Umweltrisiken beim Abbau von Manganknollen in der Tiefsee

Die Behauptung, die Ausbeutung von mineralischen Rohstoffen aus Manganknollen, Massivsulfiden und Tiefsee-Kobaltkrusten zur Bekämpfung der Klimakatastrophe sei notwendig, ist falsch. Das ist Greenwashing. Die Wissenschaft ist hier eindeutig. Man darf die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen! Vergleichsweise genauer erforscht sind die möglichen ökologischen Folgen des Abbaus von Manganknollen in der Tiefsee.

Warnungen aus der Wissenschaft

Manganknollen weisen eine hohe natürliche Radioaktivität auf

Manganknolle aus der Tiefsee.
Manganknolle, © Velizar Gordeev

Mit einer im Mai 2023 veröffentlichten Studie warnte das Alfred-Wegener-Institut vor Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Manganknollen aus der Tiefsee, weil diese eine hohe natürliche Radioaktivität besitzen.

So überschreitet etwa die Aktivität von Radium-226 in den untersuchten Knollen einen in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwert teilweise um das Hundert bis Tausendfache1.

Auswertung von über 250 Publikationen

Experten werteten über 250 wissenschaftliche Publikationen zu Umweltauswirkungen des Abbaus von Manganknollen in der Tiefsee aus.

Auf Initiative der Deep Sea Mining Campaign, MiningWatch Canada und Ozeanien-Dialog überprüften Experten über 250 wissenschaftliche Publikationen zu Umweltauswirkungen des Abbaus von Manganknollen (polymetallic nodules) in der Tiefsee.

Im Mai 2020 veröffentlichten sie daraus erarbeitete Studie „Predicting the impacts of mining deep sea polymetallic nodules in the Pacific Ocean“.

Das Fazit könnte eindeutiger nicht sein: Die kommerzielle Ausbeutung von Manganknollenfeldern hätte irreversible Artenverluste und irreversible Schädigungen der Ökosysteme zur Folge.

Unsere Studie zeigt, dass der Abbau von Manganknollen nicht nur zu einem irreversiblen Verlust von Arten und Ökosystemen führen würde. Auch die versprochenen sozialen und wirtschaftlichen Gewinne für die pazifischen Inselstaaten sind fragwürdig. Bergbauunternehmen wie DeepGreen Metals erklären, dass sie für großen Reichtum mit minimalen oder gar keinen negativen Auswirkungen sorgen werden. Die Wissenschaft unterstützt diese Behauptungen nicht! Dabei ist der Einsatz extrem hoch. Fischerei, Inselkulturen, Lebensgrundlagen, Ernährungssicherheit, Tourismus und einzigartige Meereslebewesen sind in Gefahr.
Dr. Helen Rosenbaum, Deep Sea Mining Campaign

Weltkarte der Mineralienlagerstätten in der Tiefsee.
Weltkarte der Mineralienlagerstätten in der Tiefsee.
Quelle: „Predicting the impacts of mining deep sea polymetallic nodules in the Pacific Ocean“

Studie des Senckenberg-Forschungsinstituts zum DISCOL-Experiment

Gemeinsam mit einem internationalen Team untersuchten Senckenberg-Wissenschaftlerinnen in einem internationalen Team die Auswirkungen des „DISturbance and reCOLonization (DISCOL)“-Experiments auf bodenlebende Tiefsee-Organismen2.

Der Beginn der Versuchsreihe des DISCOL-Experiments reicht bis ins Jahr 1989 zurück. Dabei pflügte man etwa 22 Prozent eines 10,8 Quadratkilometer großen manganknollenreichen Gebietes im südöstlichen Pazifik mit schwerem Gerät um. Anschließend wurde das Areal einen Monat, sechs Monate, drei, sieben und 26 Jahre nach der Störung auf Veränderungen in der Artenvielfalt untersucht, um die Vielfalt von Makro- und Megafauna und die Fischhäufigkeit zu beurteilen.

Demnach ist noch 26 Jahre später nach dem Abbau ein erheblicher Artenverlust vorhanden. Betroffen sind insbesondere filtrierende Tiere und andere bodenlebende Organismen. Auch nach zwei Jahrzehnten bleiben knapp 80 Prozent dieser Arten verschwunden. Die Studie erschien 2018 im Fachjournal „Biogeosciences“.

Forscher untersuchen die Folgen des Abbaus von Manganknollen in der Tiefsee.

Das Foto zeigt einen Profiler und eine Aquapix Kamera am Meeresboden zwischen Manganknollen. Es wurde mit den Kameras des ROV KIEL 6000 während der Expedition SO268 am Meeresboden der Clarion Clipperton Zone (CCZ) erstellt. Die Expedition war Teil des Projekts JPIO MiningImpact. Es untersucht den Einfluss, den ein potenzieller Manganknollen-Abbau in der Tiefsee auf dortige Ökosysteme hätte. © ROV Team/GEOMAR (CC-BY 4.0)

„Wir haben diese einzigartige Zeitreihe aus der Tiefsee genutzt, um Nahrungskreisläufe für karbonatproduzierende und -fressende Organismen zu entwickeln. Aus diesen können wir dann ableiten, welche Auswirkungen das Umgraben des Meeresbodens innerhalb und außerhalb des gepflügten Bereiches hat“, erklärt Zweitautorin Dr. Lidia Lins vom Senckenberg-Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt am Main.

Lang anhaltende, massive Artenverluste am Meeresboden

Noch 26 Jahre nach dem Experiment lag die Gesamtmasse der Kalk bildenden Organismen (Karbonatproduzenten, also Lebewesen, die Kalk für ihre Skelette benötigen wie Muscheln oder Korallen) innerhalb des gestörten Bereiches 54 Prozent unterhalb der Masse außerhalb des Gebietes.

Am wenigsten betroffen waren vom Abbau der Manganknollen auf dem Meeresboden fressende Organismen. Bei ihnen maßen die Forschenden einen Verlust von 2,6 Prozent.

„Die filtrierende und suspensionsfressende Fauna hat es umso härter getroffen. Hier gibt es knapp 80 Prozent weniger Aktivität“, ergänzt Lins und fügt hinzu: „Wir konnten zeigen, dass sich die Ökosysteme in der Tiefsee nur sehr langsam von Eingriffen erholen. Fast 30 Jahre nach einer vergleichsweise kleinen Störung ist gerade mal die Hälfte an Leben in das Gebiet zurückgekehrt. Daher plädieren wir für Schutzzonen in den Ozeanen!“

  1. Jessica B. Volz, Walter Geibert, Dennis Köhler, Michiel M. Rutgers van der Loeff and Sabine Kasten. Alpha radiation from polymetallic nodules and potential health risks from deep-sea mining. Sci Rep 13, 7985 (2023). doi.org/10.1038/s41598-023-33971-w ↩︎
  2. Stratmann, T., Lins, L., Purser, A., Marcon, Y., Rodrigues, C. F., Ravara, A., Cunha, M. R., Simon-Lledó, E., Jones, D. O. B., Sweetman, A. K., Köser, K., and van Oevelen, D.: Abyssal plain faunal carbon flows remain depressed 26 years after a simulated deep-sea mining disturbance, Biogeosciences, 15, 4131–4145, https://doi.org/10.5194/bg-15-4131-2018, 2018. ↩︎

Titelfoto:
Greifarm des ROV KIEL 6000 mit einer Manganknolle, auf der eine Koralle wächst. Das Foto wurde mit den Kameras des ROV während der Expedition SO268 am Meeresboden der Clarion Clipperton Zone (CCZ) erstellt. Die Expedition war Teil des Projekts JPIO MiningImpact. Es untersucht den Einfluss, den ein potenzieller Manganknollen-Abbau in der Tiefsee auf dortige Ökosysteme hätte. © ROV Team/GEOMAR (CC-BY 4.0)


Wir setzen uns gemeinsam mit unseren Partnern von der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC) und Seas At Risk (SAR) für ein Verbot des Abbaus von mineralischen Bodenschätzen in der Tiefsee ein.

Logo der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC).
Internationale Koalition aus über 140 Nichtregierungsorganisationen, Fischereiorganisationen sowie Rechts- und Politikinstituten zum Schutz von Tiefsee-Ökosystemen.
Logo Seas At Risk
Zusammenschluss europäischer Umweltorganisationen, die sich gemeinsam dafür einsetzen, dass das Leben in den Ozeanen reichhaltig und vielfältig ist, dem Klima standhält und nicht durch menschliche Aktivitäten bedroht wird.

Weiterführende Informationen

Geht es nach Plänen der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority/ISA), dann könnte es in weiten Teilen der Tiefsee bald aussehen wie im Braunkohlentagebau Garzweiler II. Denn die ISA erteilte bereits 30 Explorationslizenzen für Millionen Quadratkilometer Meeresboden. Sie liegen im Indischen, Atlantischen und Pazifischen Ozean. Nun drängen Investoren darauf, die Verhandlungen rasch zum Abschluss zu bringen. Sie wollen Manganknollen und andere Tiefseebodenschätze abbauen.