Warum kommt es vor Gibraltar zu Orca-Interaktionen mit Segelbooten?

Seit 2020 kommt es vor der iberischen Atlantikküste und nahe der Straße von Gibraltar immer wieder zu Interaktionen zwischen Iberischen Orcas und Segelbooten. Im Sommer 2023 erstmals auch im Mittelmeer. Bislang sind sechs Boote nach einem Orca-„Angriff“ gesunken, zuletzt am 24. Juli 2024. Menschen kamen in allen Fällen bisher glücklicherweise nicht zu Schaden.

Ein verstörender Vorfall ereignete sich am 17. August 2023 vor Tarifa. Dort hatte eine Segelcrew auf Orcas geschossen, um sie zu vertreiben. Womit ist unklar, die Rede war von Böllern oder anderer Pyrotechnik. Dank der Videoaufnahmen von zufällig anwesenden Whalewatchern konnte die spanische Polizei nun erstmals in einem derartigen Fall ermitteln, wie spanische Medien berichteten. Denn obwohl die Verwendung von Böllern oder sonstiger Pyrotechnik und von Vergrämern (Pingern) verboten ist, kommen sie immer wieder zum Einsatz. Dies ist in den einschlägigen Foren nachzulesen.

Mayday – gesunkene Boote nach Orca-Interaktionen

Der jüngste und bereits zweite Vorfall in diesem Jahr ereignete sich am 24. Juli 2024 gegen 21.00 Uhr an der südspanischen Atlantikküste rund 2 Seemeilen vor der nur wenige Kilometer südwestlich von Tarifa gelegenen Punta Camarina, wie die spanische Seenotrettung Salvamente marítimo am 25. Juli mitteilte. Die dreiköpfige Crew der ca. 12 m langen, unter britischer Flagge fahrenden Bonhomme William konnte gerettet werden, und zum Glück sind alle wohlauf.

Am 12. Mai 2024 war ein rund 15 m langes Chartersegelboot am Kap Spartel vor der Küste Marokkos in Seenot geraten. Orcas hatten sich an Rumpf und Ruder zu schaffen gemacht, wie Medien berichteten. Die zwei Segler konnten gerettet werden, bevor das Boot aufgrund der von den Tieren verursachten Schäden sank.

Auch eine polnische Charterjacht, die Grazie Mamma, war vor der Küste Marokkos auf dem Weg zu den Kanaren mit Orcas in Kontakt gekommen. Der Vorfall ereignete sich am 31.10.2023. Eine Gruppe Orcas hatte sich 45 Minuten lang an ihrem Ruder zu schaffen gemacht. Dabei wurde das Segelboot so schwer beschädigt, dass es sank. Die sechsköpfige Crew blieb zum Glück unverletzt.

Orca-Interaktion (Orca Angriff) vor der iberischen Halbinsel
Orca-Interaktion vor der iberischen Halbinsel. Foto: © GTOA

Am frühen Morgen des 5. Mai 2023 gab es eine Interaktion mit der Alboran Champagne vor der südspanischen Atlantikküste vor Barbate. Dabei zerbrach das Ruder und das Segelboot schlug Leck. Die vierköpfige Schweizer Crew konnte zum Glück gerettet werden und sei wohlauf, wie es in der Meldung der spanischen Seenotrettung Salvamento Marítimo hieß. Das Boot ist leider während des Abschleppens kurz vor dem Hafen gesunken.

Erst ein paar Monate zuvor, am Morgen des 1. November 2022, kam es nach Informationen der portugiesischen Schifffahrtsbehörde Autoridade Marítima Nacional zu einer Orca-Interaktion etwa 25 Kilometer westlich des Hafens von Viana do Castelo. Die vier Besatzungsmitglieder des unter französischer Flagge fahrenden Segelboots blieben ebenfalls unverletzt. Sie retteten sich auf ein in der Nähe befindliches Segelboot. Ihr leckgeschlagenes Boot sank jedoch.

Der erste derartige Vorfall ereignete sich am 30. Juli 2022, rund 11 km vor dem Fischerdorf Sines in Portugal. Auch hier sank ein Segelboot nach einem direkten „Zusammentreffen“ mit den großen Delfinen. Die fünfköpfige portugiesische Crew konnte sich auf einem Rettungsfloß in Sicherheit bringen. Dann nahm sie ein Fischerboot auf, wie die portugiesische Marine berichtete.

Orca-Interaktionen begannen 2020

Seit Juli 2020 kommt es in und vor der Straße von Gibraltar und inzwischen bis in die Biskaya immer wieder zu Orca-Interaktionen mit Booten. Größtenteils sind Segelboote unter 15 m Länge betroffen. Das berichten Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Iberian Orca (GTOA). Nur selten werden dagegen Motor- oder Fischerboote Ziel des rätselhaften Verhaltens der auch Schwertwale genannten Meeressäuger.

Orca-Angriff vor der iberischen Halbinsel.
Orca-Interaktion vor der iberischen Halbinsel. Foto: © GTOA

Das Team von Iberian Orca befasst sich bereits seit Langem mit den Iberischen Orcas. Nach den ersten Vorfällen im Juli 2020 registrierte man in dem Jahr insgesamt 51 Interaktionen. 2021 waren es schon 185. 2022 dann 207 Interaktionen. Sie werden von der GTOA auf einer Onlinekarte erfasst. Seit Beginn soll es knapp 700 Vorfälle gegeben haben.

Von Januar bis Mai 2024 wurden von der GTOA insgesamt 26 Orca-Interaktionen mit Segelbooten registriert. Die Daten stammen von Segler-Meldungen über die GTOA-App und vom britischen Seglerverband British Cruising Association. Die Anzahl ist im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr um 65 Prozent und von 2021 bis 2023 um 40 Prozent gesunken. Dies berichtet GTOA auf ihrer Facebook-Seite. Zudem sollen die „segelbootaffinen“ Orcas inzwischen eine weitere Verbreitung haben: von der Straße von Gibraltar bis in die Biskaya.

Der mit der GTOA kooperierende britische Seglerverband British Cruising Association erfasst die Vorfälle: Für 2022 zeigte sich, dass rund 73 Prozent der Boote, deren Crews eine Begegnung meldeten, beschädigt wurden. Davon wiederum circa 25 Prozent so stark, dass sie abgeschleppt werden mussten. Die Schwertwale zerstören meist gezielt das Ruder, um die Segelschiffe zu stoppen. Sie beißen jedoch nicht hinein, sondern rammen es, wie Analysen der GTOA-Arbeitsgruppe ergaben.

Diese Zahlen besitzen jedoch keine statistische Gültigkeit, da sie lediglich auf den gemeldeten Begegnungen beruhen und ereignislose Fahrten bislang nur selten gemeldet werden.

Ein bei einem Orca-Angriff schwer beschädigtes Ruder eines Segelbootes.
Die Orcas haben es vorwiegend auf das Ruder abgesehen. Foto: © GTOA

Risikogebiete

Der Schwerpunkt der Orca-Aktionen liegt in Südwestspanien und der Straße von Gibraltar. Laut GTOA folgen die Iberischen Orcas ihrer Hauptbeute, Roten Thunfischen (Thunnus thynnus). Diese ziehen von Juni bis August zum Laichen in die Straße von Gibraltar und ins westliche Mittelmeer. Wenn die Thunfische das Mittelmeer verlassen, folgen ihnen die Orcas Richtung Westen und Norden.

Während die Hauptaktivitäten der Orcas in den Jahren 2020 und 2021 von Juni bis Oktober stattfanden, kam es 2022 erstmals auch in den Wintermonaten zu Orca-Segelboot-Interaktionen, berichtet die British Cruising Association.

So auch Ende 2023: Vom 25. Oktober bis zum 7. November wurden 10 Interaktionen und Sichtungen gemeldet, wie die GTOA auf ihrer Facebookseite am 8. November berichtete. Mehrere Gruppen seien vom Atlantik kommend aus westlicher und südwestlicher Richtung in die Straße von Gibraltar geschwommen, hieß es weiter.

Biskaya und Mittelmeer

Mitte September 2023 soll es erstmals eine Interaktion rund 72 Seemeilen vor der französischen Atlantikküste auf Höhe von Hourtin gegeben haben. Dies berichteten französische Medien. Dabei sei das Ruder so stark beschädigt worden, dass man das Segelboot habe abschleppen müssen.

Erst ein paar Tage davor war die Lübecker Skipperin Clara Weimer am 6. September in Seenot geraten. 15 Kilometer vor der spanischen Küste bei Kap Finisterre setzten vier Schwertwale Rumpf und Ruder ihres Segelboots so stark zu, dass es abgeschleppt werden musste.

Im Sommer 2023 kam es dann erstmals an der marokkanischen Küste vor der spanischen Enklave Ceuta zu Orca-Interaktionen. Und auch südlich von Marbella an der spanischen Mittelmeerküste, wie die britische Cruising Association berichtete.

Kein normales Segelboot kann einem Orca davonfahren.
Orcas sind sehr schnelle, sehr mächtige und sehr intelligente Delfine! Foto: Ministerio de Transportes, Movilidad y Agenda Urbana

Warum? Mögliche Hintergründe

Beobachtung von Orcas vor San Juan Islands USA
Schwertwale: Stars beim Whalewatching. Foto: iStock.com/lilly3

Warum haben es die intelligenten Meeressäuger auf Segelboote, vorwiegend unter 15 m Länge, abgesehen? Ausgerechnet auf Segelboote, möchte man sagen, sind sie doch eine der umweltfreundlichsten Arten der Fortbewegung auf dem Wasser.

Hinweise auf aggressives Verhalten sehen die Forschenden nicht. Sie sprechen daher grundsätzlich auch nicht von „Angriffen“, sondern von Interaktionen.

Als mögliche Auslöser des rätselhaften Verhaltens diskutierte man unter anderem Nahrungskonkurrenz mit Fischern, Übertourismus durch Whalewatcher, Konflikte mit Fischern oder schlechte Erfahrungen mit derartigen Segelbooten. Für manche drängten sich gar Parallelen zu Rache-Szenarien auf, wie sie Frank Schätzing vor 20 Jahren in seinem Monumentalwerk „Der Schwarm“ beschrieb.

Inzwischen halten fast sämtliche Experten jedoch spielerisches Sozialverhalten für die wahrscheinlichste Erklärung. Die großen Delfine müssen nicht mehr so viel Zeit wie früher mit der Nahrungssuche verbringen, wie der kanadische Wissenschaftler John Ford gegenüber CBC-Radio erklärte. Denn ihre Hauptbeute, der Rote Thunfisch, hat sich von Zeiten hemmungsloser Überfischung dank strenger Schutzmaßnahmen auch im Mittelmeer inzwischen gut erholt.

„Es bleibt ihnen mehr ‚Freizeit‘, die sie für soziale Interaktionen wie gemeinsames Spiel oder Ausleben von Neugierde nutzen können. All das führt dazu, dass sie sich und ihre Umwelt intensiver ausprobieren können. Und auf dem Meer bieten sich kleinere Boote als willkommene Spielobjekte sofort an“, ergänzt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Vielleicht haben die intelligenten Meeressäuger auch einfach nur etwas Neues entdeckt, das Spaß macht:

In einem auch von uns unterzeichneten offenen Brief appellieren 80 Experten an Medien und Öffentlichkeit für mehr Sachlichkeit in der Berichterstattung. Reißerische Schlagzeilen wie „aggressive Attacken“ oder „Racheaktionen“ schüren unnötige Panik und Angst. Es steht zu befürchten, dass manche Segler aggressiv auf die Tiere reagieren, wie bei dem eingangs erwähnten Vorfall Mitte August 2023, als Segler auf Orcas schossen. Den Orcas Rachegelüste nachzusagen, sei eine unzulässige Vermenschlichung des Verhaltens dieser großen Delfine, heißt es unter anderem in dem Brief.

Kulturelle Entwicklung des „Bootestoppens“ bei den Gibraltar-Orcas?

Wie es aussieht, lernt mittlerweile auch der Nachwuchs dieses Verhalten von den erwachsenen Tieren. Mehrmals waren Jungtiere während der Interaktionen dabei und sahen den Erwachsenen zu. Damit könnte sich diese weltweit einzigartige Verhaltensweise in der Population manifestieren und über viele Jahre fortbestehen.

Orca mit springendem Baby.
Man geht davon aus, dass der Nachwuchs das „Bootestoppen von den Erwachsenen lernt. Foto: Skeeze/Pixabay

„Vieles spricht dafür, dass wir es hier mit einer kulturellen Entwicklung zu tun haben. Eine Kultur, die darin besteht, bestimmte Boote zu stoppen. Sie wissen genau, was sie dafür machen müssen. Es ist eine mehr als erstaunliche und faszinierende Intelligenzleistung und gleichzeitig ein Dilemma“, sagt der DSM-Biologe Karlowski.

„Das Ganze hat sich anscheinend verselbstständigt. Der ursprüngliche Auslöser spielt wahrscheinlich keine Rolle mehr. Sie machen das, weil sie es können und weil es ihnen in irgendeiner Form Freude bereitet. Vielleicht trainieren sie mit diesen mehr als ungewöhnlichen Aktionen auch den sozialen Zusammenhalt oder es sind Koordinationsübungen, ähnlich wie beim Fußballtraining in Kleingruppen“, erklärt Karlowski. „Es ist unbedingt notwendig, nicht-invasive Lösungen zu finden, damit Segler Begegnungen mit den vom Aussterben bedrohten Gibraltar-Orcas nicht mehr fürchten müssen“.

Wenn erlernte Verhaltensweisen an nachfolgende Generationen weitergegeben werden, spricht man von der Entwicklung einer Kultur.

Verhaltenstipps: Wie können sich Segler vor den Orcas schützen?

Orca-Poster des britischen Seglerverbands für die Aufklärungsarbeit über Orca-Angriffe.
Poster der britischen Cruising Association mit der Bitte, sowohl Vorfälle mit Orcas als auch ereignislose Fahrten in der Straße von Gibraltar und entlang der iberischen Atlantikküste zu melden.

Derzeit gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Gemäß den von der spanischen Regierung im Mai 2024 veröffentlichten Verhaltungsempfehlungen soll man bei Orca-Interaktionen das Boot nicht anhalten, sondern mit Motor möglichst schnell in flachere Gewässer fahren.

Anders die GTOA: Sie rät in ihren Sicherheitsprotokollen dazu, Motor, Autopilot und Echolot auszuschalten sowie das Steuerrad nicht zu fixieren – soweit Seegang und Wetterbedingungen dies zulassen. Durch den Wegfall bestimmter Reize, wie Geschwindigkeit, Geräusche, hektische Bewegungen an Bord (Wegscheuchen, Schreien) sollen die Orcas das Interesse am Objekt verlieren.

Die GTOA veröffentlicht zudem eine „Ampelkarte“, auf der sowohl „sichere“ Gebiete als auch solche mit möglichen Orca-Begegnungen ersichtlich sind. Es ist keine offizielle Karte, sie erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Die Informationen beruhen auf den Angaben, die Segler zur Verfügung stellen.

Verboten ist schnelles Rückwärtsfahren mit abrupten Richtungswechseln, ebenso der Einsatz von akustischen Vergrämern (Pingern) oder sonstigen Abschreckmitteln, wie Böller.

Sicherheitsprotokolle für Segler

Interaktionen Orcas-Boote ↗

Die GTOA veröffentlicht Karten, die zeigen, wo es zu Interaktionen gekommen ist

Sicherheitsprotokoll für Segler ↗

erstellt von der GTOA

Sicherheitsprotokoll für Segler ↗

vom britischen Seglerverband Cruising Association

Maßnahmen der spanischen Regierung

In der Vergangenheit verhängte die spanische Regierung zweimal (2020, 2021) temporäre Fahrverbote für Segelboote unter 15 m Länge in bestimmten Abschnitten vor der Küste Galiciens bzw. in Nähe der Straße von Gibraltar.

Aktuell empfiehlt die spanische Regierung Seglern, im Küstenbereich zu navigieren. Bei einer Begegnung mit Orcas solle man möglichst schnell wegfahren. Auch wenn die Empfehlungen ganzjährig zu beherzigen sind, sei besondere Vorsicht in den Monaten April bis August geboten. Eine Karte der derzeitigen Gefahrenzone ist dort ebenfalls abgebildet.

2023 startete das spanische Umweltministerium (MITECO) ein Pilotprojekt, um Möglichkeiten zur Prävention und Reduzierung der Orca-Interaktionen zu erforschen. Unter anderem wurden sechs Orcas mit einem Satellitensender ausgestattet, um die Bewegungen der Meeressäuger verfolgen zu können. Auf der Basis der so gewonnenen Daten wurden eine Zeitlang wöchentliche Karten mit den Bewegungsprofilen der Schwertwale erstellt und veröffentlicht. Weitere Ergebnisse des Tagging-Projekts sind bislang nicht bekannt.

Die GTOA forderte die Regierung zudem auf, Konzepte zu erstellen, um Bootsbesitzern die durch Orcas entstandenen Schäden zu ersetzen.

Maßnahmen der portugiesischen Regierung

In Portugal trat am 11. Juli 2023 ein bis Ende des Jahres gültiges Gesetz in Kraft, das die aktive Annäherung an Orcagruppen durch Schiffe des Seetourismus (inkl. Whalewatching-Boote) verbietet. Zudem soll man sich entfernen, wenn sich Schwertwale dem Boot nähern, um Interaktionen möglichst zu vermeiden.

Außerdem werden in Portugal neue akustische Abschreckgeräte getestet, wie der Nationale Seglerverband Portugal im Juni 2023 mitteilte.

Mithilfe erbeten

Der britische Seglerverband Cruising Association kooperiert mit den GTOA-Forschenden und bittet um Mithilfe. Segler sind aufgerufen, mithilfe eines Fragebogens ihre Fahrt in dem betroffenen Gebiet zu beschreiben. Dabei ist es wichtig, auch ereignislose Fahrten durch das Gebiet der Iberischen Orcas zu melden, denn nur so können Trends erkannt und Präventionsmaßnahmen ergriffen werden.

Iberische Orcas

Es handelt sich bei den Iberischen Orcas um eine Subpopulation, die sich von anderen Subpopulationen des Nordostatlantiks unterscheidet. Ihr offizieller Name lautet: Orcas von der Straße von Gibraltar und dem Golf von Cádiz. Diese aus nur etwa 50 Tieren bestehende Subpopulation ist laut Roter Liste der Weltnaturschutzunion IUCN vom Aussterben bedroht und steht unter strengem Schutz.

Die GLADIS-Orcas

Einzelner Orca.
Ihre Größe und die schwarz-weiße Körperzeichnung machen Orcas unverwechselbar. Foto: skeeze/Pixabay

Nicht alle Mitglieder der Iberischen Orcas haben es auf Segelboote abgesehen. Bislang identifizierte das GTOA-Team 16 „segelbootaffine“ Individuen aus mindestens 4 verschiedenen Familien mithilfe der Fotoidentifikation. Dabei dienen die Form der Rückenfinne und ihre Markierungen als Erkennungsmerkmale.

Von Seglern eingesandte Aufnahmen ermöglichten so den Vergleich mit Aufnahmen aus dem Foto-ID-Katalog und folglich die Identifizierung der betreffenden Tiere. Sie erhielten den Namen GLADIS-Orcas.

Iberischer Orca an der niederländischen Küste

Mitte Oktober 2022 starb ein Orca nach einer Strandung an der südholländischen Küste. Er war schwer krank, wie die Obduktion an der Uni Utrecht ergab.

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das 5,5 m große Tier ein etwa 20 Jahre altes, aus iberischen Gewässern bekanntes Weibchen namens Gala war. Die spanische Organisation Proyecto ORCA katalogisiert die Schwertwale in ihren Gewässern per Fotoidentifikation und erkannte Gala anhand der Form seiner Finne und seiner Markierungen. Das Weibchen soll keinen Kontakt mit Fischern oder Segelbooten gehabt haben. In den vergangenen drei Jahren sei es auch nicht in spanischen Gewässern gesichtet worden. Es ist das erste Mal, dass ein Tier der iberischen Subpopulation so weit nördlich dokumentiert wurde.


Indische Grindwale greifen ein Segelboot an

Nicht nur Orcas interessieren sich für Segelboote. Am 21. Februar 2022 gab es 800 km vor den Kapverdischen Inseln eine unheimliche Begegnung zwischen Indischen Grindwalen (Globicephala macrorhynchus) und einem Segelboot, das auf dem Weg nach Französisch-Guyana war, wie französische Medien berichteten. Sie dauerte drei Tage. Dann zogen die Meeressäuger ab, die Crew war in Sicherheit.

Grindwal

Die auch als Pilotwale bekannten Grindwale sind nach dem Orca mit etwa 7 m Länge die zweitgrößten ozeanischen Delfine. © Wayne Hoggard/NOAA

Im Gegensatz zu den Interaktionen der Orcas rammten die Grindwale die Segeljacht hier jedoch direkt. Immer wieder warfen die mächtigen Meeressäuger ihren Körper gegen den Rumpf, bespritzten die vierköpfige Crew. Diese versuchte vergeblich, die Tiere u. a. mit Musik zu vertreiben. Am Ende hatte der Sperrholzrumpf des Bootes einen 30 cm langen Riss. Zum Glück gelang es der Crew, das Leck abzudichten. Erst nach drei Tagen ließen die Tiere ab und zogen weiter.

Zufällig befanden sich drei Umweltwissenschaftler an Bord. Eine ihrer Vermutungen: Das aggressive Verhalten könnte auf die intensive industrielle Fischerei vor der afrikanischen Atlantikküste zurückgehen. Der Lebensraum dieser Delfinart überschneidet sich mit dem FAO-Fanggebiet 34 (Mittlerer Ostatlantik). Hier werden vor allem hochpreisige Arten wie Roter Thunfisch, Echter Bonito, Gelbflossenthunfische, aber auch Sardellen (Anchovis) gefischt.

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht (Erstveröffentlichung 8/2021).

Titelbild: Das am 1. November 2022 von Orcas beschädigte Boot ist leckgeschlagen und ging unter. © Portuguese Maritime Authority/Autoridade Maritima Nacional


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