Am 24. April 2025 erließ US-Präsident Donald Trump eine seiner berüchtigten „Executive Orders“. Die Durchführungsverordnung unter der üblichen martialischen Betitelung „UNLEASHING AMERICA’S OFFSHORE CRITICAL MINERALS AND RESOURCES“ hat es in sich. Trump gibt den Tiefseebergbau für US-Firmen frei, und zwar weltweit! Also auch in Gebieten, die außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit (ABNJ) liegen – außerhalb der US-Küstengewässer (Küstenmeer und Ausschließliche Wirtschaftszone, AWZ). Ein Schlag ins Gesicht für das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS/SRÜ) und die für die Genehmigung für Tiefseebergbauvorhaben zuständige Behörde, die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA). Aufgabe der ISA ist es, die mineralischen Ressourcen des Tiefseebodens als gemeinsames Erbe der Menschheit gerecht zu verwalten.
„Diese Durchführungsverordnung ist fatal, eine Büchse der Pandora. Es könnte der Anfang vom Ende des Lebens in den Ozeanen und damit auf der Erde sein. Die entstehenden Umweltschäden sind unvorhersehbar und unumkehrbar. Niemand wird das je wieder reparieren können“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Worum geht es?
Hintergrund für Trumps Executive Order ist der von ihm entfachte Handelskonflikt mit China. Die USA befürchten, dass ihnen wegen eines Lieferboykotts der Chinesen in der Folge entscheidende Rohstoffe fehlen werden. Wie bei den 17 Metallen aus der Gruppe der Seltenen Erden. Hier hat China eine globale Monopolstellung.
So richtet sich die Executive Order mit markigen Worten zwar nicht explizit, aber deutlich erkennbar auch gegen die VR China.
- Die Vereinigten Staaten stehen vor beispiellosen wirtschaftlichen und nationalen Sicherheitsherausforderungen, wenn es darum geht, eine zuverlässige Versorgung mit kritischen Mineralien unabhängig von der Kontrolle ausländischer Gegner zu gewährleisten.
- Riesige Offshore-Meeresbodengebiete beherbergen kritische Mineralien und Energieressourcen.
- Unsere Nation muss unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um die verantwortungsvolle Erschließung der Bodenschätze des Meeresbodens zu beschleunigen, den Reichtum der Nation an Meeresbodenmineralien zu quantifizieren, die amerikanische Führungsrolle bei den damit verbundenen Gewinnungs- und Verarbeitungstechnologien wiederzubeleben und sichere Lieferketten für unsere Verteidigungs-, Infrastruktur- und Energiesektoren zu gewährleisten.
Mineralische Rohstoffe am Meeresboden in der Tiefsee
Der Rohstoffhunger der US-Bergbauindustrie und der Trump-Administration hat vor allem die Ausbeutung von Manganknollen, an schwarzen Rauchern befindlichen Massivsulfiden mit ihren mineralischen, metallhaltigen Schwefelverbindungen sowie Kobaltkrusten im Visier.
Manganknollen findet man in 3500 bis 6500 m Tiefe in allen Meeren. Sie enthalten vorwiegend Mangan, Eisen, Nickel, Kupfer, Titan, Kobalt und – in geringer Menge – Seltenerdelemente. Jede einzelne der kartoffel- bis handballgroßen Knollen ist ein weitgehend unerforschter Lebensraum für Mikroorganismen. Die Knollen wachsen extrem langsam, pro Million Jahre zwischen 10 und 100 Millimeter.

Glasschwamm in einem Manganknollenfeld. Die Knollen sind begehrt bei auf feste Strukturen angewiesenen sessilen oder semi-sessilen Meerestieren. Aufgenommen mit dem ROV KIEL 6000 während Expedition SO239,
© ROV-Team/GEOMAR (CC BY 4.0)
Bisher sind vier Zonen bekannt, in denen die Knollendichte groß genug für eine industriellen Ausbeutung ist. Die größte, mit einer Fläche von rund 9 Millionen Quadratkilometern, ist die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) im Pazifik. Die CCZ entspricht in etwa der Größe Europas. Man vermutet hier eine Manganknollenmasse von ca. 21 Milliarden Tonnen.

Quelle: „Predicting the impacts of mining deep sea polymetallic nodules in the Pacific Ocean“
Trump beruft sich auf veraltete US-Eigenermächtigung
Der US-Präsident beruft sich bei seiner Durchführungsverordnung – erneut – auf ein veraltetes US-Gesetz. Der Deep Sea Hard Mineral Resources Act (DSMHRA) berechtigt US-Bürger und US-Unternehmen, Mineralien am Meeresboden in der Tiefsee auszubeuten. Er stammt aus dem Jahr 1980.
Das völkerrechtlich verbindliche Internationale Seerechtsübereinkommen (SRÜ/UNCLOS) der UN ist seit 1994 in Kraft. Im Gegensatz zur VR China traten die USA dem SRÜ nicht bei, sind somit auch nicht Mitglied der Internationalen Meeresbodenbehörde. Bislang verhielten sie sich allerdings stets gemäß den Regularien des SRÜ. Das hat sich nun geändert.
Internationale Meeresbodenbehörde wird entmachtet
Grundsätzlich will die Trump-Administration die Erschließung von Meeresbodenmineralien nicht nur innerhalb ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), sondern auch in Gebieten außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit (Areas beyond National Jurisdiction/ABNJ) für US-Unternehmen ermöglichen. Damit verliert die ISA ihre völkerrechtlich verankerte Entscheidungskompetenz über das riesige „The Area“ genannte ABNJ-Gebiet.

Eine Tiefsee-Rippenqualle identifiziert als Lampocteis sp., © mit freundlicher Genehmigung von NOAA Ocean Exploration, Voyage to the Ridge 2022.
Zwei Drittel der Ozeane liegen in Gebieten außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit (ABNJ). Also außerhalb der Hoheitsgewässer und Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) einzelner Staaten.
Beschleunigtes Verfahren für Tiefseebergbau-Lizenzen
Innerhalb von 60 Tagen nach Erlass der Executive Order soll die US-Administration jetzt die Verfahren zur Erteilung kommerzieller Tiefseebergbau-Lizenzen in Gebieten außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit beschleunigen. Dabei beruft sich Trump auf „geltendes Recht“ gemäß dem Deep Seabed Hard Mineral Resources Act.
Verstoß gegen das Völkerrecht
Die 2024 neu gewählte ISA-Generalsekretärin, die brasilianische Ozeanografin Leticia Carvalho, brachte unlängst ihre „tiefe Besorgnis zum Ausdruck“. Sie pocht auf das ausschließliche Mandat der ISA, gemäß SRÜ über den Abbau mineralischer Bodenschätze in der Tiefsee zu entscheiden. Eine einseitige Maßnahme der Amerikaner würde ihrer Meinung nach einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen und das SRÜ/UNCLOS untergraben.
Jedoch gibt es in den USA auch Widerstand gegen die Ausbeutung der Tiefsee. Kalifornien, Oregon, Washington State, Hawaii, Guam und Amerikanisch-Samoa haben Gesetze gegen den Tiefseebergbau in ihren Küstengewässern erlassen. Große Tech-Firmen wie Google, Apple, Microsoft und Salesforce, sowie Finanzinstitute unterstützen ein Tiefseebergbau-Moratorium. Auch wollen sie keine Mineralien aus dem Meeresboden in ihren Lieferketten verwenden.
Die Menschheit steht an einem Scheideweg. Tiefseebergbau ist eine einmalige Entscheidung, eines der letzten unberührten Gebiete auf unserem Planeten entweder zu zerstören oder zu schützen. Es herrscht zunehmend Einigkeit darüber, dass man damit gar nicht erst beginnen sollte. Er ist nicht nötig, nicht erwünscht und das Risiko nicht wert. Wir hoffen, dass weitere Länder sich dieser weitreichenden Koalition von Staaten, Wissenschaftlern, Unternehmen, indigenen Führern, Jugendlichen und anderen Interessengruppen anschließen, um unsere Ozeane für zukünftige Generationen zu schützen.
Sofia Tsenikli, Leiterin der Global Deep-Sea Mining Campaign
ISA wahrt die Unberührtheit der Tiefsee
Noch Ende März 2025 endete die 30. Ratsversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) in Kingston, Jamaika, mit einem erfreulichen Signal gegen eine überstürzte Genehmigung von Tiefseebergbauvorhaben. Verschiedene Versuche der Bergbauindustrie unter Umgehung von ISA-Regularien, mit dem Abbau von Mineralien in der Tiefsee zu beginnen, wurden abgewehrt.
Allerdings zogen bereits während der ISA-Ratsversammlung dunkle Wolken auf. Das kanadische Bergbauunternehmen The Metals Company (TMC) aus Vancouver kündigte an, im zweiten Quartal 2025 eine Tiefsee-Bergbaulizenz über den DSMHRA zu beantragen. Also genau die Anordnung, auf die sich die Trump-Administration jetzt stützt. Gleichzeitig hielt sich TMC die Option offen, im Juni 2025 einen Antrag im Rahmen der ISA zu stellen.
Nauru scheitert erneut
Seit einigen Jahren tobt in der Internationalen Meeresbodenbehörde ein erbitterter Streit um einen Antrag von Nauru und dem zu TNC gehörenden Bergbauunternehmen NORI. Der kleine pazifische Inselstaat will ein Schlupfloch in den ISA-Regularien nutzen. Demnach müsste die ISA den Abbau von Bodenschätzen am Meeresboden genehmigen, auch wenn es noch keine Regeln gibt, wie dieser abzulaufen hat. Bislang konnte sich Nauru mit seinen Plänen allerdings nicht durchsetzen.
Das rechtliche Schlupfloch bleibt jedoch bestehen. Damit droht dem größten und ursprünglichsten Lebensraum unseres Planeten weiterhin die Zerstörung. Es sei denn, die Mitgliedsstaaten der Internationalen Meeresbodenbehörde würden sich auf ein Moratorium verständigen.

Das Kopflose Hühnermonster (Enypniastes eximia) ist eine Tiefsee-Seegurke, die schwimmen kann. © NOAA Ocean Exploration and Research
Was ist die Internationale Meeresbodenbehörde – International Seabed Authority (ISA)?
Die in Kingston, Jamaika, beheimatete Internationale Meeresbodenbehörde ist für die Nutzung aller mineralischen Ressourcen am Meeresboden zuständig. Sie ist eines von drei das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) ergänzenden Umsetzungsabkommen. Ein weiteres ist der erst im September 2023 verabschiedete Vertrag zum Schutz der Biodiversität auf der Hohen See (BBNJ-Abkommen/Hochseeschutzabkommen).
Das SRÜ gilt als das größte Regelwerk der Menschheit und trat nach neunjährigen Verhandlungen am 16. November 1994 in Kraft. Zugleich wurde die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) gegründet.
Ihre Aufgabe ist es, den Abbau mineralischer Bodenschätze im außerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) der Küstenstaaten liegenden Meeresboden (auch The Area genannt) gerecht als gemeinsames Erbe der Menschheit zu verwalten. Staaten, die in The Area mineralische Rohstoffe abbauen wollen, müssen bei der ISA eine Lizenz für die Erkundung (Exploration) beantragen. Nach Abschluss der Erkundungen kann die Meeresbodenbehörde auf Grundlage eines (bisher nicht vorhandenen) Regelwerks Abbaulizenzen für Tiefsee-Bodenschätze erteilen.
Die ISA-Generalversammlung (The Assembly)
Die Generalversammlung ist das oberste Gremium der Internationalen Meeresbodenbehörde. Sie hat 170 Mitglieder (169 Mitgliedstaaten des SRÜ und die Europäische Union). Die wie der ISA-Rat jährlich tagende Generalversammlung ist befugt, eine Pause oder ein Moratorium für die Ausbeutung von Meeresbodenschätzen in The Area zu verhängen.
Der Rat (The Council) der Internationalen Meeresbodenbehörde
Die ISA-Generalversammlung wählt den aus 36 Mitgliedern zusammengesetzten Rat. Er wird in sechs Gruppen unterteilt. Gruppe A gehören 4 besonders starke Volkswirtschaften wie China an, während die 18-köpfige Gruppe E nach dem Grundsatz einer gerechten geografischen Verteilung der Sitze gewählt wird.
Daher sind dort Länder aus Regionen wie Afrika, Asien-Pazifik, Osteuropa, Lateinamerika und die Karibik sowie Westeuropa vertreten. Deutschland gehört noch bis 2026 der Gruppe B an. Für das Jahr 2025 geht dieser Sitz allerdings an die Niederlande.
Der Rat ist das ausführende Organ der ISA. Unter anderem überwacht und koordiniert er die Umsetzung der durch das Seerechtsübereinkommen (SRÜ/UNCLOS) geschaffenen Rahmenbedingungen zur Förderung und Regulierung der Erkundung und Ausbeutung von Tiefseemineralien durch Staaten, Unternehmen und andere Rechtsträger.
Der Rat hat auch die Aufgabe, Verträge zu überwachen sowie Umwelt- und andere Standards festzulegen. Er schlägt Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs vor und überprüft den Haushalt der Internationalen Meeresbodenbehörde.
Wir setzen uns gemeinsam mit unseren Partnern von der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC) und Seas At Risk (SAR) für ein Verbot des Abbaus von mineralischen Bodenschätzen in der Tiefsee ein. Die Behauptung, die Ausbeutung von Tiefseerohstoffen zur Bekämpfung der Klimakatastrophe sei notwendig, ist falsch. Das ist Greenwashing. Die Wissenschaft ist hier eindeutig. Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.
Titelgrafik von deep sea conservation coalition
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
Weiterführende Informationen
- The climate myth of deep sea mining – PDF von Planet Tracker, Oktober 2023
- Next Generation EV Batteries Eliminate the Need for Deep Sea Mining – Whitepaper, Blue Climate Initiative, Oktober 2023
- UN-Welttag der Meere
- world ocean review 3: Rohstoffe aus dem Meer – Chancen und Risiken
- Tiefseebergbau – Die Tiefsee
- UN-Vertrag zum Schutz der Hohen See
- CBD – UN-Abkommen für die Artenvielfalt
- Meeresverschmutzung
- Schwarzer Degenfisch