Straße von Gibraltar: Pottwal stirbt nach Schiffskollision

Wieder ein toter Pottwal in der Straße von Gibraltar! Am 26. Juli 2024 meldete die spanische Meeresschutzorganisation CIRCE (Conservación, Información y Estudios sobre Cetáceos) den Tod von Pottwal „Julio“. Offensichtlich wurde der etwa 15 m große Leviathan von einem Schiff überfahren. Ein Whalewatching-Boot der in Gibraltar ansässigen Stiftung Firmm hatte den schwer verletzten Wal kurz vor seinem Tod gesichtet. Pottwal Julio ist bei CIRCE als PM-GIB-88 katalogisiert. Man kennt ihn seit über 10 Jahren. Julio schwamm regelmäßig aus dem Mittelmeer in die Straße von Gibraltar.

Immer wieder tote Pottwale vor Gibraltar durch Schiffskollisionen

„Im Laufe der Studien, die wir durchgeführt haben, wissen wir, dass in den letzten Jahren mindestens 5 Pottwale in der Straße von Gibraltar durch Kollisionen mit Schiffen gestorben sind. Das entspricht etwa 5 % der in dieser Region beobachteten Pottwale und ist daher eine bedeutende Zahl für die Art“, kommentierte Dr. Renaud de Stephanis, Koordinator von CIRCE, den jüngsten Vorfall.

Mittelmeer-Pottwale auf gefährlicher Route

Drei Pottwale in der Meerenge von Gibraltar.
© CIRCE

Im Mittelmeer lebt eine Unterpopulation des Pottwals (Physeter macrocephalus). Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN ist diese Population mit geschätzten 250 bis 2.500 erwachsenen Individuen als bedroht bei abnehmender Bestandsentwicklung gelistet.

Einige dieser Tiere schwimmen von September bis zum Frühsommer in die Straße von Gibraltar. Dort suchen sie nach Nahrung. Laut CIRCE sollen es hauptsächlich Männchen sein, die anschließend zu den Balearen aufbrechen, um sich dort fortzupflanzen.

Die etwa 60 km lange und zwischen 14 und 44 km breite Meerenge von Gibraltar verbindet das Mittelmeer mit dem Atlantik. Sie ist ein für Meerestiere gefährliches Nadelöhr und eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt. Täglich durchfahren sie etwa 300 Schiffe.

Tempolimit in der Straße von Gibraltar für weniger tote Pottwale

Bereits seit 2007 gilt in Teilen der Meerenge ein Tempolimit für Schiffe von 13 Knoten (24 km/h). Das schützt die größten Zahnwale jedoch nur bedingt vor meist tödlich verlaufenden Schiffskollisionen.

Damit es weniger tote Pottwale gibt: Seit 2007 gilt in Teilen der Straße von Gibraltar ein Tempolimit für Schiffe von 13 Knoten (24 km/h).
In dem schwarz umgrenzten Bereich gilt das Tempolimit,
in Pink dargestellt sind Hauptverbreitungsgebiete
einer lokalen Pottwalpopulation.
Quelle: Instituto Hidrográfico de la Marin.

Denn die bis zu 20 m langen und über 50 Tonnen schweren Wale – weibliche Pottwale erreichen nur 11 m und 15 Tonnen – müssen immer wieder für einige Minuten planktonisch leben. Wenn sie von ihren bis zu 90 Minuten langen Tieftauchgängen zurückkehren, liegen sie – wie eine riesige Zigarre – erschöpft und fast regungslos für 5 bis 15 Minuten an der Wasseroberfläche.

In dieser Situation fehlt ihnen die Kraft, einem herannahenden Schiff auszuweichen. Andererseits sind sie für die Crew schnell fahrender Schiffe kaum auszumachen.

Schiffskollisionen sind ein globales Problem

The State of Shipping & Oceans Report - cover.

Seit 1992 hat die Seeschifffahrt weltweit um über 300 % zugenommen. Die internationale Handelsflotte besteht aus fast 100.000 Schiffen. Sie sind das Rückgrat der internationalen Warenströme. Containerschiffe und Fähren wurden dabei immer schneller und größer.

Für langsam an der Wasseroberfläche schwimmende oder ruhende Meerestiere wie große Wale, Mondfische, Riesenhaie oder Meeresschildkröten besteht immer das Risiko, von einem Schiff überfahren zu werden. Überschneiden sich die Lebensräume der Tiere mit Handelsrouten wie in der Straße von Gibraltar oder touristisch intensiv genutzten Gebieten wie in der Adria potenziert sich das Risiko.

Für den Nordatlantischen Glattwal sind Schiffskollisionen eine der Hauptursachen für sein sich abzeichnendes Aussterben.

Langsamere Schiffe oder geschulte Beobachter?

Bislang gibt es keine zufriedenstellend funktionierenden technischen Lösungen des Problems. Wissenschaftliche Studien1 haben jedoch gezeigt, dass sich mit der einfachen Maßnahme einer Geschwindigkeitsreduzierung auf 75 % der maximalen Fahrtgeschwindigkeit das Kollisionsrisiko für große Wale um bis zu 23 % verringern ließe. Bereits ab 16 Knoten (30 km/h) steigt die Zahl der Zusammenstöße von Schiffen mit Walen deutlich an.

Toter Pottwal Julio. Seine letzten Minuten. Im Leben des Pottwals Julio. Julio dreht sich im Todeskampf auf den Rücken.
Pottwal Julio im Todeskampf. © CIRCE

CIRCE empfiehlt die Einführung unabhängiger, geschulter Beobachter an Bord der Schiffe (MMOs, Marine Mammal Observers). Diese Beobachter sollen Steuerleute rechtzeitig warnen, um Kollisionen zu vermeiden. Das funktioniert allerdings auch nur bei guter Sicht und bei Tageslicht.

„Die wirksamsten Mittel zur Senkung des Kollisionsrisikos sind die Verlegung von Schifffahrtsrouten, eine spürbare Drosselung der Schiffsgeschwindigkeit auf etwa 10 Knoten oder weniger in sensiblen Gebieten sowie Befahrensverbote in Hochrisikogebieten“, erklärt Ulrich Karlowski, Biologe von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Wenn Schiffe langsamer fahren, hätte dies zudem erhebliche positive Klimaschutzfolgen. Außerdem würde sich der akustische Fußabdruck der Seeschifffahrt reduzieren, denn langsamer fahrende Schiffe erzeugen deutlich weniger Unterwasserlärm.

  1. Leaper R (2019) The Role of Slower Vessel Speeds in Reducing Greenhouse Gas Emissions, Underwater Noise and Collision Risk to Whales. Front. Mar. Sci. 6:505. doi: 10.3389/fmars.2019.00505 ↩︎

Titelbild: Pottwal und Schnellfähre in der Straße von Gibraltar. © CIRCE


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