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Die ersten Whalewatching-Angebote (kommerzielle Walbeobachtungen) stammen aus den 1950er-Jahren. Damals konnte man von der Point-Loma-Halbinsel bei San Diego in Kalifornien von Land aus vorbeiziehende Wale beobachten. Bereits zu jener Zeit lockte dies jährlich rund 10.000 Besucher an. Recht schnell verbreitete sich Whalewatching dann als Touristenattraktion über die ganze Welt.
Inhaltsverzeichnis
Für viele Millionen Touristen sind Fahrten zu den Giganten der Meere oder ihren kleineren Verwandten, den Delfinen, heute der Höhepunkt ihrer Urlaubsreise. Mit ihrem nur teilweise stimmigen grünen Image verzeichnet dieser Tourismussektor traumhafte Wachstumsraten. Doch Wissenschaftler beobachten zunehmend negative Auswirkungen bei touristisch intensiv genutzten Meeressäugerpopulationen. Ist Whalewatching ein Fluch oder ein Segen?
Whalewatching – Auswirkungen auf lokale Delfinpopulationen
Kritisch ist unkontrolliertes Whalewatching besonders für kleine, isoliert lebende Populationen von Walen und Delfinen.
Delfine im Roten Meer
Delfintouren im Roten Meer sind seit Jahren zu einem traurigen Zirkus ausgeartet. Ist eine Delfinschule gesichtet, versuchen die Skipper einander zu übertreffen. Sie veranstalten Verfolgungsjagden und kreisen die Tiere ein. Dann stürzen sich die Touristen johlend in großer Zahl ins Wasser. Alle wollen einmal mit Delfinen schwimmen.
Hurghada, Rotes Meer: Touristen schwimmen auf ruhende Delfine zu. Foto: DWA
Doch die hysterischen Zuneigungsbekundungen stoßen bei den Delfinen auf nur wenig Gegenliebe. Sie vernachlässigen ihren Nachwuchs. Kommen kaum zur Ruhe. Sie haben zu wenig Zeit zur Futtersuche oder sozialen Interaktionen. Zudem verschwenden sie wertvolle Energie beim Versuch, den Booten zu entkommen. Deshalb zeigen sie sich zunehmend erschöpft. Ruhelos. Sie sind vom aus dem Ruder gelaufenen Whalewatching-Tourismus einfach nur noch genervt.
Große Tümmler im Doubtful Sound
Die Zahl der im Doubtful Sound, einem Fjord im Fiordland-Nationalpark auf der Südinsel Neuseelands, lebenden Großen Tümmler sank innerhalb von acht Jahren von 67 auf 56 Tiere. Dies konnte eine Forschergruppe des Meeresbiologen David Lusseau von der Universität Aberdeen in Schottland zeigen. Für Lusseau ist die Armada der dort operierenden Ausflugsboote Hauptursache für den Rückgang.
Irawadi-Delfine im Mekong
Ähnlich dramatisch sieht es für die vom Aussterben bedrohte Restpopulation der etwa 70 im Mekong zwischen Kambodscha und Laos lebenden Irawadi-Delfine aus. Auch dort finden touristische Treibjagden statt.
Vielerorts Fehlanzeige: Ein Whalewatching „Code of Conduct“
Regeln zum richtigen Whalewatching sind ein guter Ansatz, den Tourismusdruck in für die Tiere verträgliche Bahnen zu leiten. Dazu gehören Mindestabstände der Boote, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Heranfahrregeln, Anzahl erlaubter Boote in der Nähe von Meeressäugern oder No-Go-Zonen.
Doch vielerorts existiert ein derartiger „code of conduct“ nicht und dort, wo es ihn gibt, ist er oft nicht verbindlich. Doch auch ein verbindlicher „code of conduct“ bedarf der Überwachung durch Ranger oder Küstenwache.
Vor Sansibar verdrängte Whalewatching die Jagd auf Delfine
Ginge es nach Wissenschaftlern wie David Lusseau, könnte man auf Basis bereits heute verfügbarer Daten festlegen, welche Meeressäugerpopulationen Whalewatching vermutlich schadlos vertragen und welche nicht. So hat z. B. der bislang nicht nachhaltige Delfintourismus in Sansibar immerhin die dort einst traditionelle Delfinjagd vollständig verdrängt. Mit Langzeitstudien müsste man herausfinden, ob in den touristisch nutzbaren Populationen langfristige, negative Verhaltensänderungen auftreten oder die Folgen eher kurzfristig bleiben. Für derartige Forschungsvorhaben gibt es allerdings kaum politische Unterstützung oder Forschungsgelder.
Titelfoto: Dolphin Watch Alliance (DWA)