottwal-Population mit rund 2.500 Tieren.

Die neuen Schutzzonen rund um die neun Inseln des Azoren-Archipels umfassen eine Gesamtfläche von 287.000 Quadratkilometern.
Bild: AZORES MPA NETWORK / Blue Azores

Die Schutzzonen rund um die neun Inseln des Azoren-Archipels umfassen eine Gesamtfläche von 287.000 Quadratkilometern. Das entspricht fast der Größe von Italien. Es ist das größte Netzwerk von Meeresschutzgebieten im Nordatlantik!

Die Hälfte der Meeresschutzgebiete steht als No-Take-Zonen (Nullnutzungs-Zonen) unter vollständigem Schutz. Fischerei und andere Ressourcennutzung sind verboten. Die andere Hälfte steht unter strengem Schutz. Dort bestehen Einschränkungen bei der Ressourcennutzung.

Vorausgegangen waren zahlreiche Treffen mit allen Interessengruppen. Mehr als 5 Jahre lang suchten Wissenschaftler, NGOs, öffentliche Einrichtungen und Verbände aus Fischerei und Tourismus dabei nach Lösungen, um den Schutz der Meeresökosysteme und wirtschaftliche Aktivitäten in Einklang zu bringen.

Es liegt im Atlantik zwischen Island und den Azoren am sogenannten Mittelatlantischen Rücken. Hier driften Kontinentalplatten auseinander. Dabei fließt immer wieder Magma ins Meer. Am Meeresboden bilden sich so mit der Zeit Gebirgsstrukturen (Seeberge). Auch dadurch ist das Gebiet des Charlie-Gibbs-MPA ein produktiver und artenreicher Tiefseelebensraum, was ihn für die Tiefsee-Fischerei hochinteressant macht. Experten hatten befürchtet, dass diese besonderen Lebensräume durch Grundschleppnetzfischerei zerstört werden könnten. OSPAR und die für das Meeresgebiet zuständige Regionale Fischereimanagement-Organisation North-East Atlantic Fisheries Commission (NEAFC) einigten sich jedoch, die FAO-Richtlinien zur bodenberührenden Fischerei umzusetzen. Demnach sollen ökologisch bedeutsame Gebiete mit Seebergen, Kaltwasserkorallen oder Tiefseeschwämmen vor dieser zerstörerischen Fischerei geschützt werden.

Allerdings dürfen Fische, die im Charlie-Gibbs Meeresschutzgebiet in der Wassersäule schwimmen, nach wie vor befischt werden. Auch Fangflotten aus Staaten, die nicht der NEAFC angehören, sind nicht verpflichtet, die Regeln des MPA zu respektieren. Dennoch ist das Charlie-Gibbs-MPA eines der wenigen Beispiele für ein Meeresschutzgebiet auf der Hohen See. Der Name stammt vom Forschungsschiff „Josiah Willard Gibbs“, das hier 1968 unterwegs war. Der Zusatz „Charlie“ hingegen stammt von einer gleichnamigen Wetterstation.

Quelle: world ocean review 4

Zum Welttag der Meere 2022 erklärte die kanadische Regierung das rund 44.000 km2 große „Eastern Canyons Marine Refuge“ vor der Küste der kanadischen Provinz Neuschottland zum Meeresschutzgebiet. In dem fischreichen Gebiet gibt es die größten bekannten Kaltwasserkorallenriffe vor der Atlantikküste Kanadas, Tiefseeschwämme und viele Delfine. „Man kann es sich wie einen alten Wald im Meer vorstellen“, sagte Kristian Curran von der Abteilung für Fischerei und Ozeane (Department of Fisheries and Oceans/DFO) gegenüber CBS News.

Die Einrichtung ist Teil der Verpflichtung Kanadas, bis 2025 25 Prozent und bis 2030 dann 30 Prozent seiner Küstengewässer unter Schutz zu stellen.

Das „Eastern Canyons Marine Refuge“ liegt vor Sable Island und reicht bis zur ausschließlichen Wirtschaftszone Kanadas (AWZ, Seegebiete des Küstenmeeres bis zur 200-Seemeilen-Grenze). Es grenzt an das „Gully Marine Protected Area“. Dieses war das Erste seiner Art vor der kanadischen Atlantikküste. In dem neuen Meeresschutzgebiet sind alle Fischereien, bei denen der Meeresboden berührt wird (Tiefseefischerei), verboten. Darunter fallen Grundschleppnetze, Reusen, Fangkörbe und Langleinen

Lediglich auf etwa 0,2 Prozent Fläche gibt es noch eine Fischereizone für kleinere Fischkutter, die Langleinen einsetzen. Bei Fangfahrten müssen jedoch DFO-Fischereibeobachter an Bord sein. Damit verliert die Tiefseefischerei in dieser Region einen durchschnittlichen Anlandewert von 700.000 US-Dollar, berichtet CBS News. Bezogen auf das Fischerei-Managementgebiet „Eastern Scotian Shelf“ sind das etwa fünf Prozent des hier insgesamt in einem Jahr erwirtschafteten Anlandewerts.

Anfang Oktober 2021 riefen die 15 Vertragsstaaten der Oslo-Paris-Konvention (OSPAR) zusammen mit der EU ein neues Meeresschutzgebiet im Nordostatlantik aus. Das „North Atlantic Current and Evlanov Sea Basin“ (NACES). NACES ist ein Biodiversität-Hotspot. Mehr als fünf Millionen Seevögel versammeln sich hier regelmäßig. Doch auch zahlreiche andere Meerestierarten nutzen das Gebiet. Zusätzlich tragen 47 Seeberge mit ihrem Artenreichtum zur Bedeutung Schutzgebiets bei.

Im Anschluss an die OSPAR-Jahrestagung 2014 stellten Schottland, Spanien und Portugal mehr als 70 Gebiete unter Schutz oder kündigten an, dies umzusetzen. In diesen Meeresschutzgebieten befinden sich die Lebensräume zahlloser, teilweise seltener und bedrohter Arten. Darunter Tiefseehaie, Korallengärten oder Tiefseeschwämme. Erstmals wandte man hier zusätzliche Kriterien der Roten Liste des OSPAR-Abkommens an. Dadurch gelang es, von der EU (noch) nicht geschützte Arten und Lebensräume zu erfassen.

Stumpfnasen-Sechskiemerhai in der Tiefsee, Pacific Remote Islands Marine National Monument.
Sechskiemerhaie sind ursprüngliche Tiefseehaie. Sie zeichnen sich durch sechs Kiemenspalten auf jeder Kopfseite aus. Damit unterscheiden sie sich von allen anderen Haien. Foto: NOAA Office of Ocean Exploration and Research, Deepwater Wonders of Wake.

Im April 2024 verkündete der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, dass Griechenland im Ionischen Meer und in der Ägäis zwei neue Meeresnationalparks einrichten wird. Damit würde sich der Umfang der Meeresschutzgebiete des Landes um 80 Prozent erhöhen. Zusätzlich verkündete Mitsotakis ein ab 2026 geltendes Verbot der Grundschleppnetzfischerei in griechischen Meeresnationalparks. Bis 2030 dann wird diese für das Leben in den Meeren desaströse und extrem klimaschädliche Fischereimethode aus allen übrigen Meeresschutzgebieten verbannt. Die Maßnahmen will man mit einem hochmodernen System (u.a. Drohnen und Satelliten) und verstärkten Patrouillen überwachen.

Die unbewohnte Vulkaninsel Jabuka liegt mitten in der Adria, ca. 80 km nordwestlich der kroatischen Insel Vis. Die umgebenden Gewässer gehören zu den fischreichsten der Adria. Doch Überfischung ließ die Bestände schwinden. Als Gegenmaßnahme ergriff die kroatische Regierung daher ein Fangverbot und richtete eine Fishery Restricted Area (FRA) ein. Darin befindet sich eine No-Take-Zone, in der jegliche Fischerei verboten ist. Die von Fischern zunächst abgelehnte Zone erwies sich schon bald als Segen für die lokalen Kleinfischer. Dank des Spillover-Effekts fingen sie außerhalb der Schutzzone wieder mehr und größere Fische.

Das Becken von Jabuka (Jabučka kotlina) in der kroatischen Adria ist ein hervorragendes Beispiel für ein funktionierendes Meeresschutzgebiet. Ein Vorbild für das gesamte Mittelmeer.

Seit Ende 2017 sind die Gewässer zwischen den Balearen und dem spanischen Festland ein besonderes Schutzgebiet von mediterraner Bedeutung (Specially Protected Area of Mediterranean Importance – SPAMI). Dies entschied die 20. Vertragsstaatenkonferenz der Barcelona-Konvention der Mittelmeer-Anrainerstaaten. Für Meeresschützer war das wie ein lang ersehntes Weihnachtsgeschenk. Denn die Konferenz tagte vom 17. bis 20. Dezember in Tirana (Albanien).

Seit Jahren hatten Wissenschaftler, Meeresschützer und Regionalparlamente der Balearen und Kataloniens die spanische Regierung zu diesem Schritt aufgefordert. Die Meeresregion ist eine wichtige Finnwal-Wanderroute zu ihren Nahrungs- und Fortpflanzungsgebieten im nördlichen Mittelmeer. Ferner ist sie Lebensraum vieler Wal- und Delfinarten. Darunter Haie, Rochen, Meeresschildkröten, Fische und Seevögel. Außerdem leben hier die Extremtaucher unter den Meeressäugern, Cuvier-Schnabelwale.

Mit der SPAMI-Anerkennung erübrigen sich weitere Versuche der Ölindustrie, Lizenzen für die Suche nach Öl- und Gasvorkommen zu erhalten. Gegen derartige Pläne hatte sich massiver Widerstand, vorwiegend auf den Balearen, formiert. „Wir sind dankbar für die große Unterstützung durch spanische Volksvertretungen sowie durch Wissenschaftler und Naturschutzinstitutionen weltweit“, sagt Carlos Bravo, Sprecher der Alianza Mar Blava, einer Allianz mit mehr als 120 Mitgliedern. Neben balearischen und katalanischen Regierungsstellen, Privatunternehmen aus Bereichen wie Tourismus, Fischerei und Schifffahrt sowie Meeresschutzorganisationen und Wissenschaftler.

Bereits im Vorfeld leitete die spanische Regierung die SPAMI-Anerkennung mit einem Dekret ein. Dieses erklärte den Wanderkorridor zu einem Meeresschutzgebiet. Mit der Folge, dass dort keine seismischen Untersuchungen mit Airguns (Luftdruckpulsern) oder Abbautätigkeiten stattfinden durften.


Schlusslicht Deutschland

Und Deutschland? Da sieht es beim Thema effektive Meeresschutzgebiete weitgehend düster aus. Deutschland hat zwar ca. 45 % der Flächen seiner Küstenmeere und seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) als Naturschutzgebiete oder Natura-2000-Gebiete unter Schutz gestellt (in der Nordsee ca. 43 % und in der Ostsee ca. 51 %). Doch ist hier fast alles erlaubt. Sei es eine Ölbohrinsel im UNESCO-Weltnaturerbe Nationalpark Wattenmeer. Stellnetzfischerei im Schweinswalschutzgebiet vor Sylt. Grundschleppnetzfischerei im Meeresschutzgebiet Doggerbank. Militärische Sprengungen und Marine-Manöver. Selbst in Kernzonen des Nationalparks und UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer ist eine eingeschränkte wirtschaftliche Nutzung zulässig.

Seit November 2022 gibt es immerhin halbherzige Fischereiverbote zum Schutz von Schweinswalen in der Ostsee. Darauf folgten im Februar 2023 ähnlich zaghafte Einschränkungen in AWZ-Meeresschutzgebieten in der Nordsee. Mit der Amrumbank, einer Sandbank im Meeresschutzgebiet Sylter Außenriff, gibt es nun immerhin eine erste kleine, tatsächlich fischereifreie Zone in der AWZ.

Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag

Grafik oben aus: The MPA Guide: A framework to achieve global goals for the ocean


Weiterführende Informationen