Der Abbau von mineralischen Rohstoffen in der Tiefsee wird eine uns weitgehend unbekannte Welt irreversibel zerstören. Ein Faktor, der das Interesse am Tiefseebergbau zunehmend befeuert, ist die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen für die Batterieproduktion. Denn der Meeresboden der Tiefsee lockt mit wertvollen Mineralien, Edelmetallen und Seltenerdelementen. Diese findet man in Manganknollen, an schwarzen Rauchern befindlichen Massivsulfiden (mineralische metallhaltige Schwefelverbindungen), Kobaltkrusten. Das durch den Roman „Der Schwarm“ berühmt gewordene Methanhydrat lockt als Energieträger der Zukunft.
Trump öffnet Tor zur Hölle und erteilt per Executive Order globale Freigabe für den Tiefseebergbau durch US-Firmen!
Verteidigen wir die Tiefsee – Offener Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zum Welttag der Ozeane 2024
Unser Engagement gegen den Tiefseebergbau
Die Tiefsee
Tiefsee-Rippenqualle (Ctenophora). Bild mit freundlicher Genehmigung des NOAA Office of Ocean Exploration and Research, Golf von Mexiko 2017.
Die Wasserschicht, in der sich die meiste der für Menschen erlebbaren Artenvielfalt tummelt, ist das Epipelagial. Doch es reicht nur bis in etwa 200 m Meerestiefe. Ab dann geht das Sonnenlicht verloren. Dann beginnt die Tiefsee. Damit bleibt uns der mit Abstand größte Teil der Ozeane weitgehend verborgen. Denn er liegt in ewiger Dunkelheit.
Der alte Satz „Wir wissen von der Tiefsee weniger als vom Mond“ gilt nach wie vor. Nicht einmal 5 % der Tiefsee sind erforscht. Bis zum Juni 2021 hatten Geologen gerade einmal 20,6 % des weltweiten Meeresbodens kartiert. Oberflächengestalt und Geologie der Tiefsee sind weitgehend unbekannt.
Es gibt noch sehr viel zu entdecken in der größten Terra incogniata unseres Planeten. Von Menschen beobachtet sind nach rund 70 Jahren Forschung gerade einmal 0,001 % des Tiefsee-Meeresbodens. So viel wie ein Zehntel der Landesfläche von Belgien. Das zeigt die im Mai 2025 veröffentlichte Studie „How Little We’ve Seen: A Visual Coverage Estimate of the Deep Seafloor.“ von Forschern der Ocean Discovery League1.
Mesopelagial
Von 200 m bis hinunter auf 1.000 m spricht man dann vom Mesopelagial. In dieser Dämmerlichtzone ist die Fotosynthese nicht mehr möglich. Folglich lebt hier kein Phytoplankton. Dafür viele andere bizarr anmutende Lebewesen. Mit eigenen Leuchtorganen zaubern sie etwas Licht in ihre weitgehend schwarze Welt. Ab 1.000 m ist es dann endgültig zappenduster.
Bathypelagial, Abyssopelagial und Hadopelagial
Noch weiter hinab heißen die dunklen Zonen der Tiefe Bathypelagial (bis 4.000 m), Abyssopelagial (bis 6.000 m Tiefe) und Hadopelagial. Letzteres reicht bis zum bislang bekannten tiefsten Punkt der Erde in 10.925 m.
Abyss steht für die Unterwelt in der biblischen Mythologie (Abyssus). Hades ist der griechische Gott der Unterwelt. Diese Wortwahl unterstreicht die Lebensfeindlichkeit dieser Meeresregionen.
Kalt ist es hier. Die Temperatur liegt konstant bei -1 bis 4 °C. Und es herrscht ein unvorstellbarer Druck von einer Tonne pro Quadratzentimeter! Kaum glaublich, dass Leben unter derart extremen Bedingungen möglich ist. Und doch ist es das – noch.
Im Verborgenen bleibt, wie Tiere, die ständig hier leben, es schaffen, mit den Extrembedingungen klarzukommen.

die schwimmen kann.
© NOAA Ocean Exploration and Research
Casper, das Tiefsee-Gespenst
Im März 2016 geisterte in 4.290 m Tiefe vor der hawaiianischen Küste zufällig ein kleiner, fast transparenter Oktopus durch das Sichtfeld des Tauchroboters „Deep Discoverer“ der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA). Ganz allein saß die etwa zehn Zentimeter kleine Krake auf einem flachen Felsen und bewachte ihre Eier – denn es handelte sich um ein Weibchen. Und um eine unbekannte Art. Als „Casper, das Tiefsee-Gespenst“ wurde er weltberühmt. Neben seiner auffälligen Transparenz wies „Casper“ auf jedem Fangarm nur eine statt der sonst üblichen zwei Reihen von Saugnäpfen auf.

Leben in der Tiefsee: weitgehend unbekannt
Auf und im Meeresboden in Tiefen von bis zu 9585 Metern herrscht ein reges Treiben. Doch zwei Drittel hier lebenden Organismen können keiner bislang bekannten Gruppe zugeordnet werden. Die (weitgehend unbekannte) Artenvielfalt der Tiefseesedimente ist im Durchschnitt dreimal so groß wie die in der darüber befindlichen Wassersäule. Das sagen Wissenschaftler des Frankfurter Senckenberg Forschungsinstituts.
Zusammen mit einem Team internationaler Forscher werteten sie dafür zwei Milliarden DNA-Sequenzen aus fast 1700 Proben von 15 Tiefsee-Expeditionen aus. Die Studie veröffentlichte das Fachjournal „Science Advances“ Anfang Februar 2022. Sie vermittelt einen ungefähren Eindruck von der unbekannten Artenvielfalt in der Tiefsee. Zumindest von der in und auf den Sedimenten.
Eine Vielzahl verschiedener Organismen sorgt dafür, absinkende organische und anorganische Stoffe zu recyceln und/oder zu binden. Daher betonen Forscher die enorme Bedeutung der Tiefsee-Lebewesen für den globalen Stoffkreislauf.
„Bislang ist allerdings nur sehr wenig über die Lebewesen auf und in den Tiefseesedimenten bekannt. Wir haben diese Tiefsee-DNA-Sequenzen mit allen uns bekannten und verfügbaren Referenzsequenzen verglichen. Unsere Daten zeigen, dass fast zwei Drittel der auf dem Tiefseeboden lebenden Organismen keiner bislang bekannten Gruppe zugeordnet werden können“, Prof. Dr. Angelika Brandt, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.

Zum Zeitpunkt der Beobachtung waren sich die Wissenschaftler nicht sicher, ob es sich bei diesem Organismus, der während des Tauchgangs 08 der dritten »Voyage to the Ridge«-Expedition gesehen wurde, um eine Weichkoralle, einen Schwamm oder ein Manteltier handelt. © Bild mit freundlicher Genehmigung von NOAA Ocean Exploration, Voyage to the Ridge 2022
Gäste im ewigen Dunkel
Die Tiefsee lockt zahllose Meerestiere an, die erstaunliche Distanzen innerhalb der Wassersäule zurücklegen. Selbst bizarre Mondfische schwimmen bis in über 600 Meter hinab. Bogenstirn-Hammerhaie tauchen sturzflugartig in Tiefen von über 800 m ab.
Auch Lungenatmern wie Lederschildkröten (1.300 m und tiefer) und Meeressäugern ist die Tiefsee nicht fremd. Rundkopfdelfine tauchen locker auf 1.000 m ab. Cuvier-Schnabelwale und Pottwale auf 3.000 m und mehr. Wie sie das schaffen? So ganz genau weiß man es nicht.

Tiefseebergbau: Wissenschaftler warnen
Bereits 2018 konnte eine Studie des Senckenberg-Forschungsinstituts in Frankfurt (Main) zeigen, dass der Abbau von Manganknollen zu massiven, über mehrere Jahrzehnte anhaltenden Artenverlusten führt. Folglich fordern Wissenschaftler und Meeresschützer ein Tiefseebergbau-Moratorium und Schutzzonen. 2020 überprüften Experten auf Initiative der Deep Sea Mining Campaign, MiningWatch Canada und Ozeanien-Dialog über 250 wissenschaftliche Publikationen zu Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus.

Auch ihr Fazit ist eindeutig: Die Folgen sind irreversible Artenverluste und irreversible Schädigungen der Ökosysteme. Mittlerweile warnt eine Phalanx von mehr als 500 Wissenschaftlern aus 44 Ländern vor den negativen Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus.
Als Lösung und einzig verantwortlicher Weg kommt nach Ansicht der Wissenschaftler und der Organisationen nur ein Tiefseebergbau-Moratorium infrage.
Manganknollen mit hoher natürlicher Radioaktivität
Eine im Mai 2023 veröffentlichte Studie des Alfred-Wegener-Instituts zeigt, dass der Umgang mit Manganknollen Gesundheitsrisiken birgt. Denn die Forscher konnten in Manganknollen eine hohe natürliche Radioaktivität nachweisen. So überschreitet etwa die Aktivität von Radium-226 in den Knollen einen in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwert teilweise um das Hundert- bis Tausendfache.
International Seabed Authority (ISA)
Die in Kingston, Jamaika, beheimatete International Seabed Authority (Internationale Meeresbodenbehörde, ISA) ist für alle mineralischen Ressourcen am Meeresboden zuständig. Diese sind im Internationalen Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ / UNCLOS) als gemeinsames Erbe der Menschheit definiert. Dabei ist die ISA nur für den Teil des Meeresbodens zuständig, der außerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) der Küstenstaaten liegt. Er wird The Area genannt.
Länder, die das SRÜ nicht ratifiziert haben, sind nicht Mitglied der ISA (wie die USA, Israel, die Türkei und andere). Sie sind damit auch nicht an die Entscheidungen der Meeresbodenbehörde gebunden.
Am Tiefseebergbau interessierte Länder können sich von der ISA Explorationslizenzen für Meeresgebiete außerhalb ihrer AWZ zuweisen lassen.
Kleine und verarmte Inselstaaten im Pazifik sind besonders im Visier von Bergbaufirmen. Denn viele der bislang entdeckten Vorkommen von Kobaltkrusten und Massivsulfiden befinden sich im Bereich des Festlandssockels dieser Staaten. So drohen die Cookinseln, Kiribati, Nauru und Tonga den finanziellen Verlockungen zu erliegen.
Besonders viele Manganknollen findet man am Meeresboden der zwischen Mexiko und Hawaii liegenden Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) im Pazifik.
Tiefseebergbau in Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ)
Innerhalb ihrer AWZ (normalerweise die 200-Seemeilen-Zone, circa 370 Kilometer ab dem Rand des Küstenmeers, der 12-Seemeilen-Zone) dürfen Küstenstaaten ihre Meeresbodenschätze selbst ausbeuten.
Durch beantragte und bereits genehmigte AWZ-Erweiterungen bis in den Bereich des äußeren Festlandsockels verringert sich die Fläche von The Area allerdings. Damit schrumpft auch das Einflussgebiet der ISA.

Quelle: „Predicting the impacts of mining deep sea polymetallic nodules in the Pacific Ocean“
Wachsender Widerstand gegen den Tiefseebergbau
Juni 2025:
MIt Slowenien, Zypern, Lettland und den Marshall Inseln steigt die Zahl der Länder, die sich gegen den Tiefseebergbau aussprechen, auf nunmehr 37!
Mai 2025:
Das Großherzogtum Luxemburg erklärt seine Unterstützung für ein Moratorium.
April 2025:
Portugal erklärt ein rechtsverbindliches Moratorium in seinen nationalen Gewässern (einschließlich der Azoren und Madeira) bis 2050.
August 2024:
Auf der ISA-Generalversammlung sprechen sich fünf Länder gegen den Tiefseebergbau aus: Österreich, Malta, Honduras, Tuvalu und Guatemala.
Juni 2024:
Peru2 gibt bekannt, dass es ein Moratorium unterstützt.
Oktober / November 2022:
Als eine der ersten großen Industrienationen unterstützt Deutschland3 eine „precautionary pause“ (vorsorgliche Pause). Frankreich geht noch weiter und fordert als eines von bisher wenigen Ländern ein dauerhaftes Verbot4 der Ausbeutung der Tiefseeböden sowohl in seiner AWZ als auch in The Area.

- Katherine Bell, How Little We’ve Seen: A Visual Coverage Estimate of the Deep Seafloor, Science Advances (2025). DOI: 10.1126/sciadv.adp8602. ↩︎
- Peru hat das Internationale Seerechtsübereinkommen nicht ratifiziert und ist daher kein Mitglied der ISA (wie die USA, Israel, die Türkei und andere) und dort nicht stimmberechtigt. Die Ankündigung zeigt jedoch, dass sich immer mehr Länder für den Schutz der Tiefsee und gegen deren Ausbeutung aussprechen. ↩︎
- Schutz der Meere: Deutschland unterstützt bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau ↩︎
- Speech by Mr. Emmanuel Macron, President of the Republic (Sharm el-Sheikh, Egypt – November 7, 2022) ↩︎
CMS (Bonner Konvention)
Mitte Februar 2024 positionierte sich auch die Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (CMS/UN Convention of Migratory Species) auf ihrer 14. Vertragsstaatentagung (COP14) im usbekischen Samarkant gegen den Tiefseebergbau.
In einer Resolution fordert die CMS die Vertragsparteien nachdrücklich auf, sich nicht an Aktivitäten zur Ausbeutung von Tiefseebodenschätzen zu beteiligen oder diese zu unterstützen. Und zwar so lange, bis ausreichende und belastbare wissenschaftliche Informationen vorliegen, die sicherstellen, dass der Tiefseebergbau keine schädlichen Auswirkungen auf wandernde Arten, ihre Beute und ihre Ökosysteme hat.
Finnland
Auf der Tagung des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) Ende März 2023 schloss sich Finnland der wachsenden Zahl von Ländern an, die einen vorsorglichen Stopp des Tiefseebergbaus fordern. Der Schritt Finnlands ist bedeutsam. Denn es gehört zu den EU-Ländern, in deren AWZ es Manganknollen-Vorkommen gibt, insbesondere in den flachen Gewässern des Finnischen und des Bottnischen Meerbusens.
Antarktis
Das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag (Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty) verbietet seit seinem Inkrafttreten 1998 den Abbau von Rohstoffen in der Antarktis. Es wurde am 4. Oktober 1991 in Madrid, Spanien, beschlossen. Daher nennt man es auch Madrid-Protokoll.
Der Vertrag kann nach 50 Jahren – also ab dem Jahr 2048 – neu verhandelt werden. Folglich befürchten Meeresschutzorganisationen, dass das Tiefseebergbauverbot gelockert wird. Das Madrid-Protokoll erlischt jedoch nicht automatisch. Das Übereinkommen gilt so lange, bis sich die Vertragsstaaten auf eine neue Verhandlung einigen.
Convention on Biological Diversity/CBD
Auf der 15. Biodiversitätskonferenz des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt fordern Wissenschaftler und Meeresschutzorganisationen im Dezember 2022 den Schutz der Tiefsee vor dem Tiefseebergbau.
IUCN-Weltnaturschutzkongress 2021
Anfang September 2021 stimmte eine Mehrheit der Mitglieder der IUCN auf dem alle vier Jahre stattfindenden IUCN-Weltnaturschutzkongress für ein Moratorium für den Tiefseebergbau. In der Resolution heißt es außerdem, die ISA solle reformiert werden.