Die Tiefsee – Tiefseebergbau

Der Abbau von mineralischen Rohstoffen in der Tiefsee wird eine uns weitgehend unbekannte Welt irreversibel zerstören. Ein Faktor, der das Interesse am Tiefseebergbau zunehmend befeuert, ist die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen für die Batterieproduktion. Denn der Meeresboden der Tiefsee lockt nicht nur mit unentdeckten Öl- und Gasvorkommen. Hier gibt es zudem wertvolle Mineralien und seltene Erden. Felder mit Manganknollen, an schwarzen Rauchern befindliche Massivsulfide (mineralische metallhaltige Schwefelverbindungen), Kobaltkrusten und Methanhydrat.

Unser Engagement gegen den Tiefseebergbau

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Die Tiefsee

Tiefsee-Eidechsenfisch, gesichtet beim letzten Tauchgang der Expedition „Windows to the Deep 2019“ in 1.610 m Tiefe. Foto: NOAA Office of Ocean Exploration and Research, Windows to the Deep, 2018

Die Wasserschicht, in der sich die meiste der für Menschen erlebbaren Artenvielfalt tummelt, ist das Epipelagial. Doch es reicht nur bis in etwa 200 m Meerestiefe. Ab dann geht das Sonnenlicht verloren. Dann beginnt die Tiefsee. Damit bleibt uns der mit Abstand größte Teil der Ozeane weitgehend verborgen. Denn er liegt in ewiger Dunkelheit.

Der alte Satz „Wir wissen von der Tiefsee weniger als vom Mond“ gilt nach wie vor. Nicht einmal 5 % der Tiefsee sind erforscht. Bis zum Juni 2021 hatten Geologen gerade einmal 20,6 % des weltweiten Meeresbodens kartiert. Oberflächengestalt und Geologie der Tiefsee sind weitgehend unbekannt.

Es gibt noch sehr viel zu entdecken in der größten Terra incogniata unseres Planeten.

Mesopelagial

Von 200 m bis hinunter auf 1.000 m spricht man dann vom Mesopelagial. In dieser Dämmerlichtzone ist Fotosynthese nicht mehr möglich. Folglich lebt hier kein Phytoplankton. Dafür viele andere bizarr anmutende Lebewesen. Mit eigenen Leuchtorganen zaubern sie etwas Licht in ihre weitgehend schwarze Welt. Ab 1.000 m ist es dann endgültig zappenduster.

Bathypelagial, Abyssopelagial und Hadopelagial

Noch weiter hinab heißen die dunklen Zonen der Tiefe Bathypelagial (bis 4.000 m), Abyssopelagial (bis 6.000 m Tiefe) und Hadopelagial. Letzteres reicht bis zum bislang bekannten tiefsten Punkt der Erde in über 11.000 m.

Abyss steht für die Unterwelt in der biblischen Mythologie (Abyssus). Hades ist der griechische Gott der Unterwelt. Sogar die Wortherkunft unterstreicht die Lebensfeindlichkeit dieser Meeresregionen.

Kalt ist es hier. Die Temperatur liegt konstant bei -1 bis 4 °C. Und es herrscht ein unvorstellbarer Druck von einer Tonne pro Quadratzentimeter! Kaum glaublich, dass Leben unter derart extremen Bedingungen möglich ist. Und doch ist es das – noch.

Im Verborgenen bleibt, wie Tiere, die ständig hier leben, es schaffen, mit den Extrembedingungen klarzukommen.

Tiefsee Anemone in 1.878 Metern Tiefe.
Nicht identifizierte Anemone. Erstmals gesichtet 2018 in rund 1.878 m. Foto: NOAA Office of Ocean Exploration and Research, Windows to the Deep, 2018
Ein schwimmendes Kopfloses Hühnermonster (Enypniastes eximia)
Das Kopflose Hühnermonster (Enypniastes eximia) ist eine Tiefsee-Seegurke, die schwimmen kann. Sie ist bisher für Tiefen bis 2.100 m nachgewiesen. © NOAA Ocean Exploration and Research

Casper, das Tiefsee-Gespenst

Im März 2016 geisterte in 4.290 m Tiefe vor der hawaiianischen Küste zufällig ein kleiner, fast transparenter Oktopus durch das Sichtfeld des Tauchroboters „Deep Discoverer“ der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA). Ganz allein saß die etwa zehn Zentimeter kleine Krake auf einem flachen Felsen und bewachte ihre Eier – denn es handelte sich um ein Weibchen. Und um eine unbekannte Art. Als „Casper, das Tiefsee-Gespenst“ wurde er weltberühmt. Neben seiner auffälligen Transparenz wies „Casper“ auf jedem Fangarm nur eine statt der sonst üblichen zwei Reihen von Saugnäpfen auf.

Leben in der Tiefsee: weitgehend unbekannt

Auf und im Meeresboden in Tiefen von bis zu 9585 Metern herrscht ein reges Treiben. Doch zwei Drittel hier lebenden Organismen können keiner bislang bekannten Gruppe zugeordnet werden. Die (weitgehend unbekannte) Artenvielfalt der Tiefseesedimente ist im Durchschnitt dreimal so groß wie die in der darüber befindlichen Wassersäule. Das sagen Wissenschaftler des Frankfurter Senckenberg Forschungsinstituts.

Zusammen mit einem Team internationaler Forscher werteten sie dafür zwei Milliarden DNA-Sequenzen aus fast 1700 Proben von 15 Tiefsee-Expeditionen aus. Die Studie veröffentlichte das Fachjournal „Science Advances“ Anfang Februar 2022. Sie vermittelt einen ungefähren Eindruck von der unbekannten Artenvielfalt in der Tiefsee. Zumindest von der in und auf den Sedimenten.

Eine Vielzahl verschiedener Organismen sorgt dafür, absinkende organische und anorganische Stoffe zu recyceln und/oder zu binden. Daher betonen Forscher die enorme Bedeutung der Tiefsee-Lebewesen für den globalen Stoffkreislauf.

Rippenqualle identifiziert als Lampocteis sp. in der Tiefsee.
Tiefsee-Rippenqualle. © Bild mit freundlicher Genehmigung von NOAA Ocean Exploration, Voyage to the Ridge 2022
Durch Tiefseebergbau in Gefahr: Unbekannte Tierart in der Tiefsee.

Zum Zeitpunkt der Beobachtung waren sich die Wissenschaftler nicht sicher, ob es sich bei diesem Organismus, der während des Tauchgangs 08 der dritten »Voyage to the Ridge«-Expedition gesehen wurde, um eine Weichkoralle, einen Schwamm oder ein Manteltier handelt. © Bild mit freundlicher Genehmigung von NOAA Ocean Exploration, Voyage to the Ridge 2022

Gäste im ewigen Dunkel

Die Tiefsee lockt zahllose Meerestiere an, die erstaunliche Distanzen innerhalb der Wassersäule zurücklegen. Selbst bizarre Mondfische schwimmen bis in über 600 Meter hinab. Bogenstirn-Hammerhaie tauchen sturzflugartig in Tiefen von über 800 m ab.

Auch Lungenatmern wie Lederschildkröten (1.300 m und tiefer) und Meeressäugern ist die Tiefsee nicht fremd. Rundkopfdelfine tauchen locker auf 1.000 m ab. Cuvier-Schnabelwale und Pottwale auf 3.000 m und mehr. Wie sie das schaffen? So ganz genau weiß man es nicht.

Pottwal mit Freediver.
Foto: Willyam

Tiefseebergbau: Wissenschaftler warnen

Bereits 2018 konnte eine Studie des Senckenberg-Forschungsinstituts in Frankfurt (Main) zeigen, dass der Abbau von Manganknollen zu massiven, über mehrere Jahrzehnte anhaltenden Artenverlusten führt. Folglich fordern Wissenschaftler und Meeresschützer ein Tiefseebergbau-Moratorium und Schutzzonen. 2020 überprüften Experten auf Initiative der Deep Sea Mining Campaign, MiningWatch Canada und Ozeanien-Dialog über 250 wissenschaftliche Publikationen zu Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus.

Manganknolle aus dem Untersuchungsgebiet im Pazifik.
Manganknolle aus dem Pazifik – Foto: Senckenberg/Lins

Auch ihr Fazit ist eindeutig: Die Folgen sind irreversible Artenverluste und irreversible Schädigungen der Ökosysteme. Mittlerweile warnt eine Phalanx von mehr als 500 Wissenschaftlern aus 44 Ländern vor den negativen Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus.

Als Lösung und einzig verantwortlicher Weg kommt nach Ansicht der Wissenschaftler und der Organisationen nur ein Tiefseebergbau-Moratorium infrage.

Manganknollen mit hoher natürlicher Radioaktivität

Eine im Mai 2023 veröffentlichte Studie des Alfred-Wegener-Instituts zeigt, dass der Umgang mit Manganknollen Gesundheitsrisiken birgt. Denn die Forscher konnten in Manganknollen eine hohe natürliche Radioaktivität nachweisen. So überschreitet etwa die Aktivität von Radium-226 in den Knollen einen in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwert teilweise um das Hundert- bis Tausendfache.

International Seabed Authority (ISA)

Die in Kingston, Jamaika, beheimatete International Seabed Authority (Internationale Meeresbodenbehörde, ISA) ist für alle mineralischen Ressourcen am Meeresboden zuständig. Diese sind im Internationalen Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ / UNCLOS) als gemeinsames Erbe der Menschheit definiert. Dabei ist die ISA nur für den Teil des Meeresbodens zuständig, der außerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) der Küstenstaaten liegt. Er wird The Area genannt.

Länder, die das SRÜ nicht ratifiziert haben, sind nicht Mitglied der ISA (wie die USA, Israel, die Türkei und andere). Sie sind damit auch nicht an die Entscheidungen der Meeresbodenbehörde gebunden.

Am Tiefseebergbau interessierte Länder können sich von der ISA Explorationslizenzen für Meeresgebiete außerhalb ihrer AWZ zuweisen lassen.

Da ist auch Deutschland ist mit dabei. Im nordpazifischen Manganknollengürtel gelegen, umfasst das deutsche Areal etwa 75.000 Quadratkilometer und ist damit größer als Bayern.

Kleine und verarmte Inselstaaten im Pazifik sind besonders im Visier der Tiefseebergbau-Industrie. Denn viele der bislang entdeckten Vorkommen von Kobaltkrusten und Massivsulfiden befinden sich im Bereich des Festlandssockels dieser Staaten, wie der Carlton Clipperton Zone. So drohen die Cookinseln, Kiribati, Nauru und Tonga den finanziellen Verlockungen zu erliegen.

Tiefseebergbau in Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ)

Innerhalb ihrer AWZ (normalerweise die 200-Seemeilen-Zone, circa 370 Kilometer ab dem Rand des Küstenmeers, der 12-Seemeilen-Zone) dürfen Küstenstaaten ihre Meeresbodenschätze selbst ausbeuten.

Durch beantragte und bereits genehmigte AWZ-Erweiterungen bis in den Bereich des äußeren Festlandsockels verringert sich die Fläche von The Area allerdings. Damit schrumpft auch das Einflussgebiet der ISA.

Tauchen Sie mit uns in die Tiefe und erkunden Sie das unglaubliche Leben unbekannter Welten unseres Planeten.

Weltkarte der Mineralienlagerstätten in der Tiefsee.
Weltkarte der Mineralienlagerstätten in der Tiefsee. Aus dem Report „Predicting the impacts of mining deep sea polymetallic nodules in the Pacific Ocean“

Wachsender Widerstand gegen den Tiefseebergbau

32 Länder gegen den Tiefseebergbau.
  1. Peru hat das Internationale Seerechtsübereinkommen (SRÜ / UNCLOS) nicht ratifiziert und ist daher kein ISA-Mitglied (wie die USA, Israel, die Türkei und andere), sodass es bei der ISA nicht stimmberechtigt ist. Die Ankündigung zeigt jedoch, dass sich immer mehr Länder für den Schutz der Tiefsee und gegen deren Ausbeutung aussprechen. El Perú participó en el evento de alto nivel sobre acción oceánica “Inmersos en el Cambio” en Costa Rica ↩︎

CMS (Bonner Konvention)

Mitte Februar 2024 positionierte sich auch die Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (CMS/UN Convention of Migratory Species) auf ihrer 14. Vertragsstaatentagung (COP14) im usbekischen Samarkant gegen den Tiefseebergbau.

In einer Resolution fordert die CMS die Vertragsparteien nachdrücklich auf, sich nicht an Aktivitäten zur Ausbeutung von Tiefseebodenschätzen zu beteiligen oder diese zu unterstützen. Und zwar so lange, bis ausreichende und belastbare wissenschaftliche Informationen vorliegen, die sicherstellen, dass der Tiefseebergbau keine schädlichen Auswirkungen auf wandernde Arten, ihre Beute und ihre Ökosysteme hat.

Finnland

Auf der Tagung des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) Ende März 2023 schloss sich Finnland der wachsenden Zahl von Ländern an, die einen vorsorglichen Stopp des Tiefseebergbaus fordern. Der Schritt Finnlands ist bedeutsam. Denn es gehört zu den EU-Ländern, in deren AWZ es Manganknollen-Vorkommen gibt, insbesondere in den flachen Gewässern des Finnischen und des Bottnischen Meerbusens.

Antarktis

Das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag (Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty) verbietet seit seinem Inkrafttreten 1998 den Abbau von Rohstoffen in der Antarktis. Es wurde am 4. Oktober 1991 in Madrid, Spanien, beschlossen. Daher nennt man es auch Madrid-Protokoll.

Der Vertrag kann nach 50 Jahren – also ab dem Jahr 2048 – neu verhandelt werden. Folglich befürchten Meeresschutzorganisationen, dass das Tiefseebergbauverbot gelockert wird. Das Madrid-Protokoll erlischt jedoch nicht automatisch. Das Übereinkommen gilt so lange, bis sich die Vertragsstaaten auf eine neue Verhandlung einigen.

Convention on Biological Diversity/CBD

Auf der 15. Biodiversitätskonferenz des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt fordern Wissenschaftler und Meeresschutzorganisationen im Dezember 2022 den Schutz der Tiefsee vor dem Tiefseebergbau.

IUCN-Weltnaturschutzkongress 2021

Anfang September 2021 stimmte eine Mehrheit der Mitglieder der IUCN auf dem alle vier Jahre stattfindenden IUCN-Weltnaturschutzkongress für ein Moratorium für den Tiefseebergbau. In der Resolution heißt es außerdem, die ISA solle reformiert werden.

Petition gegen Tiefseebergbau

BLUE PERIL

Die Dokumentation BLUE PERIL liefert überzeugende, faktenbasierte Argumente, gar nicht erst mit dem Tiefseebergbau zu beginnen. Es ist die erste wissenschaftlich fundierte visuelle Untersuchung der Auswirkungen des Abbaus von Meeresbodenschätzen im Pazifischen Ozean. Unabhängig von der Industrie und der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA).

BLUE PERIL zeigt ein beunruhigendes Bild der weitreichenden Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf Wirtschaft und Lebensweise pazifischer Inselgemeinschaften wie Hawaii oder Kiribati.

Weiterführende Informationen