Bis zur Eröffnung der dritten Weltozeankonferenz (UNOC-3, vom 9. bis 13. Juni in Nizza) dürfte das vielleicht wichtigste Ziel der Konferenz nicht mehr zu erreichen sein: 60 Ratifizierungen für das UN-Hochseeschutzabkommen (High Seas Treaty / BBNJ-Abkommen). Denn der Ratifizierungsprozess kommt nur quälend langsam voran. Fast zwei Jahre nach seiner Verabschiedung Anfang März 2023 und nach der förmlichen Annahme durch die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen am 19. Juni 2023 hatten bis Mitte Mai 2025 zwar 115 Staaten das Abkommen unterzeichnet. Doch nur 21 haben es bislang ratifiziert. Deutschland gehört nicht dazu. Als erste und bis hierhin einzige europäische Staaten ratifizierten Spanien (4. Februar 2025) und Frankreich (5. Februar 2025) das Abkommen. Zuletzt kam am 19. März 2025 Südkorea dazu.
Erst, wenn 60 Staaten das BBNJ-Abkommen (Biodiversity Beyond National Jurisdiction) ratifiziert haben und die 60. Ratifikationsurkunde hinterlegt ist, kann das Abkommen 120 Tage danach in Kraft treten.
„Ein wirksames Hochseeschutzabkommen ist entscheidend für die Einrichtung von Meeresschutzgebieten auf der Hohen See. Der Schutz der marinen Biodiversität und der Erhalt gesunder Ozeane und damit des Lebens auf der Erde kann nur mit umfassendem Meeresschutz gelingen. Dazu ist es mitentscheidend, dass Deutschland, das als eines der ersten Länder das BBNJ-Abkommen unterzeichnet und damit zu den Wegbereitern für das Zustandekommen des Abkommens gehört, es auch ratifiziert“, erklärt Ulrich Karlowski, Biologe der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Den aktuellen Stand der Ratifizierungen zeigt der High Seas Treaty Ratification Tracker der High Seas Alliance.
Meilenstein für den Meeresschutz
„Das Hochseeschutzabkommen ist ein historischer Meilenstein im Meeresschutz. Es öffnet eine Tür, dass bis 2030 vielleicht doch 30 Prozent aller Meeresgebiete unter Schutz stehen, auch wenn die Zeit drängt. Bislang sind nur etwas mehr als 1 Prozent der Hohen See geschützt“, ergänzt Karlowski.
Auf das „30 × 30“-Ziel – 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche bis 2030 unter Naturschutz zu stellen – hatte sich die UN-Biodiversitätskonferenz Ende 2022 auf ihrer 15. Vertragsstaatenkonferenz in Montreal geeinigt.
Das UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ) oder UN Convention on the Law of the Sea (UNCLOS)
Mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) oder UN Convention on the Law of the Sea (UNCLOS) einigten sich 160 Nationen nach neunjährigen Verhandlungen auf eine verbindliche Aufteilung aller Meeresgebiete und des Meeresbodens (The Area). Am 16. November 1994 trat das SRÜ in Kraft. Es gilt als das größte und komplexeste Vertragswerk der Menschheit.
Im Jahr 2025 erweist sich der Umstand, dass die USA – neben einigen anderen Ländern – dem SRÜ nicht angehören, als äußerst gefährlich für die Ziele von UNCLOS und das Leben in den Ozeanen. Am 24. April 2025 öffnete US-Präsident Donald Trump mit einer seiner berüchtigten „Executive Orders“ die Tür zum Tiefseebergbau für US-Firmen auch auf dem Meeresboden von ABNJ-Gebieten.
Die Hohe See – Marine Areas Beyond National Jurisdiction (ABNJ)
Von Ausnahmen (erweiterten AWZ) abgesehen, beginnt die Hohe See ab der 200-Seemeilen-Grenze (ca. 370 Kilometer) der Küstenstaaten. Sie ist gemäß SRÜ ein „gemeinsames Erbe der Menschheit“. Ihre natürlichen Ressourcen gehören allen, und alle Nationen sollen sie, laut SRÜ, sorgsam und verantwortungsvoll nutzen. Jedoch sind die Regeln des SRÜ zu vage und unverbindlich.
Als Areas Beyond National Jurisdiction (ABNJ) steht die Hohe See außerhalb der Gerichtsbarkeit von Nationalstaaten. Zwei Drittel der Ozeane liegen in ABNJ-Gebieten, sie umfassen 90 % des bewohnten Lebensraums der Ozeane. Alle Meereslebewesen, die in diesem Gebiet leben, bezeichnet man als Biodiversity Beyond National Jurisdiction (BBNJ).
Das BBNJ-Abkommen ist eines von drei das SRÜ ergänzenden Umsetzungsabkommen. Es schafft einen verbindlichen Rechtsrahmen für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Hohen See. Dabei galt es, die zahlreichen bereits existierenden Regelungen zum Management natürlicher Ressourcen sektorenübergreifend zu bündeln. Es soll die schwierige Einrichtung von Meeresschutzgebieten auf der Hohen See erleichtern. Es gilt als ein Meilenstein für den internationalen Meeresschutz. Die Arbeiten an dem Abkommen reichen bis ins Jahr 2002 zurück.
Der Meeresboden – The Area
Die Nutzung aller mineralischen Ressourcen am Meeresboden unterliegt allerdings nicht dem BBNJ-Akommen, sondern fällt in den Zuständigkeitsbereich der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA). Die ISA gehört zu den drei das SRÜ ergänzenden Umsetzungsabkommen.
Die Hohe See: kein rechtsfreier Raum
Auch wenn die Hohe See außerhalb der Gerichtsbarkeit von Nationalstaaten liegt, ist sie weit davon entfernt, ein rechtsfreier Raum zu sein. So ist der Internationale Seegerichtshof (International Tribunal for the Law of the Sea, ITLOS) in Hamburg eine von vier Institutionen des SRÜ. ITLOS ist für Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des SRÜ zuständig. Zum weiteren Instrumentarium des SRÜ gehören die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) und das jetzt beschlossene BBNJ-Abkommen.
Viele Abkommen, wenig Kooperation
Der „World Ocean Review 4“-Bericht zählte 2015 knapp 600 regionale und überregionale Abkommen zur Nutzung und dem Schutz des Meeres. Allein unter dem Dach der UN existieren über 30 Organisationen und Kommissionen, die sich ganz oder teilweise mit Meeresthemen befassen.

Der Fischfang auf der Hohen See ist unter 11 Regionalen Organisationen für das Fischereimanagement (RFMOs) aufgeteilt. Lediglich die Arktis steht nicht unter RFMO-Verwaltung, da es hier (bislang) kaum Fischfang gibt. Für den Erhalt der biologischen Vielfalt des Südpolarmeers ist die „Kommission für die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Antarktis“ (CCAMLR) zuständig. Sie ist Teil des Antarktis-Vertragssystems (ATS).
Die Internationale Schifffahrtsorganisation (International Maritime Organization/IMO) wiederum regelt die Schifffahrt. In ihre Zuständigkeit fallen aber auch Fragen zur von der Schifffahrt verursachten Meeresverschmutzung (Ausstoß von Klimagasen) oder Schiffskollisionen.
Meeresschutzgebiete auf der Hohen See
Aufgrund der Vielzahl beteiligter Organisationen und Interessengruppen gelang es bislang kaum, Meeresschutzgebiete auf der Hohen See einzurichten. Und wenn, dann konnte man, wie bei der Charlie-Gibbs Marine Protected Area, nur Teilbereiche von der Nutzung ausschließen.
Durch das BBNJ-Abkommen besteht jetzt berechtigte Hoffnung, dass die Staatengemeinschaft beim Meeresschutz auf der Hohen See zukünftig besser kooperiert. „Vielleicht gelingt dann sogar, dass nach Jahren vergeblichen Verhandelns endlich die drei bedeutenden neuen Meeresschutzgebiete in der Antarktis zustande kommen“, hofft Ulrich Karlowski.
Charlie-Gibbs Marine Protected Area
OSPAR und die für das im Atlantik zwischen Island und den Azoren liegende Meeresgebiet zuständige Fischerei-Organisation (NEAFC) einigten sich zwar auf ein Verbot der zerstörerischen Grundschleppnetzfischerei. Fischfang in der Wassersäule ist im Charlie-Gibbs-Meeresschutzgebiet jedoch weiter möglich. Und Fangflotten aus Staaten, die nicht der NEAFC angehören, sind nicht verpflichtet, die Regeln des MPA zu respektieren. Zudem könnte die ISA theoretisch Lizenzen für Tiefseebergbau-Vorhaben im Schutzgebiet vergeben.
Fischereiverbot im zentralen Arktischen Ozean
Aufgrund territorialer Ansprüche der Anrainerstaaten USA, Norwegen, Kanada, Dänemark, Island und Russland zählt nur ein kleiner Teil des Arktischen Ozeans eindeutig zur Hohen See. Der zentrale Teil des Arktischen Ozeans ist jedoch eines der wenigen Meeresgebiete, in dem kein kommerzieller Fischfang stattfindet. Damit ist ein Gebiet von etwa 2,8 Millionen km2 – der Größe des Mittelmeeres – mindestens bis 2033 vor kommerzieller Fischerei geschützt. Offiziell handelt es sich nicht um ein Meeresschutzgebiet. Dennoch hat der zentrale Arktische Ozean durch das Fischereiverbot eine größere Bedeutung für den Biodiversitätserhalt als die meisten offiziellen Meeresschutzgebiete.
Vertrag zum Schutz der Hohen See ist keine Allround-Lösung
In der Präambel des BBNJ-Abkommen zum Schutz der Hohen See heißt es: „Handeln wir als Beschützer der Ozeane in Gebieten außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit im Namen heutiger und künftiger Generationen. Indem wir die Meeresumwelt schützen, pflegen und eine verantwortungsvolle Nutzung der Meeresumwelt einhalten. Bewahren wir die Erhaltung des Eigenwertes der biologischen Vielfalt in Gebieten außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit.“
Jedoch kann das BBNJ-Abkommen allein den Schutz der Ozeane für die Zukunft nicht sicherstellen. Konflikte sind vorprogrammiert. Denn das Abkommen über den Schutz der Hohen See ist nicht automatisch mit zwei gleichrangigen Institutionen des SRÜ harmonisiert.
So ist allein die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) völkerrechtlich zuständig für den Tiefseebergbau im Gebiet von The Area. Doch die damit verbundene Zerstörung der biologischen Vielfalt auf der Hohen See wäre unumkehrbar. Sowohl außerhalb als auch innerhalb zukünftiger Meeresschutzgebiete. Die Eigenermächtigung der USA zum Abbau mineralischer Bodenschätze in The Area hat diese Gefahr für das Wirkungspotential des BBNJ-Abkommen deutlich verschärft.
Auch die regionalen Fischereimanagement-Organisationen (RFMOs) funktionieren sehr unterschiedlich. Viele richten ihre Fangquoten auf die Interessen der Fischereiindustrie aus. Andere bestehen fast ausschließlich auf dem Papier.
Scheinheilig beim Meeresschutz: Deutschland
Deutschland unterschrieb das BBNJ-Abkommen zwar als eines der ersten von mittlerweile 107 Ländern. Danach tat sich jedoch nichts mehr.
„Außenministerin Baerbock sprach nach der Unterzeichnung von einem ‚Hoffnungsschimmer für die ganze Welt‘ und Umweltministerin Lemke von einem ‚historischen Tag für den Schutz der Meere‘. Für den Erhalt des Lebens in unseren Küstengewässern wäre viel gewonnen, wenn Deutschland mehr als nur schöne Worte in die Waagschale werfen würde. Es ist armselig, was Deutschland im Meeresschutz umsetzt“, betont Karlowski.
Titelgrafik: © Seas At Risk
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag